Zwölfjähriger spielt Geige aus dem 18. Jahrhundert
Raphael Gisbertz aus Niederkrüchten kann bereits auf eine stattliche Anzahl musikalischer Erfolge zurückblicken.
NIEDERKRÜCHTEN „Das Üben ist nicht immer einfach, aber wenn ich nicht übe, fühle ich mich komisch, es gehört für mich einfach dazu“– das aus dem Mund eines Zwölfjährigen zu vernehmen, ist erstaunlich. Dabei wirkt der Gymnasiast einer 7. Klasse des Wegberger Gymnasiums keinesfalls verspannt oder gedrillt. „Am besten kann ich morgens üben – so ab sechs Uhr, bis ich zur Schule muss – nachmittags nach den Schulaufgaben auch nochmal, aber dann spiele ich manchmal, ohne mich ernsthaft zu konzentrieren“, erzählt Raphael, und es ist ihm anzumerken, dass kein elterlicher Zwang dahinter steht.
Das schönste Zimmer mit riesiger Fensterfront zum Garten im ländlich gelegenen elterlichen Haus steht dem lebhaften Jungen, der ausgewiesener Fußballfanatiker ist, zur Verfügung. Wählen kann er seit Neuestem zwischen seiner sehr guten modernen Geige und einem von der Deutschen Stiftung Musikleben zur Verfügung gestellten klangprächtigen Instrument aus dem 18. Jahrhundert. Ein erbetenes Ständchen, um die Unterschiede zwischen den beiden Instrumenten zu hören, gewährt Raphael gerne – Bach und Schumann – selbstverständlich auswendig – ganz locker und mit staunenswerter interpretatorischer Reife. „Auswendig spielen kann ich die meisten Werke schon nach drei oder vier Tagen, und ich habe bald schon ein Gefühl für das jeweilige neue Stück. Mein Lehrer zeigt mir dann, was bezüglich des Ausdrucks und der Interpretation wichtig ist“, erklärt der junge Geiger.
Sein Lehrer, mit dem er sich bestens versteht, ist der Stimmführer der zweiten Geigen bei den „Niederrheinischen Sinfonikern“, Emir Imerov. Er trat die Nachfolge des von Raphael sehr verehrten Ernest Frissen an, der 2018 plötzlich verstarb. Ersten Unterricht bekam der Sechsjährige,
nachdem er seinen Eltern erklärt hatte, er wolle Geige lernen, bei Hans Georg Hoscheck.
Zurzeit übt Raphael für den Wettbewerb „Jugend musiziert“, bei dem er schon fünfmal mitgemacht hat und immer erste Preise abräumen konnte. Vor drei Jahren bereits gewann er den Wettbewerb „Bühne frei“und durfte, begleitet von den „Niederrheinischen Sinfonikern“unter Mihkel Kütson, mit dem „Frühling“von Antonio Vivaldi glänzen.
Bei vier Wettbewerben in diesem Jahr (wegen Corona alle nur online – es mussten Aufnahmen eingesandt werden) errang Raphael erste Preise oder Hauptpreise: „First Great Award“in der Kategorie Young Artist in Wien (inbegriffen ein Konzert im Wiener Konzerthaus); „Singapore Violin Festival Competition“; „Odin Music Competition“und „France Music Competition“. Meisterkurse und Akademien besucht der junge Geiger regelmäßig, so die „Austrian Master Classes“, „Stringtime Niederrhein“in Goch oder die „Starnberger Musiktage“. Auch zu Meisterklassen wurde er zugelassen – so bei Shlomo Mintz, Gwendolyn Masin und Rudens Turku. Ob er sich ein Leben mit der Geige vorstellen kann? „Das ist möglich, aber ich kann es mir ja noch einige Zeit überlegen“, meint er und lächelt freundlich.