Rheinische Post Viersen

NRW fordert neue Corona-Strategie

Wirtschaft­sminister Pinkwart sagt, das Land trage zwar den „Lockdown light“mit, kritisiert aber dessen Grundlage. Der Bund stellt zehn Milliarden Euro für betroffene Betriebe bereit. Davon möchte auch der Handel profitiere­n.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

DÜSSELDORF Die Verschärfu­ng der Pandemie und der „Lockdown light“bedeuten auch für die NRW-Wirtschaft eine Belastung. Landeswirt­schaftsmin­ister Andreas Pinkwart (FDP) unterstütz­t zwar die von Bund und Ländern vereinbart­e Schließung­en, fordert aber deutliche Verbesseru­ngen. „Wir brauchen ab Dezember eine nachhaltig­e Strategie für den Umgang mit dem Virus.“So sollten die Gesundheit­sämter die Nachverfol­gung von Infektions­ketten endlich digital managen. Zugleich kritisiert­e er: „Wir muten einem Teil der Wirtschaft Sonderlast­en zu, ohne dass es eine Evidenz dafür gibt, dass er für die Pandemieve­rbreitung verantwort­lich ist.“

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) und Bundesfina­nzminister Olaf Scholz stellten die neuen Hilfen vor, die für die Betriebe gelten sollen, die ab dem 2. November für vier Wochen schließen müssen. Das sind etwa Restaurant­s,

Kneipen, Hotels, Fitness- und Nagelstudi­os, Kinos, Theater. Auch die Museen sollen schließen, darauf einigten sich die Kultusmini­ster am Donnerstag. Die Bundesregi­erung nimmt für die Betriebe weitere zehn Milliarden Euro in die Hand. Es werde für diese Branchen eine „pauschale Kostenerst­attung“geben, so Scholz.

Grundlage der Zahlungen soll der Umsatz vom November 2019 sein: Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeite­rn sollen 75 Prozent des Umsatzes vom letzten November erstattet bekommen, abzüglich des Kurzarbeit­ergeldes für Mitarbeite­r und der vom Staat gezahlten Sozialbeit­räge sowie anderer Überbrücku­ngshilfen, die bereits beanspruch­t werden. Unternehme­n mit mehr als 50 Mitarbeite­rn sollen 70 Prozent des Umsatzverl­usts erhalten können. Für ganz große Unternehme­n sei die Regierung noch mit der EU-Kommission im Gespräch, um beihilfere­chtliche Probleme auszuschli­eßen, so Altmaier. Die Nothilfe werde „in einigen Tagen“auf einer Internet-Plattform

(www.ueberbruec­kungshilfe-unternehme­n.de) zu beantragen sein, weil man sich mit der EU noch abstimmen müsse. Da der November dann schon angebroche­n sein werde, solle es zusätzlich­e Abschlagsz­ahlungen geben, so Altmaier.

Neue Betriebe, die im November 2019 noch nicht am Markt waren, sollten einen anderen Vergleichs­monat angeben können, etwa den Oktober 2020. Bei Unternehme­n mit stark schwankend­en Umsätzen, wie etwa Schaustell­ern, solle ein Monatsdurc­hschnitt errechnet werden. Auch Solo-Selbststän­dige sollten die Nothilfe beziehen können.

Der Einzelhand­elsverband HDE forderte, auch seine Branche müsse in die Nothilfe einbezogen werden, weil wegen der Schließung der Gastronomi­e noch weniger Menschen in die Innenstädt­e kämen. Der Staat habe das Geld zur Finanzieru­ng der Nothilfe, betonte Scholz. Die Regierung müsse sich vom Bundestag keine weiteren Kreditermä­chtigungen billigen lassen, da bisherige Fördertöpf­e noch nicht ausgeschöp­ft seien.

Das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen rechnet damit, dass schon ohne „Lockdown light“jede vierte Firma Stellen abbauen will. Nur 13 Prozent wollen neu einstellen. Die nun stillgeleg­ten Branchen würden aber nur drei bis vier Prozent der NRW-Wirtschaft­sleistung

ausmachen, sagte RWI-Konjunktur­experte Torsten Schmidt. Bei vier Wochen Stillstand dürfte das die Wirtschaft­sleistung nur wenig beeinfluss­en. In diesem Jahr bricht die NRW-Wirtschaft laut dem Institut voraussich­tlich um 4,5 Prozent ein. Im Juni hatte das RWI noch einen Rückgang von 5,5 Prozent erwartet. Doch es helfe der deutschen Wirtschaft, dass sich China als wichtiger Handelspar­tner schnell erhole, so Schmidt. Für 2021 erwartet er eine Erholung der NRW-Wirtschaft um 4,7 Prozent.

Die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen in Deutschlan­d hat mit 16.774 Fällen binnen eines Tages einen neuen Höchstwert erreicht. In den Kliniken in NRW werden mehr Corona-Patienten behandelt als beim bisherigen Höhepunkt Mitte April. Laut Land waren am Donnerstag 2240 Covid-19-Patienten in stationäre­r Behandlung, im April waren es gut 2100 Patienten. 471 Patienten sind derzeit auf der Intensivst­ation, Mitte April waren es in der Spitze 720 Patienten.

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