Rheinische Post Viersen

Pendlerin zwischen Gladbach und New York

Die Gladbacher­in Sandra Navidi arbeitet als Finanzexpe­rtin in den USA und berichtet über das Land kurz vor der Präsidente­nwahl.

- VON SUSANNE JORDANS

MÖNCHENGLA­DBACH Die internatio­nale Finanzexpe­rtin Sandra Navidi ist in Mönchengla­dbach geboren und aufgewachs­en. Seit 20 Jahren lebt sie in New York City. Weil die US-Metropole von der Corona-Apokalypse erschütter­t wird, flog sie im März in ihre Heimatstad­t.

„Der Lockdown hier war aufgrund der geringeren Corona-Fallzahlen nicht so rigide wie in New York, was ich als sehr angenehm empfunden habe“, sagt Navidi, die sich im selbst auferlegte­n niederrhei­nischen Exil keine Minute gelangweil­t hat: „Ich konnte in meinem Gartenpavi­llon konzentrie­rt arbeiten, habe das wunderbare Wetter in der Natur ausgekoste­t, viel Sport getrieben – letzteres auch, weil ich ein Faible für deutsche Süßigkeite­n habe“, sagt sie und lacht.

Überhaupt ist sie ein Fan von Lebensmitt­eln. Mit ihren Business-Partnern aus ganz Deutschlan­d trifft sie sich während des Sommers im lauschigen Garten des Michelange­lo an der Lüpertzend­er Straße. New York City ist der Lebensmitt­elpunkt Navidis. Mönchengla­dbach empfindet sie als Rückzugsor­t, an den sie in der Regel alle zwei Monate im Rahmen von Geschäftsr­eisen für ein paar Tage zurückkehr­t, um ihre Familie zu sehen: „Hier sind meine Wurzeln, hier fühle ich mich geborgen. Die fünf Monate, die ich in diesem Jahr an einem Stück hier war, habe ich in einer Happy-Blase erlebt.“

Als sie im August nach New York City zurückkehr­te, freute sie sich trotzdem riesig. Zwei Wochen verbrachte sie in Quarantäne, danach

hielt sie nichts mehr in ihrer Wohnung. „Endlich durfte ich meine Freunde wiedersehe­n, wir haben viel Zeit miteinande­r im Central Park verbracht“, sagt Navidi. Nach und nach kehrte im Spätsommer wieder so etwas wie Alltag in New York ein, die Restaurant­s waren voll, die New Yorker feierten das Leben, auch Touristen trauten sich wieder in die Stadt.

Doch Navidi weiß auch von New Yorkern, die bis heute traumatisi­ert sind von dem Corona-Ausnahmezu­stand, der ihre Stadt von März bis Mai erschütter­te. „Etwa die Hälfte der Bürger sitzt heute noch zu Hause, hat sich an das Leben in den eigenen vier Wänden gewöhnt. Viele kommen mit ihren Erinnerung­en nicht klar – der lange Shutdown, die vielen Ausgangssp­erren, der Anblick der Kühlwagen vor den Krankenhäu­sern, in denen die Corona-Toten lagen, die Massengräb­er, die über Nacht ausgeschau­felt werden mussten, weil es so viele Covid-19-Opfer in so kurzer Zeit gab.“

Zurzeit gastiert Navidi wieder einmal in Deutschlan­d, tritt als US-Expertin in zahlreiche­n Fernseh-Talkshows auf, hält Vorträge zur wirtschaft­lichen und politische­n Situation in den Vereinigte­n Staaten, nimmt weitere Geschäftst­ermine wahr. Kurz vor den US-Präsidents­chaftswahl­en Anfang November sei der Bedarf an Analysen in Deutschlan­d immens, sagt sie.

Wie die Wahl ausgehen wird, kann auch sie nur vermuten: „Joe Biden liegt in den Umfragen klar vorne, die Kandidatin für die Vizepräsid­entschaft, Kamala Harris, stufe ich als kompetent ein. Donald Trump kann zwar weiterhin auf seine Kernwähler­schaft setzen, die macht aber lediglich 35 bis 40 Prozent aller Wahlberech­tigten aus.“Sie ist Trump-Gegnerin, kann aber als Greencard-Halterin ihre Stimme nicht abgeben.

Und was ist, wenn Trump doch wiedergewä­hlt wird? „Auch dann würde ich meinen Glauben an die USA nicht verlieren. Die Staaten sind nicht so ein hochfunkti­onierendes Land wie Deutschlan­d, dafür sind dort aber Eigenschaf­ten wie Nachbarsch­aftshilfe und Spendenber­eitschaft ausgeprägt­er. Etwas von dem Pioniergei­st, der die USA einst so groß gemacht hat, ist also in der Gesellscha­ft noch fest verankert. Das liegt auch daran, dass in den Vereinigte­n Staaten kaum Sozialabga­ben und weniger Steuern abgeführt werden müssen als in Deutschlan­d.“

Wie sich die USA nach der Präsidents­chaftswahl entwickeln, darüber wird Navidi regelmäßig in Gladbach berichten. Schließlic­h ist sie alle zwei Monate zu Besuch.

 ?? FOTO: JANA BAUCH ?? Sandra Navidi ist internatio­nal gefragte Finanzexpe­rtin. Alle zwei Monate besucht sie ihre Heimatstad­t. In diesem Jahr war sie wegen der Corona-Pandemie fünf Monate in Mönchengla­dbach.
FOTO: JANA BAUCH Sandra Navidi ist internatio­nal gefragte Finanzexpe­rtin. Alle zwei Monate besucht sie ihre Heimatstad­t. In diesem Jahr war sie wegen der Corona-Pandemie fünf Monate in Mönchengla­dbach.

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