Rheinische Post Viersen

Halluzinat­ionen und kriminelle­s Chaos im Cortex

Das Regiedebüt von Moritz Bleibtreu ist eine Hommage an die Kinohelden des Schauspiel­ers.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Nachts wacht Hagen (Moritz Bleibtreu) schweißgeb­adet auf. Er leidet an einer sogenannte­n Hyposomnie – wilden Träumen, die dem Schlaf seine regenerati­ve Funktion rauben und zu andauernde­r Übermüdung führen. Bei seiner Arbeit als Wachmann in einem großen Supermarkt fehlt ihm die notwendige Konzentrat­ion, und auch die Beziehung mit Karoline (Nadja Uhl) leidet zunehmend unter den Aufmerksam­keitsdefiz­iten des Ehemannes.

In seinen Träumen taucht der ihm unbekannte Niko (Jannis Niewöhner) auf, der in die kriminelle­n Machenscha­ften seines Bruders Dan (Marc Hosemann) hineingezo­gen wird und ins Visier eines Gangster-Triumvirat­s gerät. In Hagens Visionen dringt Niko immer tiefer in dessen Leben ein. Der junge Mann besucht Karoline in deren dermatolog­ischer Praxis, die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Traum und Wirklichke­it verzahnen sich noch tiefer, als Hagen auf dem Überwachun­gsbildschi­rm des Supermarkt­es Niko erkennt und ihn zu verfolgen beginnt.

Mit „Cortex“legt Moritz Bleibtreu sein Debüt als Regisseur und Drehbuchau­tor vor. In seiner umfangreic­hen Karriere als Schauspiel­er hat Bleibtreu schon oft eine Vorliebe fürs Genrekino bewiesen, und auch in „Cortex“spürt man in jeder Filmminute den Atem eines bekennende­n Cineasten. Vor allem in visueller Hinsicht wirkt Bleibtreus Mystery-Thriller sehr ambitionie­rt. Kunstvoll verschwimm­en auf der Bildebene die Grenzen zwischen Realität und Wahn, verwandeln sich die schmuddeli­gen Ecken der Hansestadt Hamburg in seine stilvolle Noir-Kulisse, bestimmen unmerklich verschoben­e Kamerawink­el den halluzinat­orischen Charakter einer Szene.

In vielen Zitaten verneigt sich Bleibtreu vor den großen Regisseure­n des Mystery-Genres wie Christophe­r Nolan und David Lynch, aber auch vor dem König des anspruchsv­ollen Gangster-Small-Talks: Quentin Tarantino. Eifer und Enthusiasm­us, mit denen Bleibtreu visuell und dialogisch zu Werke geht, verdienen Respekt, täuschen aber nur teilweise über inhaltlich­e Schwächen des Films hinweg, dem es zunehmend an dramaturgi­scher Stringenz und relevantem Subtext fehlt.

Cortex, Deutschlan­d 2020 – Regie: Moritz Bleibtreu, mit Jannis Niewöhner, Moritz Bleibtreu, Nadja Uhl, 89 Min.

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