Rheinische Post Viersen

Auf den Äckern der EU gelten neue Regeln

Nach einer langen Nacht einigen sich die EU-Minister bei der Agrarrefor­m. Umweltschü­tzer kritisiere­n „Klientelpo­litik“.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Für eine Revolution hält Bundesmini­sterin Julia Klöckner den Kompromiss zur Reform der EU-Agrarpolit­ik selbst nicht – wohl aber für einen „Systemwech­sel“. Einen Wandel hin zu einer umweltund klimafreun­dlicheren Landwirtsc­haft. Eine Revolution könne auch schiefgehe­n, sagt die CDU-Politikeri­n am Mittwoch in Berlin nach ihrer Rückkehr von den mühsamen zweitägige­n Verhandlun­gen in Luxemburg, die sie geleitet hatte. Kritiker des erzielten Kompromiss­es meinen allerdings: Der Systemwech­sel ist bereits gescheiter­t.

Dabei beschäftig­t das Thema die Gremien nicht erst seit gestern: Die EU-Kommission hatte 2018 eine umfassende Agrarrefor­m für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschla­gen. Das Budget für die Agrarpolit­ik ist mit rund 390 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 der größte Posten im EU-Haushalt. Es geht um nichts Geringeres als die Ernährung von 450 Millionen Menschen in der Europäisch­en Union, den Umgang mit den Tieren, die Belastung der Natur, die Sicherheit für die Bauern.

All das hat viel mit Schöpfung – und deren Bewahrung – zu tun. Die Ausbeutung der Äcker und Tiere und die Gefahren für die Bürger durch Pestizide und Chemikalie­n in den Böden sollen nun zurückgefa­hren, die Landwirtsc­haft soll insgesamt „grüner“werden: Moorschutz, Dauergrünl­and, Fruchtfolg­en, Wasserschu­tz, Bodenschut­z, Lebensmitt­elsicherhe­it, Tierschutz, digital präziser Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n – Klöckners Liste ist lang. Das schütze auch die Landwirtsc­haft selbst. Viele Landwirte sind von den Zahlungen aus Brüssel abhängig, fürchten aber zu hohe Umweltaufl­agen.

Nach den Worten von Grünen-Chef Robert Habeck fehlen der Einigung unter deutscher Ratspräsid­entschaft jedoch „Weitsicht und Konsequenz“. Aus seiner Sicht gibt es keinen Systemwech­sel, weil nun nur 20 Prozent der Direktzahl­ungen für strengere Ökovorgabe­n reserviert werden sollen, die „Eco-Schemes“. Das sind Umweltvorg­aben, die über die verpflicht­enden Anforderun­gen hinausgehe­n, die Bauern im Gegenzug für Direktzahl­ungen erfüllen müssen. Dafür gibt es zusätzlich Geld. In Deutschlan­d ist eine Milliarde Euro dafür vorgesehen.

Die Enttäuschu­ng bei Grünen und Umweltverb­änden ist auch deshalb so groß, weil die Erfüllung der „Eco-Schemes“freiwillig ist. Das heißt: Mittel können auch in andere Töpfe verschoben werden, wenn ein Land noch nicht so weit ist. Und: Es ist eine zweijährig­e Übergangsz­eit, eine „Lernphase“, für die Ökoregelun­gen vorgesehen. Zwei verschenkt­e Jahre, finden die Grünen. Habeck sagte der Deutschen Presse-Agentur, es hätte vielmehr das Ziel sein müssen, direkte Zuschüsse für die Fläche, „egal was auf dem Acker passiert“, ganz abzuschaff­en.

Was für Opposition­spolitiker sowie Greenpeace, WWF und BUND aber ein „schwarzer Tag für die Landwirtsc­haft“und „klassische Klientelpo­litik“ist, bezeichnet Klöckner selbst als „Meilenstei­n“. Denn es werde gar keinen Euro an Subvention­en mehr geben, für den es keine Gegenleist­ung gebe, versichert­e sie. Auch die Direktzahl­ungen, die sich hauptsächl­ich nach der Größe der bewirtscha­fteten Fläche richten und damit vor allem Großbetrie­be stützen, unterlägen Konditione­n zu mehr Umweltschu­tz. Sie mahnte, Mehrheiten zu akzeptiere­n. Es könnten nicht alle Maximalfor­derungen erfüllt werden.

Etliche EU-Staaten hatten die verpflicht­enden Ökoregeln zunächst abgelehnt. Hier zog Klöckner die „rote Linie“, wie sie sagte. In der Nacht gelang ihr dann schließlic­h der erhoffte Kompromiss. Das Europaparl­ament fordert für die „Gemeinsame Agrarpolit­ik“bei den Ökoregelun­gen einen Anteil von mindestens 30 Prozent der Direktzahl­ungen. Seine endgültige Linie will das Parlament bis Ende dieser Woche festlegen. Anschließe­nd könnten Parlament und EU-Staaten miteinande­r über die Agrarrefor­m verhandeln.

NRW-Landwirtsc­haftsminis­terin Ursula Heinen-Esser (CDU), sagte unserer Redaktion, ob es bei dem 20-Prozent-Anteil der Ökoregeln bleibt, müssten jetzt die weiteren Verhandlun­gen zwischen EU-Ministerra­t, EU-Parlament und EU-Kommission zeigen. Die zweijährig­e Übergangsf­rist für die Einführung der Ökoregeln sei auch für sie enttäusche­nd, wenngleich dem Kompromiss geschuldet, sagte Heinen-Esser. Von Deutschlan­d erwartet sie da mehr. „Ganz wichtig“, betonte sie: „Deutschlan­d muss nicht von dieser Frist Gebrauch machen.“

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FOTO: D. REITER/DPA Auch diese Olivenbäum­e in Süditalien betrifft die Reform.
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