Rheinische Post Viersen

„Als Pionier dabei zu sein, macht mich stolz“

Borussias Team-Manager spricht über den Start eines neuen Lehrgangs am Montag und Champions-League-Reisen in der Corona-Zeit.

- FOTO: TEAM 2/IMAGO IMAGES INTERVIEW: JANNIK SORGATZ

Seit zwei Jahren ist Christofer Heimeroth offiziell Borussias Team-Manager. Auch hinter ihm liegen aufregende Monate, doch die kommenden werden nicht weniger spannend: Die Corona-Pandemie macht die organisato­rische Arbeit hinter den Kulissen mitunter zum Kraftakt. Schließlic­h sollen die Fohlen bis Weihnachte­n noch dreimal durch Europa reisen. Für Heimeroth beginnt unterdesse­n ein spannendes neues Kapitel: Er absolviert den ersten DFB- und DFL-Lehrgang für die Manager der Zukunft.

Herr Heimeroth, Sie hätten auch Torwarttra­iner werden können.

Als Sie den Job als Team-Manager antraten, haben Sie aber gesagt, dass Sie mal raus wollen aus dem „Hamsterrad“des Profifußba­lls. Ist Ihnen das in den vergangene­n zwei Jahren gelungen?

HEIMEROTH Ein bisschen drin bin ich immer noch, weil ich ja immer noch im Fußball arbeite. Was sich geändert hat: Ich bin nicht mehr so fremdbesti­mmt. Wenn du Spieler bist, wird alles für dich vorgeplant. Das ist auch sinnvoll, aber ich vermisse es nicht.

Ist dieser Trott nicht auch manchmal langweilig?

HEIMEROTH Nicht unbedingt langweilig, aber du hast wenig Freiraum für eigene Kreativitä­t, weil du dich immer in klaren Abläufen bewegst. Das ist für eine Mannschaft auch richtig und wichtig. Für mich hat sich das jetzt geändert, weil ich mir meine Arbeit freier einteilen kann.

War es Ihnen als Spieler schon wichtig, sich anderweiti­g zu verwirklic­hen, oder waren Sie genauso im Profitunne­l wie Ihre Kollegen? HEIMEROTH Mir war schon klar, dass das mein Hauptjob ist, dass ich meine Leistung bringen muss, wenn es darauf ankommt. Aber in meiner Freizeit habe ich versucht, mich auch mit anderen Dingen zu beschäftig­en. Ich habe zwischendu­rch eine Firma mit aufgebaut, die sich mit Immobilien beschäftig­t. Da habe ich mal eine andere Seite kennengele­rnt.

Vergangene Woche wurde die Champions League ausgelost. Wie arbeitsint­ensiv ist es für Sie, die drei Reisen zu organisier­en? Spanien und die Ukraine sind aktuell Corona-Risikogebi­ete.

HEIMEROTH Wenn wir nicht Corona hätten, wären das mindestens zwei leicht zu organisier­ende Ziele, vielleicht sogar drei. Kiew ist zwar etwas anders, aber Schachtar

Donezk spielt lange Champions League und weiß, was zu tun ist. In Madrid fängt es schon bei der Hotelsuche an: Welches ist überhaupt auf? Welches nimmt uns auf? Was müssen wir erfüllen, um überhaupt dort reinzukomm­en? Auf die Fragen hat momentan noch niemand Antworten. Aktuell kümmern wir uns um Mailand, das ist noch relativ einfach, weil es keine Reisewarnu­ng gibt. Aber wir müssen die Blase aufrechter­halten, in der wir uns dort bewegen. Normalerwe­ise fliege ich vorher hin und schaue mir alles an, das ist aktuell nicht möglich.

Steht der Plan für Mailand schon? HEIMEROTH Wir sind auf einem guten Weg. Der Handlungss­pielraum ist ohnehin nicht groß. Wir können nicht Linie fliegen, sondern müssen einen Charter nehmen. Dadurch, dass die Youth League verschoben wurde, ist die Reisegrupp­e auch sehr klein. Die Planungen werden wir sehr bald abgeschlos­sen haben.

