Rheinische Post Viersen

Borussias Mut nur in der Defensive

Bei Inter präsentier­te sich Gladbach hinten stark, im Angriff war das Bild lange Zeit eher unerfreuli­ch.

- VON SEBASTIAN HOCHRAINER FOTO: LUCA BRUNO/AP

Marco Rose hatte eine klare Vorstellun­g vom Auftritt seiner Mannschaft bei Inter Mailand. „Mutig“und „frech“waren die Attribute, die er von seinen Spielern sehen wollte. Dass das Ausmaß dessen gegen einen Top-Gegner wie Inter Mailand nicht so ausfallen könnte wie gegen die vorangegan­genen Kontrahent­en Union Berlin, 1. FC Köln und VfL Wolfsburg wird auch ihm im Vorfeld klar gewesen sein. Aber gerade im Offensivsp­iel – bei dem man Mut und freches Auftreten am ehesten erwarten würde – war selten etwas von dieser Forderung zu sehen.

Das lag gar nicht so sehr daran, dass Inter eine für italienisc­he Mannschaft­en typische, fast unüberwind­bare Defensive hat. In den vier Serie-A-Spielen hatten sie acht Tore kassiert, dazu fehlten wichtige Leute in der Mailänder Abwehr. Es lag an Borussia. Wenn der Ball in der ersten Halbzeit mal in den vordersten Reihen war, war er auch ganz schnell wieder weg. Alassane Plea spielte zu viele Fehlpässe, Marcus Thuram ließ sich zu leicht wegdrängen und Breel Embolo war zu ungestüm. So konnte sich gar kein mutiges Offensivsp­iel entwickeln.

Dabei wurde bei Borussias Treffern – und ja, es waren mit die einzigen Torchancen – sichtbar, dass „mutig“und „frech“die Erfolgsbri­nger gegen Inter sind. Erst ging Thuram mal entschloss­en ins Duell gegen Arturo Vidal und wurde gefoult. Zum dritten Mal in Folge holte er auf diese Art und Weise einen Elfmeter raus. Und dann gab es den Geniestrei­ch von Florian Neuhaus und den frechen Tunnel von Jonas Hofmann beim Treffer zum 2:1.

Wieder reichte eine Führung jedoch nicht zum Sieg für die Borussen, weil Romelu Lukaku wenig später sein zweites Tor des Abends machte. Gerade an diesem ersten Champions-League-Abend ist der Defensive der Gladbacher aber kaum ein Vorwurf zu machen. Dort wurde der von Rose geforderte Mut vorgelebt. Nico Elvedi stemmte sich mit allem, was er hat gegen Lukaku und konnte den enorm bulligen Stürmer Paroli bieten. Einzig beim Ausgleich war er unkonzentr­iert.

Ramy Bensebaini zeigte bei seiner Königsklas­sen-Premiere, dass er auf höchstem Niveau standhalte­n kann. Er war im Defensivzw­eikampf nicht zu überwinden – und vorne verwandelt­e er zum dritten Mal in Borussia-Trikot sicher einen Elfmeter. Und zum zweiten Mal in einer enormen Drucksitua­tion, an seinen ersten Strafstoß gegen die Bayern werden sich alle Borussen sicher noch

erinnern. Da war es auch der Flachschus­s ins untere rechte Eck aus seiner Sicht.

Der gesamte Defensivve­rbund zeigte auch das Mut-Attribut auf spielerisc­he Weise. Gegen die starke und druckvolle Offensive der „Nerazzurri“kombiniert­en sich die Gladbacher nach vorne, gerade Stefan Lainer hatte in der Anfangspha­se einen enormen Drang in die gegnerisch­e Hälfte, sollte sich dann aber mehr in die Defensive orientiere­n.

Insgesamt war es ein Abend, der Borussia zufrieden zurücklass­en darf. Natürlich wird der Ärger zunächst noch groß sein, dass es kein Sieg wurde trotz einer Führung, doch die Schlüsse aus dem Inter-Spiel sind wichtig. Die Defensive hat ein Statement abgegeben, dass sie gegen jeden Angriff bestehen kann. Und Borussias Offensive hat gesehen, dass sie es kann, sich aber konzentrie­ren und trauen muss. Mit den Lehren ist in der Champions League viel möglich.

Nico Elvedi machte es in den direkten Duellen gegen Lukaku richtig gut und setzte sich nicht nur mit Geschick oft durch, sondern auch mit Härte. Ganz ausschalte­n konnte er den Weltklasse-Stürmer aber nicht, zum Beispiel beim 2:2 sah er nicht so gut aus. Note 3+ Ramy Bensebaini setzte immer wieder Zeichen im Zweikampf und war in der Defensive enorm stabil. Nach vorne machte der Algerier diesmal nicht so viel und hatte einige Fehler drin, beim Elfmeter blieb er wieder eiskalt. Note 2Christoph Kramer stopfte mit großem Laufaufwan­d viele Löcher im Mittelfeld, ließ Eriksen aber einige Male etwas zu viel Raum. Note 4+ Florian Neuhaus lernte schnell aus einem verlorenen Zweikampf gegen Vidal, nach dem er deutlich robuster agierte und so auch gut ins Spiel kam. In der zweiten Halbzeit kam weniger von ihm, sein Assist zur Führung war aber genial. Note 3+ Jonas Hofmann beschäftig­te die gegnerisch­e Defensive immer wieder, das aber meistens in eher ungefährli­chen Räumen. Beim 2:1 zeigte er den perfekten Laufweg und behielt die Ruhe vor dem Tor. Note 3 Breel Embolo schmiss sich in jeden Zweikampf und war enorm fleißig. Selbst hatte er am Ball aber kaum gute Aktionen und hatte einige unnötige Ballverlus­te. Note 4Marcus Thuram hatte gegen das robuste Spiel der Italiener große Probleme und ließ sich zu einfach abkochen. Einige Male konnte er sich im Eins-gegen-eins durchsetze­n, so holte er auch im dritten Spiel in Folge einen Elfmeter heraus. Barella blockte seinen Kopfball in der Schlusphas­e. Note 3Alassane

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Nico Elvedi hatte gegen Romelu Lukaku unheimlich viel Arbeit zu verrichten, stand in den direkten Duellen aber meist seinen Mann – trotz der beiden Tore des Beligers.

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