Farbige Kraftwerk-LPs sind unheimlich wichtig
Pop Natürlich habe ich mich gefragt, ob das sein muss. Ich besitze die Platten ja bereits als Originale, jeweils in Deutsch und in Englisch, und dann noch in den – das muss man hier sagen: grandios klingenden – Neuauflagen von 2009, ebenfalls auf Deutsch und auf Englisch. Und nun gibt es sie in den 2009er-Abmischungen als limitierte Edition auf farbigem Vinyl. Das Album „Autobahn“sieht sehr schön aus, wie es sich in lichtdurchlässigem Blau auf dem Plattenteller dreht. Die „Mensch-Machine“-LP leuchtet wunderbar rot. Es geht natürlich um Kraftwerk, deren letztes reguläres Album „Tour de France Soundtracks“17 Jahre alt ist. Und als ich die pressfrischen und bunten Neuauflagen auflegte, dachte ich kurz, dass das ja Quatsch ist. Der Gedanke „Alter Wein in neuen Schläuchen“drohte das Hörerlebnis zu verderben. Aber dann verabschiedete sich der beste Freund meines Sohnes, er musste nach Hause. Er sollte schon um 19 Uhr losgegangen sein, und nun war es 19.10 Uhr. Ich sagte: „Komm bitte mal her. Ich muss dir den Gral deutscher Populärmusik vorspielen.“
Mein Sohn und sein Kumpel sind
erst zwölf, deshalb folgen sie solchen Ansagen noch brav. Beide standen aufrecht und auf Socken im Wohnzimmer und hörten zu. Natürlich hatte ich die Nadel auf das transparente Vinyl der neuen „Trans Europa Express“-Ausgabe gelegt, das fünfte Stück: „Metall auf Metall“. Andächtig nahmen wir das Schleifen und Schaben entgegen, den Rhythmus und die industrielle Wehmut. Es waren schöne zwei Minuten und zehn Sekunden. Der Kumpel musste danach dringend los. „Sag deinen Eltern, dass du noch etwas gelernt hast“, gab ich ihm zum Abschied mit: „Nun kennst du Kraftwerk. Und schöne Grüße.“Er würde nun keine Schimpfe wegen des Zuspätseins bekommen. Und ich hatte einen Grund gefunden, warum ich diese Neuauflage haben muss. Kraftwerk hören macht eben alle glücklich. Philipp Holstein