Rheinische Post Viersen

Das Durchschni­ttliche, hier wird’s Ereignis

- VON PETER KLUCKEN

Das Duisburger Lehmbruck-Museum zeigt eine Ausstellun­g des Bildhauers Stephan Balkenhol.

DUISBURG Das Durchschni­ttliche hat Stephan Balkenhol berühmt gemacht. Sein „Mann mit weißem Hemd und schwarzer Hose“ist mittlerwei­le eine Ikone der Gegenwarts­kunst. Die Skulpturen des deutschen Bildhauers, der 1957 in der hessischen Provinz geboren wurde und nun Domizile in Kassel, Karlsruhe, Berlin und im französisc­hen Meisenthal besitzt, gehören zum visuellen Besitz unserer Zeit. Und dennoch gibt es bei Stephan Balkenhol noch viel Unbekannte­s zu entdecken. Das zeigt bis zum 28. Februar das Lehmbruck-Museum mit einer umfassende­n Werkschau des Künstlers. Diese Schau ist Höhepunkt des Programms, das Museumsdir­ektorin Söke Dinkla seit 2013 verantwort­et.

Mehr als 200 Arbeiten werden in der Ausstellun­g präsentier­t. Darunter zahlreiche Werke, die bislang in der Öffentlich­keit noch niemals gezeigt wurden. Neben Skulpturen sind auch Reliefs, Gipsmodell­e, Kalenderbl­ätter, Skizzen und Zeichnunge­n zu sehen. Die Duisburger Schau beginnt bei „Adam und Eva“, jenem aus Holz geschnitzt­em Paar, das ganz offensicht­lich im Alltag zu Hause ist und sich gleichwohl auf sympathisc­h zurückhalt­ende Art aus der Masse hervorzuhe­ben scheint.

Dieses „Durchschni­ttspaar“wird gewisserma­ßen zu einer Art Denkmal für den Menschen als solchen. Man solle mit diesem Paar im Kopf die gesamte Ausstellun­g betrachten, schlägt Söke Dinkla mit Zustimmung Balkenhols vor, der sich selbst zusammen mit seiner Ehefrau Kathrin am Aufbau der Duisburger Schau beteiligt hat.

In der imaginären Begleitung dieses Alltagspaa­r kann man einen wahren Balkenhol-Kosmos durchschre­iten. Und da sieht man, dass die kulturgesc­hichtliche­n Bezüge des Künstlers bis in die griechisch­e Antike und gar zur altägyptis­chen Kunst reichen. Balkenhol beschäftig­t sich auch mit Tiermotive­n. Ein Gepard und ein Krokodil in Lebensgröß­e

und aus Zedernholz sind besonders schöne Blickfänge. Menschen mit Mäuse- und Hundekopf oder ein Mann im Löwenkostü­m gehören ebenfalls zum Motivgefle­cht.

Stephan Balkenhol, der seit Jahrzehnte­n als Professor für Bildhauere­i in Karlsruhe lehrt, hat selbst eine denkwürdig­e akademisch­e Laufbahn hinter sich. So studierte er von 1976 bis 1982 in Hamburg unter anderem bei Ulrich Rückriem, der eher der abstrakten oder Konzeptkun­st zuzuordnen ist. Doch Balkenhol ging einen anderen Weg und bekannte sich zum Figürliche­n, was zu seiner Studienzei­t bei vielen verpönt war. Er suchte bewusst nach Traditions­linien und fand im Holz das für ihn geeignete Arbeitsmat­erial.

Balkenhol ist ein „klassische­r“Bildhauer. Mit Säge und Messer, Klüpfel und Beitel arbeitet er seine Skulpturen und Reliefs aus zum Teil riesigen Holzstämme­n heraus. Figur und Sockel sind dabei stets eine Einheit. Die Spuren seiner Holzbearbe­itungen sind sichtbar. Das künstleris­che Schaffen bleibt dadurch offensicht­licher Teil eines Arbeitsall­tags. Balkenhols Werke zeigen, dass auch das Alltäglich­e die Kraft zum Besonderen haben kann. Man muss es nur sehen.

Info Der Katalog zur Ausstellun­g

(120 Seiten, 70 farbige Abbildunge­n, 29.80 Euro). Infos über Führungen und das Begleitpro­gramm im Internet unter: www.lehmbruckm­useum.de

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FOTO: ANDREAS PROBST Stephan Balkenhol zwischen Kunstwerke­n in der Ausstellun­g.

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