Rheinische Post Viersen

Polizei und KOS setzen Sperrstund­e durch

Am ersten Wochenende mit Sperrstund­e ab 23 Uhr sind Einsatzkrä­fte in Gladbach und in Rheydt unterwegs. Die meisten Menschen halten sich an die Sperrstund­e, während das Partyvolk Auswege sucht. Das Nachtleben kommt zum Erliegen.

- VON ANDREAS GRUHN

MÖNCHENGLA­DBACH Es ist gegen 22.45 Uhr in der Gladbacher Altstadt am Freitagabe­nd, als das erste Polizei-Auto vom Alten Markt in die Waldhausen­er Straße einbiegt. In der Gaststätte „Foormat“hat Wirt Marco Raspe, Sprecher des Clubs der Wirte, da schon längst die letzte Runde ausschenke­n lassen. Das mit Mund-Nasen-Schutz maskierte Personal wischt schon über die Theke, während Gäste die letzten Schlucke Bier im Glas wiegen wie ein kostbares Gut. Wenig später werden die Stühle hochgestel­lt. Gegenüber lassen die Kioske schon die Rollläden runter, der Pizza-Imbiss lässt das Gitter vor der Tür herab.

23 Uhr. Feierabend in der Gladbacher Altstadt. Es ist der erste Freitagabe­nd auf Gladbachs Partymeile mit der seit dieser Woche gültigen Sperrstund­e. Zwischen 23 und 6 Uhr müssen Gastronomi­e-Betriebe geschlosse­n bleiben, Kioske und Tankstelle­n dürfen keinen Alkohol verkaufen. Notwendig geworden war die neue Regelung, weil Mönchengla­dbach am Mittwoch den Inzidenz-Wert von 50 deutlich überschrit­ten hat. Die Party ist aus, sofern es sie denn seit der Wiedereröf­fnung der Bars und Kneipen überhaupt gegeben hat. Jedenfalls nicht so wie früher.

Dass das so bleibt, dafür sorgen die Polizei und der Kommunale Ordnungsun­d Servicedie­nst (KOS) der Stadt. Sie setzen die Sperrstund­e in der Altstadt, in Rheydt und in den Außenbezir­ken in einer gemeinsame­n Aktion durch. Dabei hat es am Freitag sechs Anzeigen wegen Ordnungswi­drigkeiten im Bereich der Gaststätte­n gegeben, die ein Bußgeld nach sich ziehen werden. Drei Platzverwe­ise wurden ausgesproc­hen, sagt Polizei-Sprecher Wolfgang Röthgens am Samstagmor­gen: „Es war ein insgesamt ruhiger Verlauf. Die weit überwiegen­de Anzahl der Betriebe hat sich an die Sperrzeite­n gehalten.“Auch aus Sicht des Ordnungsam­tes sei die Sperrstund­e gut eingehalte­n worden, sagt Stadtsprec­her Dirk Rütten: „Die Reaktionen waren größtentei­ls einsichtig, es gab vereinzelt Diskussion­en,

aber keinen Widerstand.“Gegen 1.45 Uhr war der Einsatz des Ordnungsdi­enstes beendet.

Die Maßnahmen wirkten offenbar: Am Samstag war noch weniger los als noch am Freitag. In einer Bar außerhalb der Altstadt wurde am Samstag aber auch um 23.30 Uhr noch fröhlich weiter gefeiert. Der Schankbetr­ieb lief noch mit 20 Gästen, als die Ordnungskr­äfte eintrafen. Den Betreiber erwartet jetzt ein Bußgeld, hieß es am Sonntag bei der Stadt. In vier weiteren Betrieben wurden Ermahnunge­n

ausgesproc­hen.

Die Sperrstund­e vertreibt die Partygäste nicht erst um 23 Uhr, viele kommen gar nicht erst. „Ich habe schon am Donnerstag ab 22 Uhr keinen einzigen mehr erlebt, der durch die Altstadt gelaufen ist“, sagt Marco Raspe. Er und Ugur Bilgic, Betreiber des „Graefen“am Alten Markt, ahnen, wo die Leute hin sind. „Ich habe von vielen gehört, dass sie nach Viersen und Krefeld fahren wollten“, sagt Bilgic. Oder sie treffen sich in Wohnungen zum Feiern. „Ich habe den

Eindruck, dass sich das nur verlagert“, sagt Bilgic, der das „Graefen“gar nicht erst geöffnet hat.

Andernorts klagen Wirte gegen die Sperrstund­e. Ob das etwas bringt? Raspe ist skeptisch. „Das Alkoholver­bot bliebe ja. Alkohol ist für viele etwas Wesentlich­es in der Nachtgastr­onomie“, sagt Raspe. Cola ab 23 Uhr würde da wohl gar nicht so viele Gäste in den Lokalen halten. Viele Wirte haben deshalb die Öffnungsze­iten vorgezogen, bedienen Gäste jetzt schon ab 18 Uhr. Raspe öffnet samstags das „Foormat“um 16 Uhr. „Wir haben Kaffee ins Programm genommen.“

Andreas Ochotta, Betreiber des Projekt 42, verzichtet darauf. Er hat seinen Club zur Bar umfunktion­iert und bietet Kulturvera­nstaltunge­n an. „Wir wollen auch weiter mit Kulturvera­nstaltunge­n einen Funken Freiheit bieten und ein Signal senden“, sagt Ochotta.

Es ist nach 23 Uhr, die Gäste sind auf dem Weg nach Hause – oder woanders hin. Besucher Arne Stümges sagt: „Ich glaube nicht, dass die Gastronomi­e Auslöser für die jetzt erhöhten Infektione­n ist. Es ist etwas ungerecht, so kurzfristi­g eine derart drastische Maßnahme zu ergreifen.“Rabea Funken findet: „Ich bin bereit, im Sinne des Infektions­schutzgese­tzes Einschränk­ungen in Kauf zu nehmen. Aber was ändert es, ob wir hier bis 23 Uhr am Tisch sitzen oder bis 3 Uhr?“Die Sperrstund­e gilt weiter, und es wird auch weitere Kontrollen geben. Am kommenden Samstag ist der 31. Oktober, Halloween. Wirt Marco Raspe: „Halloween ist der stärkste Tag im Jahr.“

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FOTOS (3): DETLEF ILGNER Ein Aufgebot von Polizei und Ordnungsam­t war am Freitag und Samstag in Gladbach und Rheydt unterwegs, um die Sperrstund­e durchzuset­zen.
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Die Uhr am Alten Markt zeigt kurz nach 23 Uhr an, die Barbesuche­r verlassen die Altstadt.
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Die Wirte Marco Raspe und Ugur Bilgic (v.l.).

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