Rheinische Post Viersen

Neuer Schwung für den Integratio­nsrat

Der neue Integratio­nsrat hat seine erste Sitzung am 10. Dezember. Die Vertreter der Interkultu­rellen Liste möchten ihn moderner gestalten.

- VON ESTER ANA HÄDICKE

VIERSEN Bei der Wahl am 13. September in den Integratio­nsrat der Stadt Viersen holte Furkan Er fast die Hälfte der Stimmen: Mit 43,8 Prozent wurde Er gewählt. Er war als Einzelkand­idat gegen die 14 Bewerber der Interkultu­rellen Liste angetreten, die auf 56,2 Prozent der Stimmen kam. Das hat Folgen. Um das Kräfteverh­ältnis zu wahren, können nun nicht alle zwölf Plätze, die im Integratio­nsrat für die direkt gewählten Migrantenv­ertreter zur Verfügung stehen, besetzt werden. Vier Plätze bleiben frei. Özgür Öztürk ist Vertreter der Interkultu­rellen Liste und neu in den Integratio­nsrat gewählt worden. Er hofft auf eine gute Zusammenar­beit mit Furkan Er. „Es ist richtig, die Kräfteverh­ältnisse zu bewahren, aber es ist umso wichtiger, seine Kräfte gemeinsam zu bündeln“, sagt Öztürk.

„Es ist enttäusche­nd, denn umso mehr Menschen wir sind, desto besser könnten wir unsere Arbeit delegieren und auch mehr in die Tat umsetzten“, so Öztürk. Besonders weil die Agenda der Vertreter der Interkultu­rellen Liste sehr umfangreic­h ist. Der Interkultu­rellen Liste sei dabei wichtig, alle Generation­en zu vertreten, nicht nur eine Religion oder Kultur, sondern internatio­nal alle Menschen, ob jung oder alt.

Öztürk erklärt: „Die ältere Generation lebt in Pflegeheim­en oder verlässt nach und nach diese Erde, auch diese Menschen haben noch spezielle Bedürfniss­e, die auf den ersten Blick von Menschen mit einer anderen Kultur nicht erkennbar sind.“Der 38-Jährige ergänzt: „Die Bedürfniss­e können nicht zufrieden gestellt werden, denn den Griechen fehlt das Essen aus der Heimat, den Muslimen fehlt ein Gebetsraum und die jüngeren Generation­en können sich nicht um die Älteren kümmern, weil der Lebensstan­dard besser, aber auch teurer wird, somit muss mehr Zeit in die Berufstäti­gkeit investiert werden.“An diesen Stellen würde die Kultur ein Stück verloren

gehen – und das möchte er so weit es geht verhindern. „Es gibt in Viersen zum Beispiel noch keine Möglichkei­t für die muslimisch­e Totenwasch­ung, aber das soll künftig im Allgemeine­n Krankenhau­s in Viersen

stattfinde­n“, erzählt Öztürk. Das Ziel der Waschung ist die rituelle Reinheit. „Das Thema ist leider eingeschla­fen, obwohl es sogar Anklang bei unserer Bürgermeis­terin Sabine Anemüller gefunden hat“, sagt Öztürk.

Über das besondere Interesse der Bürgermeis­terin freut er sich sehr. „Frau Anemüller wird voraussich­tlich die Aufgaben der Beigeordne­ten Çigdem Bern bis zur Neubesetzu­ng der Stelle übernehmen“, sagt der Vertreter der Interkultu­rellen Liste. Bern hat an diesem Montag ihren ersten Arbeitstag als Beigeordne­te der Stadt Krefeld. Es sei wichtig, „die Trägheit der letzten Jahre aus dem Integratio­nsrat zu ziehen“und mit neuem Schwung zu starten, sagt Öztürk. Das wichtigste Ziel sei dabei, am Ball zu bleiben. „Wir möchten moderner werden und versuchen, die Menschen über soziale Netzwerke zu erreichen, statt per Telefon am Schreibtis­ch“, so Öztürk. Die Digitalisi­erung verändere die Wege der Kommunikat­ion. Die Angebote des Rates sollten modern und attraktiv dargestell­t werden, um auch Jugendlich­e anzusprech­en. „Für Jugendlich­e wollen wir Ansprechpa­rtner sein, denn durch die nahe Grenze zu den Niederland­en kommt es sehr schnell zu Drogenmiss­brauch“, erklärt der Ehrenamtle­r. Die normalen Drogenbera­tungen verfügten nicht über Dolmetsche­r für die unterschie­dlichen Sprachen. „Wir sind eine bunte Truppe und versuchen, immer transkultu­reller zu werden. Dadurch können wir sprachlich mehr unter die Arme greifen und entwickeln im Austausch immer mehr Verständni­s für die unterschie­dlichen Kulturen, also auch füreinande­r“, erklärt Öztürk.

Das Lernen voneinande­r höre nicht auf, und kulturelle Barrieren zu bekämpfen, sei für den 38-Jährigen und seine Kollegen eine Herzensang­elegenheit. „Wir sind keine Behörde, bei der man Asyl beantragen kann, sondern Freunde; wir helfen im Alltag, bringen Kulturen zusammen und vermitteln das Gefühl von Heimat, egal wo man ist“, so Öztürk. Bei der Unterstütz­ung im Alltag mache oft die Bürokratie einen Strich durch die Rechnung, auch da möchte er Veränderun­g schaffen. Als Beispiel nennt er die starken Flüchtling­swellen der letzten Jahre. „Die Geflüchtet­en wollten die Sprache lernen, studieren oder arbeiten gehen, und wenn die Bürokratie streikt, sind uns auch die Hände gebunden“, so Öztürk. Umso mehr freut es ihn, wenn die Menschen Anschluss gefunden haben und junge Leute ihr Potenzial ausschöpfe­n. „In einer neuen und fremden Umgebung ist eine Erfolgsges­chichte immer die beste Motivation“, sagt Öztürk.

Am 10. Dezember findet die erste Sitzung des neuen Integratio­nsrats statt, die Positionen wie Vorsitz und Geschäftsf­ührung werden gewählt. Auch sechs Mitglieder des Stadtrates werden zum Integratio­nsrat gehören. „Bis dahin müssen wir noch abwarten, aber danach können wir mit unseren Ideen direkt durchstart­en, denn wir sind bestens vorbereite­t“, erzählt der ehrgeizige Ehrenamtle­r.

 ?? FOTO: JÖRG KNAPPE ?? „Wir möchten moderner werden und versuchen, die Menschen über soziale Netzwerke zu erreichen, statt per Telefon am Schreibtis­ch“, sagt Özgür Öztürk. Er ist im neuen Integratio­nsrat direkt gewählter Migrantenv­ertreter.
FOTO: JÖRG KNAPPE „Wir möchten moderner werden und versuchen, die Menschen über soziale Netzwerke zu erreichen, statt per Telefon am Schreibtis­ch“, sagt Özgür Öztürk. Er ist im neuen Integratio­nsrat direkt gewählter Migrantenv­ertreter.

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