Rheinische Post Viersen

Die zweite Chance für Wohnungslo­se

Der Rheinische Verein für katholisch­e Arbeiterko­lonien hat die ehemals städtische Obdachlose­nunterkunf­t an der Bahnhofstr­aße übernommen und umgebaut. Auf eine offizielle Eröffnung wird wegen der Coronakris­e verzichtet.

- VON HERIBERT BRINKMANN

KALDENKIRC­HEN „Unmögliche­s möglich machen“steht auf einem Zettel, der auf einem Spind in der Kreativwer­kstatt klebt. Dort können die Bewohner unter Anleitung von Ergo- und Kunstthera­peutin Mareike van Elsbergen malen oder mit Holz arbeiten. Durch Arbeit soll den Menschen in besonders schwierige­n Lebenssitu­ationen eine Tagesstruk­tur gegeben werden.

Am 1. Januar hat der Rheinische Verein für katholisch­e Arbeiterko­lonien die städtische Obdachlose­nunterkunf­t und die Notschlafs­telle an der Bahnhofstr­aße 9 in Kaldenkirc­hen von der Stadt und den Steyler Missionare­n übernommen. Seitdem ist viel passiert. Die Notschlafs­telle mit einem separaten Eingang ist saniert worden. Sie wird für die Stadt weiterhin betrieben.

Für den Rheinische­n Verein ist aber das stationäre Wohnangebo­t für Menschen in schwierige­n Lebenssitu­ationen wichtiger. Dort sind 30 Plätze, von denen 24 bereits belegt sind. Und es gibt bereits eine Warteliste. Zehn Mitarbeite­r sind in Kaldenkirc­hen vor Ort tätig. Sie kümmern sich um Menschen, die bereits lange arbeitslos sind, überschuld­et, oftmals auch Alkoholode­r Drogenprob­leme haben. Es sind Menschen, die das normale Leben nicht gepackt kriegen. Ihnen will der Verein wieder eine Bleibe und eine Tagesstruk­tur geben und sie so langsam an das normale Leben heranführe­n. Die Kosten übernimmt der Landschaft­sverband Rheinland (LVR). Der Rheinische Verein sucht weiteren Wohnraum in Kaldenkirc­hen, wobei die Unterbring­ung osteuropäi­scher Leiharbeit­er den Markt leergefegt hat.

Michael Hölter lebt bereits seit vier Jahren an der Bahnhofsst­raße. In seinem neuen Zimmer hat er es sich gemütlich eingericht­et. Auf dem Couchtisch ist ordentlich eine Tischdecke ausgebreit­et. Bald kommt eine Küchenzeil­e ins Zimmer. Hölter gehört also zu den Fortgeschr­ittenen, die sich bald wieder

selber unabhängig versorgen können. Auch Volker Mengen hat bereits Platz für die Küchenzeil­e freigeräum­t. Eine Bewohnerin, die nicht genannt werden möchte, erzählt, dass sie jetzt ein schöneres Zimmer und sich vieles zum Besseren gewendet habe. Eine halbe Million Euro und viel eigene Arbeit hat der

Verein in den Umbau gesteckt. Während in der ersten Etage noch weitere Zimmer saniert werden, nehmen die Werkstätte­n in der ehemaligen Lagerhalle langsam Formen an. Das große Ziel ist eine Fahrradwer­kstatt. Schon jetzt ruft Geschäftsf­ührer Bernhard Preuß dazu auf, ausrangier­te Fahrräder zu spenden. Sie können vor Ort abgegeben werden oder werden auch abgeholt (radprojekt@spectrum-aachen.de, Tel. 0241 431 142 von 8.30 Uhr bis 16 Uhr).

Die überarbeit­eten Fahrräder werden in Zusammenar­beit mit der Schweizer Initiative velafrica in verschiede­ne afrikanisc­he Länder verschifft. Dort sollen sie besonders

Schulkinde­rn und Frauen zu gute kommen. Die Nachfrage in Afrika ist sehr groß. Die Vereinstoc­hter Spectrum hat an unterschie­dlichen Standorten Fahrradwer­kstätten eingericht­et und gute Erfahrunge­n damit gemacht. Für die eigene Imkerei will Spectrum auch in Kaldenkirc­hen mehrere Stöcke aufstellen. Auf dem Grundstück an der Bahnstraße werden auch Tomaten und Gurken für die Selbstvers­orgung angepflanz­t. Andere Bewohner werden hauswirtsc­haftlich angeleitet und können in der modernen Küche kochen und backen.

Während die Bewohner eine neue Bleibe haben, müssen die Besucher der Notschlafs­telle das Haus um 8 Uhr wieder verlassen. Vorstand Frank Brünker und sein Geschäftsf­ührer Bernhard Preuß weisen darauf hin, dass es für diese Menschen in ganz Nettetal noch keinen Tagestreff gebe.

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FOTOS (2): JÖRG KNAPPE Volker Mengen ist sehr zufrieden mit seinem neuen Zimmer. Er freut sich, dass dort bald noch eine neue Küchenzeil­e hinzukommt. Bis zum Jahresende sollen die Bauarbeite­n in den Gebäuden an der Bahnhofstr­aße 9 abgeschlos­sen sein.
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Hier entsteht die zukünftige Fahrradwer­kstatt. Therapeuti­n Mareike van Elsbergen und Geschäftsf­ührer Bernhard Preuß freuen sich über die Fortschrit­te.

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