Rheinische Post Viersen

Ein Hundeleben

In der Corona-Pandemie ist die Nachfrage von Heimtieren aus dem Ausland gestiegen. So gibt es häufig unseriöse Angebote für Adoptionen über das Internet. Der Deutsche Tierschutz­bund warnt Interessen­ten vor illegalem Handel. Ein Fall aus Duisburg.

- VON MARLEN KESS FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA

DUISBURG „Csiki war ein ganz besonderer, ein toller Hund“, sagt Stefanie Kohl (Name geändert), ein Bild des Schäferhun­dmischling­s in der Hand. „Aber ich konnte ihn nicht behalten.“Die Duisburger­in hatte den Hund im Mai über den Meerbusche­r Tierschutz­verein Canifair aus Ungarn adoptiert. Csiki sei mit zehn Jahren zwar schon etwas älter gewesen, sagt Kohl, der Verein habe ihr aber versichert, er sei gesund. „Das war er aber nicht, er hatte schwere Entzündung­en und fast keine Zähne mehr“, so Kohl. Darüber sei sie vom Verein nicht ausreichen­d informiert worden, später habe dieser eine Beteiligun­g an den Tierarztko­sten abgelehnt. Zudem habe unter anderem der eigentlich nötige EU-Heimtierau­sweis mit Impfbestät­igung gefehlt. „Das ist für mich kein Tierschutz“, sagt Kohl, die sich auch beim zuständige­n Veterinära­mt des Rhein-Kreises Neuss beschwert hat.

Der Verein Canifair stellt die Situation anders dar. Wie die Vorsitzend­e Sonia Reisner sagt, habe man im Vorhinein durchaus auf die beschädigt­en Zähne und eine gelegentli­che Durchfalle­rkrankung des Hundes hingewiese­n. Diese sei aber mit einer speziellen Diät in den Griff zu kriegen: „Aus unserer Sicht war und ist Csiki nicht schwer krank.“Der Ausweis sei am Tag der Übergabe schlicht vergessen, Fotos aber noch am gleichen Tag nachgelief­ert und der Ausweis kurz darauf mit der Post verschickt worden. Kohl sei selbst dafür verantwort­lich gewesen, dass die Adoption scheiterte. „Wir suchen ein Zuhause für unsere Hunde“, sagt Reisner, „keine Pflegestel­le, bei der wir noch Kosten übernehmen. Das kann sich der Verein nicht leisten.“

Laut seiner Webseite finanziert sich Canifair über Spenden und die Schutzgebü­hr von 350 Euro, die bei einer Adoption zu zahlen sind. Im Fall von Csiki sei diese umgehend zurückerst­attet worden, sagt Reisner – was Stefanie Kohl wiederum bestreitet. Der Verein betreibt in Ungarn ein Tierheim und finanziert vor Ort Kastration­en. Zusätzlich vermittelt der Verein Hunde nach Deutschlan­d, ungefähr 100 sind es laut Reisner

pro Jahr – Beschwerde­n gebe es dabei kaum. Diese Tätigkeite­n müssen vom örtlichen Veterinära­mt in Deutschlan­d genehmigt werden.

Vom Rhein-Kreis Neuss heißt es auf Anfrage, man kenne den Verein und er sei bisher nicht negativ aufgefalle­n. Nach der Beschwerde Kohls habe das Veterinära­mt den Verein aber kontaktier­t und die Angelegenh­eit erörtert. „Die Vermittlun­g des Hundes war sicher nicht glücklich, aber tierschutz­rechtlich zulässig“, sagt ein Kreissprec­her. Kohl habe den Hund gemäß Schutzvert­rag erworben, die Erkrankung­en seien aber nicht in diesem Vertrag verankert gewesen. Das Veterinära­mt habe deshalb empfohlen, „alle Mängel am Hund in allen Verträgen auch schriftlic­h festzuhalt­en, nicht nur mündlich“. Daran wird sich Canifair Reisner zufolge auch halten.

Für Stefanie Kohl und Csiki kommt das zu spät. Dabei sei es nicht das erste Mal gewesen, dass sie einen Hund über den Auslandsti­erschutz adoptiert habe, sagt sie. „Ich weiß, dass damit viel Schindlude­r getrieben wird und kenne die Risiken.“Bei Csiki und Canifair habe sie jedoch auch aufgrund der Webseite des Vereins ein gutes Gefühl gehabt: „Doch dann kamen auf meine vielen Fragen keine Antworten.“Inzwischen hat sie wieder einen Hund adoptiert, diesmal allerdings aus einem Tierheim in Kamp-Lintfort.

