Borussias Mut nur in der Defensive
Bei Inter präsentierte sich Gladbach hinten stark, im Angriff war das Bild lange Zeit eher unerfreulich.
Marco Rose hatte eine klare Vorstellung vom Auftritt seiner Mannschaft bei Inter Mailand. „Mutig“und „frech“waren die Attribute, die er von seinen Spielern sehen wollte. Dass das Ausmaß dessen gegen einen Top-Gegner wie Inter Mailand nicht so ausfallen könnte wie gegen die vorangegangenen Kontrahenten Union Berlin, 1. FC Köln und VfL Wolfsburg wird auch ihm im Vorfeld klar gewesen sein. Aber gerade im Offensivspiel – bei dem man Mut und freches Auftreten am ehesten erwarten würde – war selten etwas von dieser Forderung zu sehen.
Das lag gar nicht so sehr daran, dass Inter eine für italienische Mannschaften typische, fast unüberwindbare Defensive hat. In den vier Serie-A-Spielen hatten sie acht Tore kassiert, dazu fehlten wichtige Leute in der Mailänder Abwehr. Es lag an Borussia. Wenn der Ball in der ersten Halbzeit mal in den vordersten Reihen war, war er auch ganz schnell wieder weg. Alassane Plea spielte zu viele Fehlpässe, Marcus Thuram ließ sich zu leicht wegdrängen und Breel Embolo war zu ungestüm. So konnte sich gar kein mutiges Offensivspiel entwickeln.
Dabei wurde bei Borussias Treffern – und ja, es waren mit die einzigen Torchancen – sichtbar, dass „mutig“und „frech“die Erfolgsbringer gegen Inter sind. Erst ging Thuram mal entschlossen ins Duell gegen Arturo Vidal und wurde gefoult. Zum dritten Mal in Folge holte er auf diese Art und Weise einen Elfmeter raus. Und dann gab es den Geniestreich von Florian Neuhaus und den frechen Tunnel von Jonas Hofmann beim Treffer zum 2:1.
Wieder reichte eine Führung jedoch nicht zum Sieg für die Borussen, weil Romelu Lukaku wenig später sein zweites Tor des Abends machte. Gerade an diesem ersten Champions-League-Abend ist der Defensive der Gladbacher aber kaum ein Vorwurf zu machen. Dort wurde der von Rose geforderte Mut vorgelebt. Nico Elvedi stemmte sich mit allem, was er hat gegen Lukaku und konnte den enorm bulligen Stürmer Paroli bieten. Einzig beim Ausgleich war er unkonzentriert.
Ramy Bensebaini zeigte bei seiner Königsklassen-Premiere, dass er auf höchstem Niveau standhalten kann. Er war im Defensivzweikampf nicht zu überwinden – und vorne verwandelte er zum dritten Mal in Borussia-Trikot sicher einen Elfmeter. Und zum zweiten Mal in einer enormen Drucksituation, an seinen ersten Strafstoß gegen die Bayern werden sich alle Borussen sicher noch
erinnern. Da war es auch der Flachschuss ins untere rechte Eck aus seiner Sicht.
Der gesamte Defensivverbund zeigte auch das Mut-Attribut auf spielerische Weise. Gegen die starke und druckvolle Offensive der „Nerazzurri“kombinierten sich die Gladbacher nach vorne, gerade Stefan Lainer hatte in der Anfangsphase einen enormen Drang in die gegnerische Hälfte, sollte sich dann aber mehr in die Defensive orientieren.
Insgesamt war es ein Abend, der Borussia zufrieden zurücklassen darf. Natürlich wird der Ärger zunächst noch groß sein, dass es kein Sieg wurde trotz einer Führung, doch die Schlüsse aus dem Inter-Spiel sind wichtig. Die Defensive hat ein Statement abgegeben, dass sie gegen jeden Angriff bestehen kann. Und Borussias Offensive hat gesehen, dass sie es kann, sich aber konzentrieren und trauen muss. Mit den Lehren ist in der Champions League viel möglich.
Nico Elvedi machte es in den direkten Duellen gegen Lukaku richtig gut und setzte sich nicht nur mit Geschick oft durch, sondern auch mit Härte. Ganz ausschalten konnte er den Weltklasse-Stürmer aber nicht, zum Beispiel beim 2:2 sah er nicht so gut aus. Note 3+ Ramy Bensebaini setzte immer wieder Zeichen im Zweikampf und war in der Defensive enorm stabil. Nach vorne machte der Algerier diesmal nicht so viel und hatte einige Fehler drin, beim Elfmeter blieb er wieder eiskalt. Note 2Christoph Kramer stopfte mit großem Laufaufwand viele Löcher im Mittelfeld, ließ Eriksen aber einige Male etwas zu viel Raum. Note 4+ Florian Neuhaus lernte schnell aus einem verlorenen Zweikampf gegen Vidal, nach dem er deutlich robuster agierte und so auch gut ins Spiel kam. In der zweiten Halbzeit kam weniger von ihm, sein Assist zur Führung war aber genial. Note 3+ Jonas Hofmann beschäftigte die gegnerische Defensive immer wieder, das aber meistens in eher ungefährlichen Räumen. Beim 2:1 zeigte er den perfekten Laufweg und behielt die Ruhe vor dem Tor. Note 3 Breel Embolo schmiss sich in jeden Zweikampf und war enorm fleißig. Selbst hatte er am Ball aber kaum gute Aktionen und hatte einige unnötige Ballverluste. Note 4Marcus Thuram hatte gegen das robuste Spiel der Italiener große Probleme und ließ sich zu einfach abkochen. Einige Male konnte er sich im Eins-gegen-eins durchsetzen, so holte er auch im dritten Spiel in Folge einen Elfmeter heraus. Barella blockte seinen Kopfball in der Schlusphase. Note 3Alassane