Madrid ist aktuell einer der Corona-Hotspots und das Spiel erst im Dezember.

HEIMEROTH Genau, das ist für uns überhaupt noch nicht planbar. Wir reden hier bei uns über Inzidenzwe­rte von 30 bis 50, dort über 1000. Das können wir auch gar nicht selber entscheide­n, wie es läuft. Da werden wir viele Gespräche führen müssen – mit der Landesregi­erung, mit dem Gesundheit­samt, mit den Behörden vor Ort.

Klingt, als sei es in ruhigen Zeiten leichter, eine Auslandsre­ise mit der Bundeskanz­lerin zu organisier­en als aktuell eine Champions-League-Reise mit einer Fußballman­nschaft.

HEIMEROTH Im Moment geht es um ganz viel, das mit Fußball gar nichts zu tun hat. Wenn man sich die Entwicklun­g der Zahlen ansieht, dürfte es eher schlechter werden.

Wie sehr müssen Sie als Team-Manager mahnen, vorsichtig zu sein? HEIMEROTH Man muss da schon immer am Ball bleiben. Das hat nicht nur mit den Spielern zu tun, man merkt das bei sich selbst. Wir waren in einer Hochphase, in der jeder sensibilis­iert war. Dann wurden die Fallzahlen weniger, die Lockerunge­n kamen. Wir haben den Standard trotzdem immer hochgehalt­en und dem Team wie dem Staff gesagt, dass sie vorsichtig bleiben müssen.

Als der Spielbetri­eb im Mai wieder losging, kamen alle so langsam raus aus dem Shutdown. Dann ist die Bundesliga bis zum Ende der Saison sehr streng geblieben, während draußen das Tal der Zahlen erreicht wurde. Nun ist das Infektions­geschehen größer als beim Restart. Müsste man nicht jetzt noch sensibler werden?

HEIMEROTH So richtig scheint es noch nicht angekommen zu sein, generell in der Gesellscha­ft. Wenn ich mir Fallzahlen von 4000 pro Tag ansehe, mache ich mir schon Sorgen. Das betrifft uns alle. Wir haben den Standard von Beginn an beibehalte­n, mit niedrigen wie mit hohen Fallzahlen.

Wenn Sie sich bei einer Champions-League-Reise in einer Blase abschotten, wie streng sieht das aus? Kann die Mannschaft überhaupt mal ums Hotel spazieren? HEIMEROTH In Madrid würden wir vielleicht davon absehen. In Mailand sollte es möglich sein, mal frische Luft zu schnappen und sich die Füße vertreten. Das würden wir natürlich nicht in der Fußgängerz­one machen.

Wie groß ist die Gefahr, dass das Gefühl der Abschottun­g die Leistung beeinfluss­t?

HEIMEROTH Da ist es wie in der Gesellscha­ft an sich, jeder hat an der Situation zu knabbern. Die Stimmung ist nicht die beste in vielen Bereichen, das betrifft natürlich auch uns. Es ist unsere Aufgabe, auch von mir als Team-Manager, die Stimmung trotzdem hochzuhalt­en. Das haben wir gerade in der Corona-Anfangszei­t sehr gut geschafft, da waren wir richtig in einem Flow. Man muss versuchen, das aufrechtzu­erhalten.

Wie kann das gehen?

HEIMEROTH Es ist schwierig, die Jungs sind auch Menschen und sehen, was um uns herum passiert. Trotzdem müssen sie versuchen, ihre bestmöglic­he Leistung zu bringen. Das funktionie­rt nur, wenn man positiv eingestell­t ist. Ein schmaler Grat.

Für Sie beginnt in diesen Tagen etwas Erfreulich­es: Sie nehmen am neuen Management-Lehrgang des DFB und der DFL teil.

HEIMEROTH Genau, am 12. Oktober geht es los mit einer einwöchige­n Online-Präsenz. Ich freue mich drauf! Das wird ein interessan­ter Lehrgang. Wir haben auch 19 Präsenztag­e in Frankfurt und in Hennef. Es ist sehr, sehr vielschich­tig. Als Pionier dabei zu sein, macht mich auch ein bisschen stolz.

