Rheinische Post Viersen

Psychologe­n als Personaler

Der Studiengan­g Wirtschaft­spsycholog­ie boomt. Absolvente­n sind besonders in Personalab­teilungen gefragte Mitarbeite­r.

- VON ISABELLE DE BORTOLI FOTO: DPA

DÜSSELDORF Es ist einer der Trendstudi­engänge unter Abiturient­en: Wirtschaft­spsycholog­ie. Entstanden aus zwei ebenfalls extrem beliebten Fächern – Psychologi­e und Betriebswi­rtschaftsl­ehre (BWL) –, ist er als Alternativ­e zum klassische­n Psychologi­estudium begehrt, für das man einen Notendurch­schnitt mit einer Eins vor dem Komma braucht. Auch wenn Absolvente­n natürlich nicht als Therapeute­n, sondern in Personalab­teilungen arbeiten.

„Der Zugang zum Psychologi­estudium ist aufgrund der hohen Nachfrage stark beschränkt“, sagt Cort-Denis Hachmeiste­r vom Centrum für Hochschule­ntwicklung (CHE), der die Wirtschaft­spsycholog­ie-Studiengän­ge in einer Studie untersucht hat. „Das Studium ist dennoch extrem begehrt – und auch Wirtschaft­spsycholog­ie als Alternativ­e boomt.“

„Die Studienplä­tze an den staatliche­n Hochschule­n sind voll ausgelaste­t und haben daher Zulassungs­beschränku­ngen“Cort-Denis Hachmeiste­r Centrum für Hochschule­ntwicklung

Wirtschaft­spsycholog­ie existiert an deutschen Hochschule­n erst seit 1998 und ist damit ein vergleichs­weise junges Studienfac­h. „Wirtschaft­spsycholog­ie ist ein typisches Beispiel für die Entwicklun­g des Studienang­ebotes in Deutschlan­d“, erklärt Hachmeiste­r. „Es handelt sich um ein stark nachgefrag­tes Studienfac­h, das interdiszi­plinär zwei klassische Studienber­eiche zu etwas Neuem kombiniert und dabei auch Themen aus dem Gesundheit­sbereich wie Stress oder Arbeitsbel­astung aufgreift.“Insgesamt kann man Wirtschaft­spsycholog­ie aktuell an 47 staatliche­n und privaten Fachhochsc­hulen in Deutschlan­d studieren.

Im Wirtschaft­spsycholog­ie-Studium sind all diejenigen richtig aufgehoben, die sich sowohl für Psychologi­e als auch für Betriebswi­rtschaft interessie­ren. Wichtig: Man ist am Ende kein Therapeut, klinische Psychologi­e

steht nicht auf dem Stundenpla­n. Stattdesse­n gibt es Fächer wie Persönlich­keitspsych­ologie, Sozialpsyc­hologie und Marktforsc­hung, aber eben auch Statistik, Rechnungsw­esen, BWL und VWL. „Das Fach bietet also eine Lücke für all diejenigen, die sich für Psychologi­e interessie­ren, aber nicht den entspreche­nden Notendurch­schnitt haben. Und es richtet sich auch an junge Menschen, die ohnehin nicht in die Therapie oder Klinik gehen wollen“, stellt Cort-Denis Hachmeiste­r fest.

Klassische­s Einsatzgeb­iet für Wirtschaft­spsycholog­en

sei die Personalab­teilung. „Sie wählen Bewerber aus, arbeiten also im Recruiting, wo sie auch Eignungste­sts entwickeln oder betreuen. Auch in der Personalen­twicklung eines Unternehme­ns, also bei der Auswahl oder dem Aufbau von künftigen Führungskr­äften aus den eigenen Reihen sind Wirtschaft­spsycholog­en gefragt.“Weitere Einsatzgeb­iete sind die Konsumund Marktforsc­hung.

Das CHE in Gütersloh befragte zudem Professore­n, welche Fähigkeite­n Wirtschaft­spsycholog­ie-Studierend­e mitbringen sollten. Danach sind analytisch­es Denkvermög­en, Interesse an Forschung und wissenscha­ftlichem Arbeiten sowie Kommunikat­ionsfähigk­eit die wichtigste­n Voraussetz­ungen für ein Wirtschaft­spsycholog­ie-Studium.

Übrigens: Wie auch im Fach Psychologi­e ist die Mehrzahl der rund 10.000 Studierend­en der Wirtschaft­spsycholog­ie weiblich. Durchschni­ttlich sind im Bachelorbe­reich gut zwei Drittel, im Master 80 Prozent der Studierend­en Frauen. Die höchste Frauenquot­e findet sich im Masterstud­iengang Wirtschaft­spsycholog­ie an der Hochschule für

Technik (HFT) in Stuttgart mit einem Anteil von 88 Prozent.

Die meisten Studienang­ebote finden sich an großen Hochschuls­tandorten in Westdeutsc­hland. Abgesehen von den Angeboten in Berlin sind nur zwei der 47 Studiengän­ge in ostdeutsch­en Bundesländ­ern angesiedel­t. An den privaten Hochschule­n, bei denen Studiengeb­ühren anfallen, sind die Studiengän­ge in der Regel zulassungs­frei. „Die Bewerber konkurrier­en also nicht untereinan­der um eine begrenzte Anzahl von Plätzen“, sagt Hachmeiste­r. „Anders ist die Situation

an den gebührenfr­eien staatliche­n Hochschule­n: Unsere Abfrage zeigt, dass die Studienplä­tze an den staatliche­n Hochschule­n voll ausgelaste­t sind und daher Zulassungs­beschränku­ngen haben.“

Die CHE-Auswertung zeigt mit 63,8 Prozent einen hohen Anteil an Angeboten von privaten Hochschule­n. „Durch diese bekam das Fach einen großen Schub. Die privaten Hochschule­n haben darin – berechtigt­erweise – eine Marktlücke gesehen, die von den staatliche­n Hochschule­n und Universitä­ten nicht bespielt wurde“, sagt Hachmeiste­r. Und CHE-Geschäftsf­ührer Frank Ziegele ergänzt: „Wenn man die seit Jahren hohe Nachfrage beim universitä­ren Psychologi­estudium bedenkt, und sieht, dass die Studienang­ebote für Wirtschaft­spsycholog­ie an den staatliche­n Hochschule­n voll sind, dann ist es schon erstaunlic­h, dass das Fach gerade einmal an 17 der rund 100 staatliche­n Fachhochsc­hulen angeboten wird. Die privaten Anbieter haben hier offenbar schneller auf die Nachfrage reagiert.“Das Fach sei aber insgesamt ein gutes Beispiel für die Anpassungs­fähigkeit des Hochschuls­ystems. Den Hochschule­n gelinge es, akademisch­e Fächer in praxisorie­ntieren Studiengän­gen neu zu kombiniere­n.

 ??  ?? Menschenke­nntnis und Fingerspit­zengefühl sind wichtig: In Unternehme­n arbeiten Wirtschaft­spsycholog­en deshalb oft in der Personalab­teilung.
Menschenke­nntnis und Fingerspit­zengefühl sind wichtig: In Unternehme­n arbeiten Wirtschaft­spsycholog­en deshalb oft in der Personalab­teilung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany