Auf den Spuren von Thomas Müntzer
Literatur Was für eine elende Geschichte! Und was für ein ganz und gar toller Autor, der sie uns erzählt! Der Schriftsteller Eric Vuillard ist spätestens seit der „Tagesordnung“auch in Deutschland bekannt als einer, der in der sorgsamen Kombination von Episoden ein grelles Licht der Erkenntnis auf die Vergangenheit werfen kann. Diesmal fällt es auf Thomas Müntzer, den gottesfürchtigen Mann, den besessenen Redner, den bedingungslosen Utopisten. Der Reformator schlägt sich auf die Seite der Bauern und der armen Schlucker, die in den Jahren 1524/25 den Aufstand proben. Vuillard lässt von Beginn des Romans an erkennen, dass es ein furchtbares Ende nehmen wird. Seine Tonart ist Moll, seine Sprache dabei stets glasklar. Ein virtuoser Geschichtsschreiber, der sagt, wie es gewesen sein könnte, indem er dem Geist der Vergangenheit auf eine sensible Weise nachspürt. Lothar Schröder
Der Krieg der Armen
Sachbuch Sie war eine erfolgreiche Kochbuch-Autorin, doch unter den Nazis verlor die Wiener Jüdin Alice Urbach ihre Heimat, ihre Familie und ihre Karriere. Sie floh nach England, wo sie ein Heim für jüdische Mädchen leitete und ihnen Kochunterricht gab. Nach dem Krieg ging sie in die USA und stellte im Fernsehen Rezepte unter anderem für österreichischen Speisen vor, die sich größter Beliebtheit erfreuten. In einer Wiener Buchhandlung fand sie später ihr eigenes Kochbuch wieder, doch auf dem Umschlag prangte ein anderer Name. Recherchen führten Alice’ Enkelin, die in Princeton forschende Historikerin Karina Urbach, in Archive, in denen sie verloren geglaubte Manuskripte und Dokumente fand. Sie eröffnen ein gänzlich neues Kapitel von NS-Verbrechen. „Das Buch Alice – wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten“liest sich großartig, stellenweise wie ein Thriller. (Propyläen-Verlag, 432 Seiten, 25 Euro). Wolfram Goertz