Fabios Mutter weint im Gerichtssaal
Nach dem gewaltsamen Tod des fünfjährigen Kindes in einer kleinen Wohnung in Dahl hat am Mittwoch der Prozess begonnen. Der mutmaßliche Täter wurde in Handschellen in den Saal geführt. Auch die Mutter sitzt auf der Anklagebank.
MÖNCHENGLADBACH Normalerweise ist das Gerichtsgebäude an der Hohenzollernstraße am späteren Nachmittag ziemlich leer. Am Mittwoch aber staut es sich am Eingang vor den Einlasskontrollen. Viele wollen den Prozess verfolgen, der um 16 Uhr beginnt. Medienvertreter sind da. Freunde und Verwandte der beiden Angeklagten, die für den Tod des fünfjährigen Fabio verantwortlich sein sollen, versuchen einen Platz im Zuschauerraum zu bekommen. Weit mehr als die Hälfte muss draußen bleiben. Coronabedingt stehen nur wenige Plätze zur Verfügung.
Fabio wurde nur fünf Jahre alt, er starb am 21. April 2020 durch massive Gewalteinwirkung. Dafür steht ein 23-Jähriger vor dem Schwurgericht: Die Anklage lautet unter anderem auf Totschlag, gefährliche Körperverletzung sowie Misshandlung. Fabios Mutter ist mitangeklagt. Sie soll tatenlos mitangesehen haben, wenn ihr Freund den Jungen misshandelte, und sie soll ihren Sohn auch selbst gezüchtigt haben.
Fabios Mutter nimmt als Erste auf der Anklagebank Platz. Vor den Fotografen schützt sie sich mit einem grünen Schnellhefter. Sie weint. Beinahe ununterbrochen fließen die Tränen. Als der Richter sie nach ihren Personalien fragt, fasst sie sich aber, antwortet klar und deutlich, wie jemand, der aussagebereit ist. Die junge Frau wird im Gefängnis von einem Sozialarbeiter betreut. Er ist als Prozessbeobachter gekommen.
Ihr Lebenspartner wird in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Der Blickwechsel mit Fabios Mutter ist kurz. Zwischen den beiden sitzen zwei Wachmänner. Dem 23-Jährigen ist keine Regung anzusehen, als der Staatsanwalt die Anklageschrift verliest. Bereits seit Februar 2020 soll der Mann Fabio sowie dessen dreijährigen Halbbruder regelmäßig misshandelt haben. Mit Züchtigungen soll er „Respekt“von den Kindern eingefordert haben. Die Faustschläge des Angeklagten gegen Kopf und Oberkörper riefen bei den Kleinkindern multiple Hämatome
und Schwellungen hervor. Sie sollen laut Staatsanwalt potenziell lebensbedrohlich gewesen sein. Auch von einer tiefen, klaffenden Kinnverletzung bei einem Kind ist die Rede in der Anklageschrift.
Spätestens seit März soll die Mutter von den Misshandlungen durch ihren Freund gewusst, ihre Kinder aber nicht vor den Übergriffen beschützt haben, so Staatsanwalt Stefan Lingens. Bereits am Abend vor Fabios Tod, am 20. April, hatte der Mann dem Kind durch seine Schläge auf den Kopf eine Risswunde am Ohr zugefügt. Trotzdem habe die Mutter den Jungen in der Obhut des „gewaltbereiten Mannes“gelassen und die Wohnung verlassen, um Drogen für ihren Lebensgefährten
zu besorgen, mit dem sie seit November 2019 liiert war.
Gegen 18 Uhr soll der Angeklagte in Tötungsabsicht auf Kopf und Oberkörper von Fabio eingeschlagen haben. Das Kind habe durch die grobe, stumpfe Gewalteinwirkung schwere Verletzungen, unter anderem ein Schädelhirntrauma, eine offene Kinnverletzung sowie innere Verletzungen im Bauchraum erlitten. Es starb kurz darauf in der Wohnung. Das Paar hatte versucht, die multiplen Verletzungen des Jungen mit einem angeblichen Sturz zu erklären.
Der 23-Jährige ist zudem wegen einer versuchten Anstiftung zur Geiselnahme sowie unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmittel
angeklagt. Er soll in der Untersuchungshaft versucht haben, zwei Mitgefangene dazu zu überreden, mit einem Messer oder einer Spiegelscherbe eine Justizvollzugsbeamtin in ihre Gewalt zu bringen. So wollte er seine Freilassung erpressen. Die Mitgefangenen gingen zum Schein darauf ein. Einer verständigte aber Justizbeamte, die den Plan vereitelten. Ebenso muss sich der Angeklagte wegen mehrerer Drogendelikte verantworten: Er soll in 16 Fällen Marihuana gekauft haben.
Am Mittwoch wurde im Gerichtssaal nur die Anklage verlesen. Elf weitere Verhandlungstage werden folgen. Der jüngere Halbbruder des toten Fabio ist seit der Tat in der Obhut des Jugendamtes.