Ein Schatz für alle Ahnenforscher
Herbert Söthe transkribierte Viersens älteste notarielle Überlieferung und hat das Bannbuch neu aufgeschrieben.
VIERSEN Wer die Formulierung „einen Bann legen“hört, denkt vermutlich zunächst an einen Fluch, der ausgesprochen wird. Das ist mit jenem Eintrag im Viersener Bannbuch vom 10. Januar 1575 allerdings nicht gemeint, in dem es heißt: „Paulus Molterß legt einen Bann über 9 Ruten Bosch, gelegen ,in dem Hamm Busch’, gekauft von Hanß Blotzkes.“Vielmehr stellt die Bezeichnung ein Stück Rechts- und Eigentumsverhältnis dar. Dazu gab es in den Jahren 1574 bis 1702 insgesamt 5947 Einträge im Viersener Bannbuch, aufgeteilt auf zwei Bände, von 1574 bis 1626 und von 1627 bis 1702.
Für die Kreisstadt ist das Bannbuch die älteste notarielle Überlieferung in Viersen. Mit den beiden Bänden hat sich Herbert Söthe rund zwölf Jahre lang beschäftigt: Der 62-Jährige hat sie transkribiert. Unter dem Titel „Das Bannbuch des Schöffengerichtes Viersen 15741702“ist damit ein weiteres Stück Viersener Stadtgeschichte für alle Viersener leicht zugänglich.
Ein Bannbuch ist eine Vorform des Grundbuchs und des Liegenschaftskatasters. In ihm wurden seinerzeit die Rechts- und Eigentumsverhältnisse von Grundstücken und deren Lage festgehalten. Dass ein Bann gelegt wurde, stand für die verbindliche Anerkennung eines Rechtsstatus. Überall dort, wo der Besitz einer Familie unter den Erben aufgeteilt wurde oder Grundstücke verkauft wurden, war ein Eintrag in das Bannbuch notwendig. Es wurde genau festgehalten, wem welches Grundstück gehörte oder wer beispielsweise von seinen Miterben ausgezahlt wurde.
Söthe, der im westmünsterländischen Ahaus-Ottenstein lebt und Diplom-Verwaltungsbetriebswirt ist, hatte den ersten Kontakt zum Viersener Stadtarchiv vor rund 25 Jahren. „Ich verdanke es meinen Vorfahren, die zu einem Viertel aus dem Rheinland kamen, dass ich in Viersen landete“, erzählt er. Bei der Familienforschung, die ihn in den Bann gezogen hatte, stellte er fest, dass seine Urgroßmutter 1863 in Viersen zur Welt kam. Er wollte mehr wissen und besuchte erstmals das Stadtarchiv in Viersen, wo er die rechtshistorischen Quellen auf der
Suche nach dem Namen seiner Urgroßmutter durchforstete. Vor dem Hintergrund, dass es kein Namensregister gab, eine Sisyphusarbeit. Er musste sich durch die beiden Bände des Bannbuches bewegen. Das brachte ihn im Laufe seiner eigenen
Nachforschungen auf die Idee, Abschriften von Quellen anzufertigen und ein Register anzulegen, um es weiteren Nutzern einfacher zu machen.
„Schrift, Text und Sprache lösten beim ersten Kontakt erst einmal ein langgezogenes ,Hmm’ aus“, erinnert sich Söthe. Die südniederfränkische Sprache, bei der es auch niemand mit der Schreibweise der Namen so genau genommen hatte, galt es zu transkribieren. Mit Unterstützung von Stadtarchivar Marcus
Ewers machte sich Söthe an die Arbeit. Eine Arbeit, die lange dauerte, schließlich gab es auch noch einen Hauptberuf. „Das Bannbuch ist eine genealogisch wichtige Quelle, mit der wir weiter zurückgehen können als mit den Kirchenbüchern“, hebt Ewers die Wichtigkeit der Arbeit hervor. Für Söthe war es dabei nicht der erste Einsatz für das Archiv. „Mit seiner Arbeit leistet Herbert Söthe der Forschung einen wertvollen Dienst und er vollendet ein Gesamtwerk. Denn das Bannbuch ist der funktionale Vorläufer der Realisationsprotokolle, von denen er von 2013 bis 2015 bereits Abschriften in den Publikationen des ehemaligen Stadtarchivs veröffentlicht hat“, sprach Kreisarchivar Michael Habersack Dank aus. Söthe hat indes schon das nächste Projekt im Visier: Er möchte ein Namensregister zu den Schöffengerichtsprotokollen von 1629 bis 1798 anfertigen.