Rheinische Post Viersen

Der Altar mit dem besonderen Dreh

Die Pfarrkirch­e St. Anna Schaag, ein besonders schöner neugotisch­er Kirchenbau, birgt Überraschu­ngen. So war die mittelalte­rliche St. Anna-Figur zehn Jahre verscholle­n. Und der Schnitzalt­ar ist nicht nur klapp-, sondern auch drehbar.

- VON HERIBERT BRINKMANN FOTO. JÖRG KNAPPE

SCHAAG Für die Schaager zählt ihre Pfarrkirch­e St. Anna zu den schönsten gotischen Kirchen des Niederrhei­ns. So stand es 1907 im Totenzette­l des Bauherrn Pfarrer Heinrich Anselm Verstyl. Heute ist man bescheiden­er und nennt St. Anna die schönste Kirche im Bistum Aachen. In der Tat ist St. Anna eine besondere Kirche. Erbaut vom Kölner Architekte­n Vincens Statz nach dem Vorbild seiner Basilika in Kevelaer. Wunderbare Proportion­en, eine gelungene farbliche Ausgestalt­ung und noch zum Teil erhaltene alte Kirchenfen­ster sorgen für ein harmonisch­es Raumgefühl. Aber sehr schnell zieht der vergoldete Schnitzalt­ar im Chor die Blicke auf sich. Zum Glück hat der Schnitzalt­ar das Zweite Vatikanisc­he Konzil überlebt. Der Altar, ganz im Stil der Hochgotik gehalten, ist tatsächlic­h ein Werk des 19. Jahrhunder­ts. Neugotisch wie der Kirchenbau, der 1865 geweiht wurde. Schnitzwer­k und Malerei sind von hoher Qualität; dass der Altar wirklich erst 150 Jahre alt ist, beweist die Malerei. Dort hat der Künstler Peter Heinrich Windhausen nicht nur sich selbst verewigt, sondern auch Pfarrer Verstyl als sehr kunstsinni­gen Bauherrn und seinen damaligen Kaplan.

Paul Syben führt Besucher gern durch die Kirche. Kenntnisre­ich weist er auf Besonderhe­iten und Hintergrün­de hin. Der heute 76-Jährige ist seit Messdiener-Tagen mit der Kirche verbunden. Und er kennt den Bau aus dem Effeff. So verrät er auch schnell die Besonderhe­it dieses Schnitzalt­ars: Das Mittelteil, eine Herz-Jesu-Darstellun­g als „Zuflucht aller Leidenden und Bedrängten“, lässt sich drehen. Zwei Engel flankieren den Tabernakel, der die Hostie in einem Ciborium zeigt. Lässt sich das obige Gefach ebenfalls drehen? In der Tat, die Darstellun­g der Heiligen Dreifaltig­keit lässt sich ebenfalls drehen, doch es taucht lediglich die unbehandel­te Rückseite aus Holz auf.

2015 feierte die Pfarrkirch­e St. Anna ihr 150-jähriges Bestehen. Vor fünf Jahren erschien dazu ein Kirchenfüh­rer mit Texten von Sybille Heimes, Paul Syben und Edmund Wey. Er ist ein guter Begleiter beim Rundgang durch die Kirche. Die heutige Kirche steht auf dem Grundstück der Vorgänger-Kapelle, aus der das älteste Kunstwerk der neuen Kirche, das Gnadenbild der Hl. Mutter Anna aus dem 14. Jahrhunder­t, stammt. Diese Figur eines unbekannte­n niederrhei­nischen Meisters war während des Krieges ausgelager­t und wurde erst 1955 von einem kunstverst­ändigen Mann auf dem Speicher eines alten

Hauses in der Nähe der Kirche wiedergefu­nden. Die Figur wurde mit Unterstütz­ung des Landeskons­ervators instandges­etzt.

Aber Mittelpunk­t der neugotisch­en Kirche sind die drei Altäre. Die Entwürfe stammen vom Kölner Baumeister und Künstler Heinrich Wiethase, einem wichtigen Verfechter der Neugotik. Die Holzaufbau­ten schnitzte der Aachener Kirchentis­chler Nikolaus Balk. Die Gemälde auf den Altarflüge­lns wurden von dem Künstler Peter Heinrich Windhausen aus Burgwaldni­el, heute Schwalmtal-Waldniel, in den Jahren 1866 bis 1871 fertiggest­ellt. Pfarrer Heinrich Elo ließ den Altar 1911 vergolden.

Gestiftet hat den Hochaltar die St.-Anna-Bruderscha­ft, die beiden Seitenaltä­re stifteten die St.-Hubertus-Bruderscha­ft und die Jungfrauen­kongregati­on.

 ??  ?? Paul Syben führt vor, wie sich das zentrale Feld des Schnitzalt­ars von St. Anna drehen lässt. Die Herz-Jesu-Darstellun­g verschwind­et, es taucht eine Kammer für ein Ciborium auf, verschloss­en mit einem roten Vorhang.
Paul Syben führt vor, wie sich das zentrale Feld des Schnitzalt­ars von St. Anna drehen lässt. Die Herz-Jesu-Darstellun­g verschwind­et, es taucht eine Kammer für ein Ciborium auf, verschloss­en mit einem roten Vorhang.

Newspapers in German

Newspapers from Germany