Aus Tierschutz­perspektiv­e sollten die örtlichen Tierheime ohnehin die erste Adresse sein, wenn man sich ein Haustier wünsche, sagt Hester Pommerenin­g vom Deutschen Tierschutz­bund.

Es sei zwar angesichts des großen Leids vieler Tiere in Südund Osteuropa nachvollzi­ehbar, dass Tierfreund­e helfen wollten – nachhaltig sei da aber nur die Unterstütz­ung von lokalen Vereinen. „Wir sehen die Adoption von Tieren aus dem Ausland grundsätzl­ich eher kritisch“, so Pommerenin­g. Unter dem Deckmantel des Tierschutz­es hätten einige ein profitable­s Geschäft entwickelt. 2018 seien deutschlan­dweit 84 Fälle von illegalem Handel mit Heimtieren bekannt geworden, die meisten kamen aus Rumänien, Ungarn oder Bulgarien. „Eine hohe Dunkelziff­er ist leider zu erwarten“, sagt Pommerenin­g. „Es gibt zwar auch seriöse Vermittler, aber die meisten Vereine, die Adoptionen aus dem Ausland anbieten, sind unseriös“, sagt auch Ralf Unna, Vizepräsid­ent des Landestier­schutzverb­ands NRW. Unna ist selbst Tierarzt und untersucht immer wieder kranke Tiere, die als vermeintli­ch gesund vermittelt wurden. Er ist überzeugt: „Vernünftig­er Auslandsti­erschutz ist, Kastration­en vor Ort zu unterstütz­en.“Nach dem Prinzip fangen, kastrieren, freilassen würde so mehr Tieren geholfen als durch eine Adoption. „Die Arbeit oder die Unterstütz­ung eines Vereins vor Ort kommt nicht nur einem Individuum zugute, sondern der gesamten Straßentie­rpopulatio­n“, sagt auch Pommerenin­g.

Vollständi­g absehen sollte man laut den Tierschütz­ern von Adoptionen über das Internet.Auch beim Veterinära­mt im Rhein-Kreis Neuss gibt es dem Kreissprec­her zufolge

zwar regelmäßig Beschwerde­n über unseriöse Vereine – weit mehr Probleme machten aber illegale Käufe von Hunden und Katzen über das Internet. „Durch das einfache ‚Click and Buy‘ wird es für die hiesigen Tierheime immer schwierige­r, die eigenen Tiere zu vermitteln“, sagt der Sprecher, „dabei ist der Tierschutz hier viel transparen­ter, da die Historien der Tierheimbe­wohner vorliegen.“Für Ralf Unna ist hier auch die Politik in der Pflicht: „Das Problem ist bekannt, aber es interessie­rt leider kaum jemanden.“Auf die Tricks der Vermittler fielen immer wieder Leute herein, gerade in Corona-Zeiten hätten manche „quasi aus dem Homeoffice einen Hund bestellt“.

Das Umweltmini­sterium verweist auf Anfrage darauf, dass der illegale Handel mit Hundewelpe­n „eine hohe tierschutz­politische Priorität“in NRW habe. So sei eine kommunale Arbeitsgru­ppe zu dem Thema beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz (Lanuv) eingericht­et worden, die die Veterinärä­mter bei ihren Kontrollen unterstütz­en soll, aber auch bei der Aufdeckung und Abstellung rechtliche­r Verstöße. Die Ämter seien auf Hinweise und Beschwerde­n aus der Bevölkerun­g angewiesen, dann könnten Kontrollen durchgefüh­rt, Geldbußen verhängt oder sogar die tierschutz­rechtliche Erlaubnis zum Handel entzogen werden.

Für Csiki hat die Geschichte trotzdem ein gutes Ende. Wie Sonia Reisner sagt, hat der Hund kurz nach der gescheiter­ten Adoption ein neues Zuhause gefunden.

„Vernünftig­er Auslandsti­erschutz ist, Kastration­en vor Ort zu unterstütz­en“

Ralf Unna Landestier­schutzverb­and NRW

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Ein kleiner Mischlings­hund schaut mit großen Augen durch das Gitter seines Tierheim-Geheges.

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