Rheinische Post Viersen

Facebook und Google enteignen!

Die beiden Internetko­nzerne sind zur Großmacht geworden. Wir müssen sie stoppen.

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In meiner Schulzeit in den 80ern galt ich als kaltherzig­er Kapitalist. Während meine Klassenkam­eraden „Kein Blut für Öl“-Transparen­te malten (mit Ölfarbe), studierte ich lieber die Börsenkurs­e in der Zeitung. Meine Zimmerwänd­e schmückten keine Poster von Kurt Cobain oder The Doors, sondern Bilder von Michael Douglas alias Gordon Gekko, dem Börsenhai aus „Wall Street“. Wenn ich heute also fordere, dass man Facebook und Google enteignen sollte, dann ist dies nicht irgendeine­r nostalgisc­h-verklärten kommunisti­schen Biografie geschuldet, sondern vielmehr ein Warnruf, jetzt zu handeln, bevor es zu spät ist.

Denn anders als alle anderen Monopole vor ihnen sind das zur Verfügung stehende Kapital und der politische Einfluss, den diese beiden Internetgi­ganten in sich vereinen, vergleichb­ar mit dem einer Supermacht. In Europa und in den USA beherrscht Google über 90 Prozent aller Internetsu­chen inklusive den dazugehöri­gen Anzeigen. Facebook kontrollie­rt die Bildschirm­inhalte von mehr als zwei Milliarden Nutzern. Den Markt für mobile Werbeanzei­gen teilen die beiden Internetgi­ganten de facto unter sich auf. Die vermutlich mächtigste Waffe aber setzen beide Internet-Häuser ganz offen ein: Mit viel Geld werden Politiker, Juristen und Journalist­en als Internetlo­bbyisten

nach Berlin, Brüssel oder Washington entsandt. Dort sollen sie ihren Einfluss auf Gesetzgebu­ng und öffentlich­e Meinung geltend machen. Doch es besteht Hoffnung: Sowohl in der EU als auch in den USA sind in diesen Tagen die ersten Kartellver­fahren gegen Facebook und Google angelaufen. Es wird Zeit, diese beiden Unternehme­n zu stoppen. Und damit meine ich nicht einfach nur zu zerschlage­n, sondern zu enteignen! Die bis dato gesammelte­n Daten an die ausgespäht­en Nutzer zurückzuge­ben. Vielleicht die letzte Chance, die uns noch bleibt.

Richard Gutjahr ist Moderator und Blogger.

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