Corona-Appelle an niederländische Gäste
Die Niederlande sind Corona-Risikogebiet. Auch im Kreis Viersen steigen die Infektionszahlen. Sollten nicht auch niederländische Besucher vor einem Aufenthalt gewarnt werden? Was die Kommunen planen.
KREIS VIERSEN Gerade vor Feiertagen und Sonntagen haben Bürgermeister von niederländischen Städten wie Venlo und Roermond an die Deutschen in den Grenzstädten appelliert, von einem Kurztripp Abstand zu nehmen. Doch für die Niederländer sind umgekehrt die nahen Städte und Gemeinden wie Nettetal, Brüggen oder Niederkrüchten beliebte Ziele. Wer etwa das Gewerbegebiet in Niederküchten-Dam mit Discountern und Drogeriemärkten besucht, sieht auf den Parkplätzen viele Autos mit dem gelben Kennzeichen der Niederlande. Auch in Nettetal-Kaldenkirchen gibt es auf den Parkplätzen der Discounter an der Poststraße viele Wagen aus den Niederlanden, die Fußgängerzone ist für niederländische Touristen ein beliebtes Ziel. Ebenso wie es die Burggemeinde Brüggen mit ihren verkaufsoffenen Sonntagen ist. Bei steigenden Infektionszahlen auch im Kreis Viersen stellt sich die Frage: Sollten nicht auch die niederländischen Gäste vor einem Besuch im Kreis Viersen gewarnt werden?
Das Thema ist bei den Verwaltungschef im Kreis Viersen bereits auf der Tagesordnung: Anfang der Woche hat es ein Treffen aller Bürgermeister gegeben, das sich genau mit der steigenden Zahl von Corona-Infektionen im Kreis Viersen beschäftigte. „Dabei ging es auch um die niederländischen Touristen“, sagt Brüggens Bürgermeister Frank Gellen (CDU).
Aus dem Nettetaler Rathaus kommt ein Appell an die Nachbarn jenseits der Grenze, auf nicht dringende Besuche zu verzichten. Nettetals amtierender Bürgermeister Christian Wagner (CDU) sowie der neu gewählte Bürgermeister Christian Küsters (Grüne) bitten deshalb unisono um gegenseitige Rücksichtnahme beim Überschreiten der Grenze. Dringend eingehalten und beachtet werden sollen die jeweils geltenden Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen.
Zur Überprüfung der Einhaltung der geltenden Vorschriften werde der Außendienst des Ordnungsamtes der Stadt vermehrt in Kaldenkirchen kontrollieren.
Frank Gellen sieht Brüggen, aber auch die Nachbargemeinde Niederkrüchten, „weit weniger betroffen“als Nettetal: „Bei uns ist der Zustrom an niederländischen Besuchern bei weitem nicht so groß“, erklärte Gellen. Zudem seien auch die Zentren nicht so groß. Allerdings setzt Gellen auf Wachsamkeit und angepasstes Handeln: „Natürlich beobachten wir den Trend und versuchen, darauf so zu reagieren, dass es angemessen ist.“Thomas Prell-Holthausen, der Vorsitzede des Brüggener Werberings, hält eine Besucherwarnung für „wenig zuträglich“: „Niederländische Kunden sind bei uns herzlich willkommen.“Zurzeit würden viele Radler nach Brüggen kommen, viele Gäste würden die Außengastronomie besuchen.
Außergewöhnlichen Handlungsbedarf halten die Behörden für geboten,
wenn der Inzidenz-Wert über 50 liegt. Der Wert der Sieben-Tage-Inzidenz gibt an, wie viele Menschen (bezogen auf 100.000 Einwohner) innerhalb von sieben Tagen neu infiziert sind. Am Mittwoch lag die Sieben-Tages-Inzidenz im Kreis Viersen bei 36, damit gilt ab Freitag Gefährdungsstufe 1 der Corona-Schutzverordnung.
In der Burggemeinde will man bereits jetzt reagieren und, so Frank Gellen, „an das Verständnis der Menschen appellieren, die Regeln
wie Abstände und Maskenpflicht einzuhalten“. Dabei setzt Brüggens Bürgermeister auf die verstärkte Präsenz des Ordnungsamtes. Ursprünglich stehen dort für den Außendienst lediglich zwei Mitarbeiter zur Verfügung. „Deren Zahl soll durch Mitarbeiter aus anderen Bereichen der Verwaltung erhöht werden“, kündigt Gellen an. Dies könne bedeuten, dass andere Dienstleistungen eingeschränkt werden. Darüber wolle die Verwaltung noch entscheiden. Niederkrüchtens Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos) hält eine Warnung vor Besuchen für „wenig sinnvoll“: Stattdessen sollte „das Thema ,Grenzverkehr in Corona-Zeiten’ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und bewertet werden“. Die Landesregierung lege ja besonderen Wert darauf, die Grenzen für den „kleinen Grenzverkehr“offen zu halten. Er unterstützt dies: „Ich habe keine Sorge, dass unsere Ortskerne ,überlaufen’, da wir schlichtweg keine Fußgängerzonen haben.“
Niederländische Besucher suchen überwiegend die Geschäfte im Gewerbegebiet Dam auf, die besonderen Wert darauf legen und mittlerweile einige Erfahrung haben, deutsche Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. „Solange die Grenze offen ist, wird es den Grenzverkehr geben“, meint Wassong.
Auch beim Kreis Viersen will man keine allgemeine Warnung aussprechen, wie Kreisdirektor Ingo Schabrich erklärt: „In der Grenzregion ist der Kontakt zu Niederländern ebenso alltäglich wie der zu Gästen aus angrenzenden deutschen Städten – die ja ebenfalls Risikogebiete sein können.“Der Austausch der Berufspendler sei sogar wichtig für die Region, wenn man beispielsweise an das Gesundheitssystem mit den zahlreichen niederländischen Therapeuten denke. „Für alle – Deutsche wie Niederländer – gilt generell der Hinweis, eigenverantwortlich abzuschätzen, ob ein Besuch einer anderen Kommune vertretbar ist“, sagt Schabrich.