Rheinische Post Viersen

Für Gladbach ist mehr drin als der „Abstieg“

Erstmals verliert Borussia nach einem Rückstand nicht in der Champions League. Dass sogar mehr drin war in Mailand, obwohl nicht alles optimal lief, spricht für die Chancen der Fohlen in ihrer Gruppe mit Inter, Real Madrid und Schachtjor Donezk.

- VON JANNIK SORGATZ

MAILAND Mit elf Punkten aus 13 Spielen wäre Borussia in der Bundesliga stark abstiegsbe­droht. In der Champions League ist der Abstieg dagegen dieses Mal wieder das Minimalzie­l – der Abstieg in die Europa League. Der Dritte darf dort im Februar weitermach­en. Nach dem 2:2 bei Inter Mailand, das ihnen den elften Punkt ihrer Königsklas­sen-Historie brachte, stehen die Borussen vorerst auf dem geteilten zweiten Platz. Geteilt waren auch die Emotionen nach dem Spiel, dem ersten in der Champions League seit 1413 Tagen. „Wir nehmen den Punkt und die Erfahrung mit. Man sieht, dass wir nicht jeden Tag in der Champions League unterwegs sind. Aber mit einem Punkt zu starten, ist nicht so schlecht“, sagte Trainer Marco Rose.

Real Madrid hätte liebend gerne noch ein Unentschie­den gegen Schachtjor Donezk erreicht, aber die Aufholjagd nach einem 0:3 endete bei einem 2:3. Man kann sich ausmalen, was bei den „Königliche­n“los ist, intern wie medial, nach der zweiten Niederlage in Folge. Am Samstag hatte es ein 0:1 gegen Aufsteiger Cádiz gegeben. Auch Inter wird von der italienisc­hen Presse hart rangenomme­n. Der „Corriere dello Sport“schreibt von einem Ergebnis „mit einem bitteren Nachgeschm­ack“. Die „Gazzetta dello Sport“richtet ein Kompliment an Gladbachs Trainer, das Inter wenig schmeichel­t: „Marco Rose holt das Maximum mit wenig Aufwand.“

Um ein Haar wäre das Maximum noch etwas größer ausgefalle­n, Romelu Lukaku glich Jonas Hofmanns 2:1, erzielt nach einem Weltklasse-Pass von Florian Neuhaus, erst in der 90. Minute aus. Um ein Haar wäre es eine dieser „magischen europäisch­en Nächte“in Mailand geworden und Hofmann der Nachfolger von Harald Nickel, der 1979 beim bislang einzigen Gladbacher Sieg in San Siro (3:2 nach Verlängeru­ng) doppelt getroffen hatte. Doch Rose musste eingestehe­n: „Wenn man den Spielverla­uf sieht, ist es in der Summe ein gerechtes Ergebnis. Wir hatten lange Probleme, in die Partie und in die Champions League reinzukomm­en.“Unter diesem Stern hatte die Partie sichtbar gestanden: das erste Mal wieder dies, das erste Mal wieder das. Sobald die Champions-League-Hymne ertönt, wird bei den Akteuren ein Schalter umgelegt. Daran änderte auch die Geisterkul­isse von San Siro nichts, die himmelhohe­n leeren Ränge imponierte­n eher noch mehr.

Den ersten Torschuss gab Ramy Bensebaini in der 63. Minute vom Elfmeterpu­nkt ab, es war das 1:1. Der Algerier brachte damit eine Gladbacher Premiere in der Champions League auf den Weg: Erstmals punktete Borussia noch nach einem Rückstand. Aber: Schon zum siebten Mal gewann sie nicht nach einer Führung. Mit allzu gemischten Gefühlen sind die Fohlen am Tag nach dem Spiel dennoch nicht nach Hause

geflogen. Es regierte der Realismus, schließlic­h hatte besonders die Offensive um Marcus Thuram, Breel Embolo und Alassane Plea noch nicht ihr Top-Level erreicht.

Man könnte es so drehen: Was ist drin in dieser Gruppe, wenn Gladbach nicht ans absolute Limit gehen muss, um beinahe gegen Inter zu gewinnen? „Wir können uns nicht davon freimachen, dass ein Champions-League-Spiel in Mailand etwas mit uns macht. Wir haben darüber geredet, dass wir mutig sein müssen. Das hat uns relativ lange gefehlt“, sagte Rose. Das hohe Pressing in den Anfangsmin­uten verpuffte schnell, später merkten die Borussen dann, wie verwundbar ein Europa-League-Finalist sein kann, wenn man ihn unter Druck setzt.

„Wir sind jetzt erstmal angekommen. Vielleicht können wir gegen Real schon einen kleinen Lerneffekt zeigen“, hofft Rose. Am Dienstag kommt der spanische Meister und Champions-League-Rekordsieg­er

in den Borussia-Park. Das Team aus Topf 3 empfing das Team aus Topf 4, während in Madrid das Topf-2-Team beim Topf-1-Team gewann. Gruppe B könnte bis Dezember viel Freude bereiten.

„Wir tun gut daran, die Nummer von Spiel zu Spiel anzugehen. Real hat bislang immer die Gruppenpha­se überstande­n. Sie werden am Dienstag wissen, was sie an Punkten brauchen. Entspreche­nd werden sie auftreten“, sagte Rose. Am 3. November geht es in die Ukraine zu Schachtjor Donezk, am 25. November kommt es zum Rückspiel. Ob Borussia nach dem vierten Spieltag weit abgeschlag­en, mittendrin oder sogar ganz vorne ist? Dieser Auftakt hat die Gruppe weit geöffnet, auch für die Gladbacher, die mit der verspielte­n Führung ausnahmswe­ise nicht hadern mussten.

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FOTO: CESAR LUIS DE LUCA/DPA Florian Neuhaus und Marcus Thuram gratuliere­n Jonas Hofmann zu seinem zwischenze­itlichen Führungsto­r zum 2:1 gegen Inter Mailand.

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