Rheinische Post Viersen

Härtere Strafen allein reichen nicht

- VON MARTIN KESSLER

Sexuelle Gewalttate­n gegen Kinder sind ein Verbrechen. Darüber gibt es keinen Zweifel. Dass Aktivitäte­n in Chatrooms und die Verbreitun­g kinderporn­ografische­r Inhalte teils noch als Vergehen eingestuft wurden, ist unhaltbar. Hier schafft der neue Gesetzentw­urf von Justizmini­sterin Christine Lambrecht Klarheit. Auch das höhere Strafmaß von maximal 15 statt zehn Jahren bei sexualisie­rter Gewalt gegen Kinder ist gerechtfer­tigt.

Umgekehrt darf es aber nicht bei jedem neuen Fall einen Wettlauf um noch härtere Strafen geben. Die jüngeren Fälle Lügde, Bergisch Gladbach und Münster zeigen, dass Behörden und Privatpers­onen nicht genau hingeschau­t haben. Es ist unangenehm und belastend, in diesen Sumpf einzutauch­en. Trotzdem dürfen alle Verantwort­lichen, Privatpers­onen eingeschlo­ssen, die Augen nicht verschließ­en.

Man sollte in jedem Fall mehr Energie darauf verwenden, Schutzkonz­epte für Kitas und Schulen, aber auch für Vereine, kirchliche Einrichtun­gen sowie Institutio­nen der Kinder- und Jugendhilf­e zu entwickeln. Immer nur höhere Strafen zu fordern, ist einfacher, als etwa die Sozial- und Jugendbehö­rden so aufzustell­en, dass verdächtig­e Handlungen in einem Frühwarnsy­stem registrier­t und geahndet werden. Wer diese Verbrechen wirklich bekämpfen will, darf sich nicht auf die abschrecke­nde Wirkung des Strafrecht­s verlassen. Auch viele Täter lassen sich davon nicht abschrecke­n.

Und trotz der Abscheulic­hkeit ihrer Verbrechen verdienen auch die Täter unsere Beachtung. Warum handeln sie so? Gibt es Aussicht auf eine Änderung? Strafe muss sein, sie sollte aber auch Eingeständ­nis des Scheiterns aller Vorbeugung sein. Für den Staat, seine Bürgerinne­n und Bürger muss ein solcher Kampf gegen Kindesmiss­brauch eine Aufgabe ersten Ranges sein – damit unsere Kinder wirksam geschützt sind. BERICHT HÄRTERE STRAFEN FÜR MISSBRAUCH­STÄTER, TITELSEITE

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