Der Corona-Charaktertest
Wie schön es doch wäre, könnte man Gesundheit kaufen. Die Bundesregierung würde die Milliardensummen zur Rettung der Wirtschaft dafür ausgeben, das Coronavirus einfach von den Menschen fernzuhalten, statt die Folgen ihrer Erkrankung zu bezahlen. Empfindliche Eingriffe in die Grundrechte wären unnötig, die Bundeswehr müsste Gesundheitsämtern nicht bei der Nachverfolgung der Infektionsketten helfen, alte Menschen würden in Heimen nicht durch Isolation vereinsamen, und Kinder könnten unbedenklich in die Schule gehen. Vieles wäre leichter, wenn es nur zu kaufen wäre. Solidarität zum Beispiel, oder Zusammenhalt, Empathie, Demut und am besten auch noch Verständnis. Allein, das alles gibt es für kein Geld der Welt. Der Politik bleibt da nur der Appell. Wie der von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er nennt die Pandemie einen Charaktertest, „für uns als Gesellschaft“. Das heißt: für die Bürger – aber auch für die Politiker.
Zur Bewältigung der Corona-Krise fordern Regierungschefs, Minister und Abgeordnete, dass wir uns unsere Verantwortung bewusst machen. Für uns selbst und für andere. Dass wir zusammenhalten und besonnen handeln. Das ist gut und richtig. Es wäre nur schön, wenn Politiker in dieser Notlage, in die die Corona-Pandemie diesen föderalen Staat gebracht hat, selbst geschlossener auftreten und solidarischer vorgehen würden. Und – das ist oft ein gefährliches Manko in der Politik – ihre Pläne und Entscheidungen besser erklären und transparenter machten. Damit sind wir wieder bei Jens Spahn. Und einem Charaktertest für die Politik.
Die Bundesregierung möchte möglichst schnell die Sonderrechte für den Bundesgesundheitsminister in der Corona-Bekämpfung über die bisherige Frist des 31. März 2021 hinaus verlängern. In einem Referentenentwurf heißt es: „Die fortschreitende Verbreitung des Coronavirus Sars-CoV2 und der hierdurch verursachten Krankheit Covid-19 machte deutlich, dass weitere Regelungen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und zur Bewältigung der Auswirkungen auf das Gesundheitswesen notwendig sind.“Auch aufgrund neuerer Erkenntnisse über Corona und in Kürze möglich erscheinender Impfprogramme sei eine Fortentwicklung der gesetzlichen Grundlagen angezeigt, „um auch über den 31. März 2021 hinaus, wenn dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist, die notwendige Handlungsfähigkeit sicherzustellen“.
In diesem Gesetzentwurf zum „Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“stehen nachvollziehbare Änderungen. Etwa, dass Beschäftigte keine Entschädigung mehr für Verdienstausfall bekommen sollen, wenn sie bewusst in ein Risikogebiet gereist sind und danach in Quarantäne müssen. Oder dass der Anspruch über Testungen auf Sars-CoV-2 hinaus erweitert werden soll, etwa auf Influenzaviren. Es ergeben sich aber Fragen, die umso mehr verunsichern, je länger keine Klarheit geschaffen wird. Wie diese: Welche Macht bekommt der Gesundheitsminister durch den Passus, dass künftig auf Grundlage einer Rechtsverordnung von ihm „zum internationalen und nationalen Reiseverkehr bundeseinheitliche Schutzmaßnahmen vorgesehen werden“?
Oder diese Frage am Montag in der Bundespressekonferenz: Was bedeutet die Formulierung in dem Entwurf, dass Regelungen zur Stärkung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit durch Verordnungsermächtigungen des Bundesgesundheitsministers „verstetigt“werden? Was heißt Verstetigung? Um welchen Zeitraum handelt es sich? Warum wird keine klare – und möglichst kurze – Frist dafür gesetzt? Die
Politiker müssten in der Krise selbst zusammenrücken und solidarischer handeln