US-Wahlkampf in Deutschland
Am 3. November hoffen laut Umfragen die meisten Deutschen auf einen Sieg Joe Bidens. Eine von ihnen ist Sierra Kaag. Doch auch Donald Trump hat hierzulande Fans wie etwa Benjamin Wolfmeier.
HANNOVER/WUPPERTAL Benjamin Wolfmeier gibt sich zu erkennen: An seiner Jacke trägt er einen Trump-Button, politischen Diskussionen weicht er nicht aus, will gerade in Deutschland einen anderen Blick auf den US-Präsidenten und dessen Partei ermöglichen. Darum ist er auch in der deutschen Sektion der Republicans Overseas aktiv, der Republikaner außerhalb der USA. Das geht so weit, dass der gelernte Buchhändler, der inzwischen für eine Aufzugfirma in Hannover arbeitet, sich Urlaub genommen hat, um in den letzten Tagen vor dem US-Votum Wahlkampf für Donald Trump zu machen. In Deutschland.
Wolfmeier reist durch die Republik, hält Vorträge, spricht mit Menschen auf der Straße, die seine Republikaner-Zeichen erkennen und ihm böse Blicke zuwerfen. „Ich finde das nicht schlimm“, sagt Wolfmeier, „ich gehe auf die Leute zu, und wenn ich ihnen etwa erkläre, dass es innerhalb der Republikaner unterschiedliche Strömungen gibt, dass nicht alle Republikaner evangelikal oder sogar rechtsradikal sind, kommen viele ins Nachdenken.“
Dabei war Wolfmeier lange Demokrat. Seine Mutter stammt aus Manhattan. Er selbst ist in Berlin geboren, deutscher Staatsbürger, verbrachte aber regelmäßig Zeit bei der Familie in den USA und bewegte sich dann in liberalen Demokratenkreisen. Auch sein deutscher Vater steht politisch links. Doch Benjamin Wolfmeier fühlte sich irgendwann nicht mehr wohl bei den Demokraten. Obamas Außen- und Wirtschaftspolitik fand er falsch, die Haltung der Demokraten zu Themen wie Abtreibung und Migration lehnte er ab. „Da hab ich mir eine neue politische Heimat gesucht“, sagt Wolfmeier. 2010 war das. Seitdem ist er Republikaner.
Überzeugend findet er Trumps Wirtschaftspolitik und nennt die guten Zahlen an der Börse, die niedrigen Arbeitslosenzahlen vor Corona, die Steuersenkung für die Mittelklasse. Wendet man ein, dass von Trumps Steuerpolitik die Superreichen am meisten profitieren, verweist er auf Steuerprivilegien für Alleinerziehende, auf die Einführung von Mutterschutz und Elternzeit, auf die Zahl von Selbstständigen unter Afroamerikanern, die unter Trump stark gestiegen ist. Auch in der Außenpolitik lässt er nichts auf Trump kommen. „Er ist der Friedenspräsident meiner Generation“, sagt Wolfmeier und verweist auf das Treffen zwischen Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un, auf die Friedensabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen
Emiraten, auf den Truppenrückzug aus Afghanistan. Selbst die ablehnende Haltung weiter Teile seiner Partei zu Homosexualität mindert Wolfmeiers Begeisterung nicht, obwohl er selbst schwul ist. „Ich als Mensch habe selbst bei evangelikalen Freunden nie Ablehnung erfahren. Es geht bei dieser Frage eher um das Recht auf Heirat und Adoption für Homosexuelle“, sagt Wolfmeier, „wenn Parteifreunde das für falsch halten, kann ich das als politische Einstellung akzeptieren.“
Kritik an Trumps Management der Corona-Krise, das ihn vielleicht die Wiederwahl kosten wird, kontert Wolfmeier mit dem Hinweis, dass bezogen auf die Einwohnerzahl die USA nicht schlechter dastünden als europäische Länder wie Spanien. Verachtende Aussagen gegenüber Frauen oder ethnischen Minderheiten schiebt Wolfmeier auf den Stil des älteren Ostküsten-Geschäftsmanns. „Das ist nicht mein Stil, aber Trump ist nun mal ein New Yorker, da geht man ruppiger miteinander um“, sagt er. Trump tue, was er sage. Er sei ein völlig neuer Präsidententypus, weil er eben kein Berufspolitiker sei. Er entlasse Leute, wenn sie nicht die erwartete Leistung brächten, da sei er ganz Unternehmer. Das verstöre das politische Establishment, doch genau das sei ja gut. Den Wahlabend will Wolfmeier nach seiner anstrengenden Wahlkampftour durch Deutschland daheim im privaten Kreis erleben. Eigentlich hatte er eine größere Party geplant, doch wegen Corona hat er die abgesagt. Wolfmeier ist sicher, dass Trump auch die nächste Wahl gewinnen wird. In Deutschland hat er dafür getan, was er kann.
