Jedes Leben ist ein Schatz
Der Grat ist schmal zwischen erlaubt und verboten, wenn es um assistierten Suizid geht. Diesen Grat möglicher Beihilfe zum selbst gewählten Sterben zu verbreitern, ist das Verfassungsgericht angetreten. Denn zur freien Entscheidung jedes Menschen gehöre es auch, sein Leben zu beenden. Freilich droht bei diesem neuen Grat die Absturzgefahr dramatisch zu wachsen.
Da ist auf der einen Seite das oft bemühte Bild von dem unter höllischen Schmerzen leidenden, unheilbar Kranken. Von seinem Recht, dieses Leben selbstbestimmt zu beenden, ist es nicht weit bis zu der Konsequenz, sich dazu professionelle Hilfe zu sichern. Die Schweiz ist zum Dorado dieser Sterbehilfe geworden. Doch wer auf die Praxis blickt, bekommt auch andere, beklemmende Bilder geschildert. Wie das des Mediziners, der sich bei der amtlichen Todesfeststellung fragt, ob er angesichts der wie die Geier um den Vater versammelten Erben die ordnungsgemäß vorgelegten Papiere abhaken oder die Mordkommission einschalten soll.
Wie wäre es um einen Staat bestellt, der die Augen davor verschlösse, dass viele zum Sterben entschlossene Menschen sicherlich lieber leben wollten, wenn ihnen aus einer scheinbar ausweglosen Situation geholfen würde? Wie um eine Gesellschaft, für die es bequemer wäre, die Todespille auf den Tisch zu legen, statt sich um neuen Lebensmut zu mühen?
Ja, zur Entscheidungsfreiheit gehört in der Konsequenz auch das Recht auf Sterben. Aber in der praktischen Ausformung gehört es auf die Waagschale. Jedes Leben ist ein Schatz, der schwer wiegt. Es müssen noch schwerer wiegende andere Gründe hinzukommen, um den Ausschlag zu geben. Deshalb dürfen es sich Staat und Gesellschaft bei den Rahmenbedingungen nicht zu leicht machen.
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