Krankheit und Politik sind nicht zu trennen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich mit dem Coronavirus infiziert, wie Zehntausende andere allein in dieser Woche. Die Häme, die dem Minister in sozialen Netzwerken entgegenschlägt, ist unwürdig – darüber braucht man keine Worte zu verlieren. Die Frage, die sich mit seiner Krankheit verbindet, ist eine politische: Wird Spahn mit seinen Maßnahmen nun unglaubwürdig? Die Antwort: Nein. Im Gegenteil, Krankheit in der Politik kann eine Chance sein. Sie zeigt, dass Politiker keinesfalls über den Dingen stehen. Macht schützt weder vor einem Virus noch vor einer Krebserkrankung.
Wichtig ist, gerade in Zeiten einer Pandemie, dass eine Erkrankung nicht versteckt wird. Vielmehr gilt: früh informieren, offensiv damit umgehen, zeigen, dass auch Politiker Menschen sind und angreifbar. Die vermeintliche Schwächung kann eine Stärke sein. Aber es gehört eine große Portion Mut und Selbstbewusstsein dazu, die Öffentlichkeit an den teils intimen Details teilhaben zu lassen. Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig, lebte es mit ihrer Brustkrebserkrankung vor. Sie machte ihre Krankheit früh öffentlich, sprach darüber, zeigte sich mit kurzen Haaren. Sie machte Frauen Mut.
Spahn muss, wenn er die Erkrankung überstanden hat, noch eindringlicher warnen, Erfahrungen teilen, Mut machen. Und die Menschen darauf einstellen, dass nichts und niemand wirklich geschützt ist – und es trotzdem gilt, Abstand zu wahren, Masken zu tragen, bei Symptomen sofort zu Hause zu bleiben.
Die gesamte Politik wird im Übrigen noch ehrlicher zu den Menschen sein müssen. Corona wird, Impfstoff hin oder her, nicht morgen beendet sein, sondern weit in das nächste Jahr hineinreichen. Krankheit und Politik gehören in diesen Zeiten zusammen – so traurig es ist.
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