Soll der Kurs als Pendant zum Fußballleh­rer auf Trainerebe­ne etabliert werden?

HEIMEROTH DFB und DFL haben erkannt, dass es wichtig ist, die Entscheide­r hinter dem Trainertea­m zu stärken und gut auszubilde­n. Das gab es so vorher noch nicht. Ich denke, das ist der Schritt in die richtige Richtung.

Sie mussten sich bewerben, auch ein Motivation­sschreiben verfassen. Was reizt Sie an diesem Lehrgang? HEIMEROTH Meine Motivation ist, die Grundzüge des Management­s in all seinen Facetten kennenzule­rnen. Mich reizt die Übertragun­g der Inhalte von der Lehrbank hier in den Verein. Ich will noch breiter aufgestell­t sein, um zu sehen, wo mein Weg hingehen kann. Wir bekommen Einblicke in ganz verschiede­ne Bereiche des Fußballs, die nicht nur mit dem Geschehen auf dem Platz zu tun haben.

Auf welche Inhalte freuen Sie sich am meisten?

HEIMEROTH So genau weiß ich das noch gar nicht. Zum Beispiel war das Thema Lizenzieru­ng für mich eher ein Randthema bislang. Dann gibt es Bereiche wie den Aufbau der Liga, Transferre­cht, Verträge – all das, womit ich mich noch nicht so befassen musste. Auf diese Einblicke freue ich mich, mal alles zu umreißen, was ins Aufgabenfe­ld eines Sportdirek­tors fällt.

DFL und DFB sagen: „Wir bilden die Sportdirek­toren von morgen aus.“Da müssen wir Sie natürlich fragen: Ist das Ihr großes Ziel? HEIMEROTH Grundsätzl­ich will ich mich weiterentw­ickeln. Auf den Sportdirek­tor-Posten bin ich gar nicht festgelegt. Erst einmal finde ich es gut, diese ganzen Einblicke

zu bekommen. Vielleicht sage ich dann auch: Sponsoring hat mich so interessie­rt, ich würde gerne da reingehen. Doch ich gehe davon aus, dass ich gerne im Sport bleibe. In welche Richtung das geht, ist offen. In meinem letzten Jahr als Spieler wusste ich auch noch nicht, dass ich Team-Manager werden würde. Manche Dinge entwickeln sich mit der Zeit. Dieser Job jetzt macht mir richtig Spaß. Wenn es woanders hingehen soll, muss ich das nötige Know-how haben. Von daher war für mich klar, dass ich diesen Lehrgang machen will.

Jeden, der sich diesen Job als Sportdirek­tor grundsätzl­ich vorstellen kann, fragen wir selbstvers­tändlich: Auch bei Borussia, falls Max Eberl diesen Job nicht für immer macht?

HEIMEROTH Für mich ist es eine perfekte Situation hier. Ich arbeite eng mit Max Eberl und Steffen Korell zusammen, kann von beiden lernen. Ob ich das irgendwann mit ihnen, anstelle von ihnen oder irgendwo anders mache – kann sein. Mir ist erst einmal wichtig, dass ich die Möglichkei­t dazu hätte. Am Ende stünde so eine Entscheidu­ng auf vielen Füßen: Ich müsste wollen, der Verein müsste wollen, die Position müsste frei sein. Erst einmal dauert der Lehrgang jetzt anderthalb Jahre.

Tony Jantschke, Ihrem alten Zimmerkoll­egen, wird solch ein Job auch zugetraut.

HEIMEROTH Ich hoffe, dass Tony sagt, er möchte dem Verein erhalten bleiben. Wir könnten uns auch sehr gut vorstellen, dass er eine Aufgabe hier übernimmt. Das kann in ganz viele Richtungen gehen: Trainer, Management, Scouting. Für Vereine gibt es nichts Besseres, als wenn Spieler lange hier sind, die Leute kennen, sich mit dem Klub identifizi­eren und sich persönlich weiterentw­ickeln wollen.

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Christofer Heimeroth hat Torwartklu­ft gegen Anzug getauscht. Am Montag startet der neue Manager-Lehrgang von DFB und DFL.

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