Psychologen als Personaler
Der Studiengang Wirtschaftspsychologie boomt. Absolventen sind besonders in Personalabteilungen gefragte Mitarbeiter.
DÜSSELDORF Es ist einer der Trendstudiengänge unter Abiturienten: Wirtschaftspsychologie. Entstanden aus zwei ebenfalls extrem beliebten Fächern – Psychologie und Betriebswirtschaftslehre (BWL) –, ist er als Alternative zum klassischen Psychologiestudium begehrt, für das man einen Notendurchschnitt mit einer Eins vor dem Komma braucht. Auch wenn Absolventen natürlich nicht als Therapeuten, sondern in Personalabteilungen arbeiten.
„Der Zugang zum Psychologiestudium ist aufgrund der hohen Nachfrage stark beschränkt“, sagt Cort-Denis Hachmeister vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), der die Wirtschaftspsychologie-Studiengänge in einer Studie untersucht hat. „Das Studium ist dennoch extrem begehrt – und auch Wirtschaftspsychologie als Alternative boomt.“
„Die Studienplätze an den staatlichen Hochschulen sind voll ausgelastet und haben daher Zulassungsbeschränkungen“Cort-Denis Hachmeister Centrum für Hochschulentwicklung
Wirtschaftspsychologie existiert an deutschen Hochschulen erst seit 1998 und ist damit ein vergleichsweise junges Studienfach. „Wirtschaftspsychologie ist ein typisches Beispiel für die Entwicklung des Studienangebotes in Deutschland“, erklärt Hachmeister. „Es handelt sich um ein stark nachgefragtes Studienfach, das interdisziplinär zwei klassische Studienbereiche zu etwas Neuem kombiniert und dabei auch Themen aus dem Gesundheitsbereich wie Stress oder Arbeitsbelastung aufgreift.“Insgesamt kann man Wirtschaftspsychologie aktuell an 47 staatlichen und privaten Fachhochschulen in Deutschland studieren.
Im Wirtschaftspsychologie-Studium sind all diejenigen richtig aufgehoben, die sich sowohl für Psychologie als auch für Betriebswirtschaft interessieren. Wichtig: Man ist am Ende kein Therapeut, klinische Psychologie
steht nicht auf dem Stundenplan. Stattdessen gibt es Fächer wie Persönlichkeitspsychologie, Sozialpsychologie und Marktforschung, aber eben auch Statistik, Rechnungswesen, BWL und VWL. „Das Fach bietet also eine Lücke für all diejenigen, die sich für Psychologie interessieren, aber nicht den entsprechenden Notendurchschnitt haben. Und es richtet sich auch an junge Menschen, die ohnehin nicht in die Therapie oder Klinik gehen wollen“, stellt Cort-Denis Hachmeister fest.
Klassisches Einsatzgebiet für Wirtschaftspsychologen
sei die Personalabteilung. „Sie wählen Bewerber aus, arbeiten also im Recruiting, wo sie auch Eignungstests entwickeln oder betreuen. Auch in der Personalentwicklung eines Unternehmens, also bei der Auswahl oder dem Aufbau von künftigen Führungskräften aus den eigenen Reihen sind Wirtschaftspsychologen gefragt.“Weitere Einsatzgebiete sind die Konsumund Marktforschung.
Das CHE in Gütersloh befragte zudem Professoren, welche Fähigkeiten Wirtschaftspsychologie-Studierende mitbringen sollten. Danach sind analytisches Denkvermögen, Interesse an Forschung und wissenschaftlichem Arbeiten sowie Kommunikationsfähigkeit die wichtigsten Voraussetzungen für ein Wirtschaftspsychologie-Studium.
Übrigens: Wie auch im Fach Psychologie ist die Mehrzahl der rund 10.000 Studierenden der Wirtschaftspsychologie weiblich. Durchschnittlich sind im Bachelorbereich gut zwei Drittel, im Master 80 Prozent der Studierenden Frauen. Die höchste Frauenquote findet sich im Masterstudiengang Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für
Technik (HFT) in Stuttgart mit einem Anteil von 88 Prozent.
Die meisten Studienangebote finden sich an großen Hochschulstandorten in Westdeutschland. Abgesehen von den Angeboten in Berlin sind nur zwei der 47 Studiengänge in ostdeutschen Bundesländern angesiedelt. An den privaten Hochschulen, bei denen Studiengebühren anfallen, sind die Studiengänge in der Regel zulassungsfrei. „Die Bewerber konkurrieren also nicht untereinander um eine begrenzte Anzahl von Plätzen“, sagt Hachmeister. „Anders ist die Situation
an den gebührenfreien staatlichen Hochschulen: Unsere Abfrage zeigt, dass die Studienplätze an den staatlichen Hochschulen voll ausgelastet sind und daher Zulassungsbeschränkungen haben.“
Die CHE-Auswertung zeigt mit 63,8 Prozent einen hohen Anteil an Angeboten von privaten Hochschulen. „Durch diese bekam das Fach einen großen Schub. Die privaten Hochschulen haben darin – berechtigterweise – eine Marktlücke gesehen, die von den staatlichen Hochschulen und Universitäten nicht bespielt wurde“, sagt Hachmeister. Und CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele ergänzt: „Wenn man die seit Jahren hohe Nachfrage beim universitären Psychologiestudium bedenkt, und sieht, dass die Studienangebote für Wirtschaftspsychologie an den staatlichen Hochschulen voll sind, dann ist es schon erstaunlich, dass das Fach gerade einmal an 17 der rund 100 staatlichen Fachhochschulen angeboten wird. Die privaten Anbieter haben hier offenbar schneller auf die Nachfrage reagiert.“Das Fach sei aber insgesamt ein gutes Beispiel für die Anpassungsfähigkeit des Hochschulsystems. Den Hochschulen gelinge es, akademische Fächer in praxisorientieren Studiengängen neu zu kombinieren.