Wohin die Kirmes doch noch kommt
Jahrmärkte und Kirmessen fallen in diesem Jahr aus. Eine Ausstellung im Freilichtmuseum widmet sich der Geschichte der Kirmes.
GREFRATH In diesem Jahr kommen die Schausteller nicht mit ihren Lkw, Transportern und Wohnwagen und bauen über Nacht ein eigenes blinkendes Universum auf, wo es nach Zuckerwatte riecht und Buden dicht an dicht Gewinne und Abenteuer versprechen.
Das Niederrheinische Freilichtmuseum will den Zauber von Kirmesfeiern und Jahrmärkten trotz Pandemie ein Stück weit wieder aufleben lassen mit der Sonderausstellung „Die Kirmes kommt! Zur Geschichte des Jahrmarktes“. Die Ausstellung ist ab Sonntag, 11. Oktober, bis Sonntag, 28. Februar 2021, im Obergeschoss der Dorenburg auf dem Gelände des Freilichtmuseums zu sehen. Die große Eröffnungsfeier fällt aus, corona-bedingt dürfen lediglich 15 Besucher gleichzeitig in die Ausstellung, in den Räumen besteht Mundschutzpflicht.
„Es ist ein trauriger Zufall, dass wir dieses Ausstellungsthema gerade in dem Jahr ins Programm genommen haben, in dem wir die Kirmesfeiern aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen lassen müssen“, sagt Kreisdirektor und Kulturdezernent Ingo Schabrich. Das große öffentliche Interesse an der Ausstellung mache aber deutlich, wie wichtig den Menschen „ihre Kirmes“auch heute noch sei.
Das Besondere: Viele Ausstellungsstücke stammen aus der Region. Die Kuratorin der Ausstellung und Leiterin des Museums, Anke Petrat, hat sogar eine Reportage gefunden, die die Kirmes in Viersen Ende der 80er Jahre zeigt – Dauerwelle, 80er-Schnauzer und Jeansjacke der Besucher und Schausteller inklusive.
Vor eineinhalb Jahren hat Petrat mit den Planungen begonnen. Die meisten Ausstellungsstücke sind Leihgaben des Historischen Vereins Deutscher Schausteller. Einige Exponate unter den Autoscooter-Fahrzeugen, Automaten und historischen Fotos stammen auch aus dem Privatbesitz von Schaustellerfamilien aus der Umgebung.
Eines der ältesten Ausstellungsstücke
ist ein „Guckkasten“aus dem 18. Jahrhundert: Wer durch die Linse schaut, sieht ein Bild. „Es wurden meist fremde, exotische Länder gezeigt oder historische Schlachten“, sagt Petrat. Später wurden Kuriositäten-Kabinette beliebte Attraktionen. Sie zeigten außergewöhnlich starke Frauen oder anders aussehende Menschen. Nicht selten wurde dabei mit Spiegeln und anderen optischen Täuschungen getrickst. „Aber man wollte sich ja auch von der Vorstellung verzaubern lassen, da war es egal, ob das, was gezeigt wurde, echt war oder eine Täuschung“, sagt Schabrich. Die Sonderausstellung möchte nicht nur Nostalgie erzeugen, sondern auch informieren. Darüber, wie es im Mittelalter seinen Anfang nahm: „Ursprünglich war die Kirmes ein Fest zum Gedenken an die Einweihung der Kirche“, sagt Petrat. Das Wort „Kirmes“hat seinen Ursprung in „Kirchmesse“.
Dieses Ereignis lockte auch Artisten, Puppenspieler und Musiker in die Dörfer und Städte. Doch aus dem frommen Gedenktag wurde schnell ein weltliches Fest, es wurde ausgelassen getanzt und gefeiert.
Auch damals war die Kirmes schon, was sie heute noch ist: eine Abwechslung vom Alltag. „Jeder Kulturkreis hat ein vergleichbares Format“, sagt Petrat. Es habe etwas zutiefst Menschliches, dem Alltag für ein paar Stunden zu entfliehen und in eine andere Welt einzutauchen. Musik, Lichter, Rausch.
„Kirmes ist auch ein Stück Kulturgeschichte“, sagt Kreisdirektor Schabrich. Denn die Geschichte der Kirmes zeigte die Sehnsüchte der Menschen über die Jahrhunderte. Und in der Ausstellung lernt man auch: Es ist nicht das erste Mal, dass wegen einer Pandemie sämtliche Kirmessen und Jahrmärkte ausfallen müssen. Früher kamen statt Corona die Pest und die Cholera dazwischen.