Als sich 2016 abzeichnete, dass der nächste US-Präsident Donald Trump heißen würde, brach hingegen für Sierra Kaag eine Welt zusammen. „Ich war am Boden zerstört“, erzählt die Amerikanerin. So sehr, dass sie am folgenden Morgen nicht darüber sprechen konnte. In ihrem Büro im Wuppertaler Von der Heydt-Museum arbeitete damals eine Landsfrau, beide fielen sich weinend in die Arme. „Es war ein Schock für uns“, erinnert sich Kaag, „wir hätten nie gedacht, dass das wahr werden könnte.“Der Schock wirkt lange nach: Kaag ist besorgt, dass sich Trump erneut durchsetzt. Auch wenn Umfragen ihren Favoriten Joe Biden deutlich vorne sehen – es sei zu früh, um zu jubeln.
Kaag stammt aus Idaho, einem konservativ geprägten Bundesstaat im Nordwesten der USA. Ihr Heimatort Moscow ist eine kleine blaue, also demokratische Blase in einer ansonsten republikanisch rot gefärbten Region. Was nicht heißt, dass in Moscow nur Demokraten leben – manchmal zieht sich der Riss durch Familien. Kaags Vater ist ein strammer Konservativer, die Mutter wählt die Demokraten. Ihr Vater leugne etwa den Klimawandel, was Sierra Kaag vor allem darauf zurückführt, dass er sich hauptsächlich über soziale Medien informiert und damit offen für Manipulationen sei. Auch eine fundamentalistische Kirche macht sich in Moscow breit und verändere so das gesellschaftliche Klima. All das beobachtet Kaag aus der Ferne. Noch zu Amtszeiten Barack Obamas im Jahr 2011 ist die Museumswissenschaftlerin nach Deutschland gezogen, hat den Job in Wuppertal bekommen. Mit ihren deutschen Freunden habe sie damals kaum über Politik gesprochen, das sei erst mit Trumps Kandidatur gekommen. „Zunächst haben wir gemeinsam darüber gelacht“, sagt sie, „wie jemand von seinem Kaliber in eine solche Position gelangen will.“Das Lachen sei ihnen dann schnell vergangen. Mit Trumps Präsidentschaft hätten sich viele gebildete Menschen in ihrem Umfeld für die die US-Politik interessiert.
Sierra Kaag war das oft unangenehm. Nicht die politische Diskussion an sich, sondern mit den Dingen assoziiert zu werden, die Trump angerichtet habe. Schon für George W. Bush habe sie sich im Ausland – damals noch Italien – geschämt, nun aber sei es schlimmer. Ihre Stimme für Joe Biden hat Kaag schon abgegeben, per Briefwahl. Sie wohnt seit ein paar Wochen in England, hat dort ein neues Studium aufgenommen. An Biden schätzt sie seine Erfahrung, seine Kontakte, seine Stabilität. „Und seine Stellvertreterin Kamela Harris finde ich ganz toll“, sagt sie. Dennoch bleibt eine Portion Skepsis. Nicht, weil sie Zweifel an der demokratischen Führungsriege hat. „Aber selbst wenn sie gewinnen, wird nicht alles in meinem Land schnell wieder normal.“
Kaag schämt sich ebenfalls dafür, mit welchen Tricks die Republikaner derzeit versuchen, die Wahl zu manipulieren. Dass sie zum Beispiel in
Kalifornien illegale Wahlboxen aufstellen, um Stimmen abzufischen und Verwirrung zu stiften. Dabei sei es essentiell, allen Menschen zu ermöglichen, ihre Stimme abzugeben. Angst hat sie auch davor, dass Trump bei einer Niederlage nicht kampflos aufgibt. Sierra Kaag wird in der Wahlnacht erst schlafen gehen, wenn sich ein klarer Sieger abzeichnet. Bei der vergangenen Wahl hatte sie das Handy mit ins Bett genommen und stündlich die Nachrichten gecheckt. Als deutlich wurde, dass Trump Clinton geschlagen habe, sei an Ruhe nicht mehr zu denken gewesen. Diesmal hofft sie auf den tiefen Schlaf der Sieger.
„Donald Trump ist der Friedenspräsident meiner Generation“Benjamin Wolfmeier Trump-Wähler
„Selbst wenn die Demokraten gewinnen, wird in den USA nichts schnell wieder normal“Sierra Kaag Biden-Wählerin