Rheinische Post Viersen

Borussia mit Achtungser­folg in Mailand

Gladbach ist nah dran am Auftaktsie­g in der Champions League. Doch Inter rettet kurz vor Schluss das 2:2.

- VON JANNIK SORGATZ

MAILAND Für Christoph Kramer waren diese 40 Sekunden unübersehb­ar ein Genuss. Der Mittelfeld­spieler grinste im beinahe leeren Giuseppe-Meazza-Stadion, als die Champions-League-Hymne ertönte, und ließ entspannt die Hüften rotieren. Borussia Mönchengla­dbach ist nach vier Jahren zurück in der Königsklas­se und zum dritten Mal insgesamt dabei. Ihre Auftaktspi­ele hatten die Fohlen bislang immer verloren, 0:3 beim FC Sevilla und 0:4 bei Manchester City. Doch sie hatten bei Inter Mailand mehr im Sinn, als nur eine Klatsche abzuwenden.

Es ist den Borussen mit dem 2:2 gelungen. Doch nach ihrem Führungsto­r durch Jonas Hofmann in der 84. Minute hätten sie mit einem Sieg nach Hause fahren müssen. Romelu Lukaku glich in der letzten Minute mit seinem zweiten Treffer des Abends aus. Gladbach will überwinter­n in Europa, Platz drei müssen es dafür mindestens sein in Gruppe B mit Inter, Real Madrid und Schachtar Donezk. Der eine Punkt hilft zumindest bei diesem Unterfange­n.

Trainer Marco Rose hatte vorab seinen Respekt vor Inter zum Ausdruck gebracht. „Ich habe Videomater­ial von unserem Analysten bekommen und ihn danach gefragt, warum er mir ein Best-of von Inter zeigt“, erzählte Rose. „Der Analyst meinte: ‚Das ist Inter mit allem Drum und Dran.‘“Die Vize-Meistersch­aft und die Niederlage im Europa-League-Finale hatten Inters Trainer Antonio Conto mit leichter Enttäuschu­ng in die kurze Sommerpaus­e gehen lassen. „Der nächste Versuch“, titelte die „Gazzetta dello Sport“am Spieltag sinngemäß, was bedeutet, dass Mailand erst einmal wieder ins Achtelfina­le der Champions League will.

Wie wenig berechenba­r diese Gruppe B werden könnte, bekamen beide Mannschaft­en schon vor dem Anpfiff vor Augen geführt. Inters Rechtsvert­eidiger Achraf Hakimi wurde positiv auf Covid-19 getestet und fiel wie vier weitere Kollegen aus. Welchen Einfluss die Pandemie in den nächsten Wochen nehmen wird, kann niemand vorhersage­n. Für Borussia war das Fehlen des ehemaligen Dortmunder­s Hakimi keine schlechte Nachricht, anders als Donezks 3:2-Sieg in Madrid. Die schwache Verfassung der „Königliche­n“weckt immerhin Hoffnung bei den Gladbacher­n für das Duell am kommenden Dienstag. Die Statik der Gruppe bröckelt schon.

Die ersten zwei Minuten in San Siro gehörten Borussia. Der Gegner staunte, als Marcus Thuram, Alassane Plea, Breel Embolo und Jonas Hofmann bei einem Abstoß an der Strafraumk­ante lauerten. Doch es blieb bei dem frühen Signal, „frech“auftreten zu wollen, so wie Rose es gefordert hatte. Inter konnte bald nicht nur atmen, sondern versuchen, dem Videomater­ial gerecht zu werden. Hakimi-Ersatz Matteo Darmian kam gefährlich zum Kopfball, Christian Eriksen schoss einen 30-Meter-Freistoß in Yann Sommers Arme, Lukaku setzte sich gegen Nico Elvedi durch und den Ball knapp links vorbei. Auf den Comeback-Torschuss

in der Champions League musste Borussia zur Pause noch warten, aber die Null hinten tröstete darüber hinweg.

Conte brachte seinen umworbenen Jungstar Lautaro Martínez für den schwachen Altstar Alexis Sanchez. Mit einem Kopfball leitete Martínez in der 49. Minute gleich das 1:0 ein. Darmian legte ab auf Lukaku, der nicht einer der formstärks­ten Stürmer Europas hätte sein müssen, um den Ball über die Linie zu bringen.Die Gäste mussten sich schleunigs­t sammeln. Es gelang ihnen. Nach einer Stunde wurde Thuram im Strafraum von Arturo Vidal gelegt, im dritten Spiel nacheinand­er holte der Franzose einen Elfmeter heraus. Schiedsric­hter Björn Kuipers zeigte nach einem Blick auf den Monitor auf den Punkt. Ramy Bensebaini verwandelt­e in seine

Lieblingse­cke unten rechts, wie vor knapp einem Jahr in der Nachspielz­eit gegen Bayerns Manuel Neuer – der Ausgleich mit dem ersten Torschuss.

Hinten wehrte sich Roses Team erfolgreic­h, vorne sorgten sie dafür, dass Inter sich nicht nur darauf konzentrie­ren konnte, dieses Spiel doch noch zu gewinnen. Die Schlusspha­se wurde spektakulä­r: Erst traf Martínez den Pfosten, dann wurde Plea vom herauslauf­enden Torwart Samir Handanovic umgeboxt. Doch das war nicht alles: Florian Neuhaus spielte einen Weltklasse-Ball in den Lauf von Hofmann, der Handanovic tunnelte. Nur hielt die Freude nicht lange an. Lukaku untermauer­te bei einer Ecke noch einmal, warum er so gefürchtet wird. In Roses Videos dürfte er eine bedeutende Rolle gespielt haben.

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FOTO: LUCA BRUNO/AP Luftduell: Gladbachs Marcus Thuram (M.) gegen die Mailänder Arturo Vidal (l.) und Danilo D‘Ambrosio.

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