Perfekte Musik gegen die Corona-Nervosität
Die dänische Band Hvalfugl verbindet Jazz und Folklore zu atemberaubend schönen Klängen.
AARHUS Es ist nichts faul im Staate Dänemark. Es ist vielmehr alles schwer in Ordnung, es ist sogar wunderbar. Man versteht nur nicht, warum sich diese dänische Band so tief in den nordischen Wäldern versteckt. Ihre CDs sind nur auf Umwegen zu kaufen. Erklärende Booklets bieten sie nicht, einen Internetauftritt gibt es auch nicht. Eine Biografie ist nirgends zu finden. Ihre Fotos sind so mäßig, dass man sie mühsam bearbeiten muss. Wer aber eine ihrer drei Platten hört, verfällt einem tiefen Zauber. Und will sie sofort alle hören. Ein Geheimtipp!
Die Band kommt aus der dänischen Region Aarhus und heißt Hvalfugl, schon dieser Name ist ein Mysterium. Übersetzt aus dem Dänischen heißt das „Walvogel“, doch Walvögel gibt es in nordischen Breiten nicht, nur in der Antarktis. So weit sind die Jungs von Hvalfugl nicht herumgekommen, beileibe nicht; wenn sie nur in Flensburg waren, durften sie das fast als Weltreise
werten. Es gibt da Internetvideos, da spielen sie in einer einsamen Blockhütte. Eingemummelt in warme Pullover. Oder sie stehen draußen im Wald, mit Kleinklavier, Gitarre und Kontrabass. Nur die Tiere lauschen.
Jeppe Lavsen ist der Gitarrist, ein erlauchter Zauberer des sphärischen Sounds mit allenfalls diskreten Effekten. Anders Juel Bomholt spielt den Bass, als setze er Leuchtpunkte in die grüne Landschaft. Jonathan Fjord Bredholt am Klavier und anderen Tasteninstrumenten ist der Buddha des Betriebs, er reflektiert die Klänge der Kollegen, verteilt sie weiter, atmet ein und aus. Es gibt da ein Youtube-Interview, da begegnet man diesen drei Freunden, die so verschworen und familiär wirken, dass kein Blatt zwischen sie passt. Nur ein Notenblatt.
Ihre Quelle ist die skandinavische Folklore, die sie gelassen in einen entschleunigten Jazz überführen. Das Faszinierende dieser Musik ist aber, dass sie Melodien erfindet, herrliche, poetische Kurven, die man sogar mitsummen kann. Ja, die Musik summt selbst auch, und unwillkürlich denkt man an das dänische, längst auch bei uns geläufige Wort „Hygge“, das Wohlgefühl und Kuschelfaktor bedeutet.
Die soeben erschiene dritte CDs heißt „Øjeblikke Vi Husker“, zu Deutsch: „Momente, an die wir uns erinnern“. Zum Erinnern braucht man die ruhende Zeit, und tatsächlich ruht die Musik ebenso, wie es die Musiker tun. Sie breitet kleine musikalische Episoden vor unserem Ohr aus, sie ist aber nicht schemenhaft, sondern immer konkret, mit rhythmischem Fundament. Voranpreschenden Up-Tempo-Drive gibt es aber nur selten, eher versonnene Balladen, die Begegnungen und Impressionen aus dem Leben aufsaugen und in dicken großen Tropfen voller Glück auf uns fallen lassen. Die hinreißende Aufnahmetechnik fängt alles in Kelchen des Klangs auf.
Wer an dieser Rückkehr der Melodien teilhaben und die CDs kaufen oder herunterladen möchte – die Vorgängeralben heißen „Som En Faldskaerm“(Wie ein Fallschirm) und „By“(Stadt) –, sollte sich von der Eingangsbemerkung über die Kaufmöglichkeiten nicht schrecken lassen. Es gibt die Firma Bandcamp, eine Art selbstorganisierten Online-Vertrieb von Bands, die nicht über Zwischenhändler gehen, damit ihnen die spärlichen Tantiemen direkt zugutekommen. Vertrauen Sie mir: Sie werden auch in diesen nervösen Zeiten kein besserer, aber ein entspannterer Mensch, wenn Sie diese Musik gehört haben.
www.hvalfugl.bandcamp.com