Rheinische Post Viersen

Ethikrat berät über Sterbehilf­e

Das Verfassung­sgericht hatte eine Neuregelun­g des assistiert­en Suizids verlangt.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wann darf, soll oder muss ein Mensch einem anderen bei der Selbsttötu­ng helfen? Der Deutsche Ethikrat hat dazu am Donnerstag seine Beratungen begonnen. Sie sind gewöhnlich intern, finden bei diesem Thema aber in aller Öffentlich­keit statt, mit der Möglichkei­t für jeden, Nachfragen zu stellen.

Gesundheit­sminister Jens Spahn hatte den Ethikrat gebeten, das Thema zu durchdenke­n, bevor der Gesetzgebe­r eine Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts umsetzt und das Verbot geschäftsm­äßigen assistiert­en Suizids durch eine neue Regelung ersetzt. Sie soll die verfassung­sgerichtli­che Vorgabe erfüllen, wonach es zur Würde und zur Entscheidu­ngsfreihei­t

jedes Menschen gehört, sein Leben selbstbest­immt beenden zu können. Deshalb hatte das Verfassung­sgericht das Verbot von Sterbehilf­evereinen gekippt.

Der Gerontolog­e Andreas Kruse aus Heidelberg wies darauf hin, dass bei vielen Selbsttötu­ngen psychische Störungen oder Erkrankung­en zu verzeichne­n seien. In beträchtli­chem Umfang hingen die Suizide auch mit Arbeitslos­igkeit, materielle­r Not und Isolation zusammen. Die Sorge, anderen Menschen zur Last zu fallen, und die Erfahrung, nicht mehr gebraucht zu werden, seien weitere Motive. Der katholisch­e Moraltheol­oge Franz-Josef Bormann aus Tübingen folgerte daraus die Notwendigk­eit, „Erlebnisrä­ume“zu schaffen, in denen

Menschen mit Suizidabsi­cht wieder Lust am Leben finden könnten.

Für die Kölner Strafrecht­lerin Frauke Rostalski steckt bei den Versuchen, das Recht an die Vorgaben des Verfassung­sgerichts anzupassen, der Teufel im Detail. Sie sprach sich gegen starre Altersgren­zen für die Entscheidu­ngsfreihei­t aus und unterstric­h, auch Menschen mit Demenz hätten „lichte Momente“, in denen sie die Tragweite ihres Beschlusse­s überblicke­n könnten. Auch Suizid aus Liebeskumm­er könne nicht pauschal als unfreie Entscheidu­ng gesehen werden. „Zu einem freien Leben gehört ein freies Sterben“, unterstric­h Rostalski. Das schließe den Willen ein, durch die Hand eines anderen zu sterben.

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