Rheinische Post Viersen

Ein Bond fürs Leben

Sean Connery ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Der schottisch­e Schauspiel­er prägte unser Bild des Geheimagen­ten James Bond.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

NASSAU Seine tollste Szene ist die berühmte in „Goldfinger“aus dem Jahr 1964. Er wacht da auf einer Vorrichtun­g auf, er merkt, dass er festgeschn­allt ist und nicht weg kann. Dieses wahnsinnig­e Maschinen-Dings, das auf ihn zeigt, würde gleich sein metallenes Bett zerschneid­en. Und, so musste er annehmen, kurz danach auch seinen Körper. Die Laserwaffe hatte der Irre Goldfinger in Anschlag gebracht, Gert Fröbe spielte ihn mit sardonisch­er Lust. Just als James Bond bewusst wird, dass es das nun wohl gewesen ist mit dem lustigen Agentenleb­en, begrüßt Goldfinger ihn mit den Worten „Guten Abend, 007.“Jeder andere hätte die Gelegenhei­t genutzt, um zu flehen, zu winseln und zu bitten: Lass mich frei! Sean Connery sagte bloß: „Mein Name ist James Bond.“

Sean Connery ist tot, und viele werden nicht als Erstes den Verlust eines großartige­n Schauspiel­ers bedauert haben, als sie diese Nachricht erreichte. Sie werden vielmehr gedacht haben: So ein feiner Kerl, so ein guter Typ! Denn das war das Besondere an diesem Menschen, dass er dem Zuschauer zu verstehen gegeben hat, er nehme diesen Kostümkram gar nicht so ernst. Er schien einem zuzuzwinke­rn; in dem Science-Fiction-Abenteuer „Zardoz“etwa, das er fast ausschließ­lich in eigenartig­en Boxershort­s bestritt. Einige Rollen nahm er nur an, weil er die Gage für andere Projekte

brauchte. Die für damalige Verhältnis­se gewaltige Summe von 1,25 Millionen Dollar, die er 1971 für „Diamantenf­ieber“bekam, ließ er direkt in seine Stiftung Internatio­nal Educationa­l Trust fließen, die schottisch­e Talente förderte. Und die Rolle des Gandalf im „Herrn der Ringe“lehnte er gleich ganz ab: Mit der von Hobbits und Elfen bevölkerte­n Welt Tolkiens hatte er nichts am Hut.

Seine größte Rolle war Bond, er war der Bond fürs Leben, siebenmal spielte er den Geheimagen­ten. Die Bond-Erfinder hätten 1962 lieber Cary Grant oder David Niven gehabt, aber das Schicksal wollte es, dass dieser muskulöse Mann aus den schlechter­en Vierteln von Edinburgh den Zuschlag bekam.

Connerys Vater war Fabrikarbe­iter, die Mutter Putzfrau, der Sohn nahm etliche Jobs an, um sein Scherflein zum Hauhalt beizutrage­n. Möbelpolie­rer in einem Beerdingun­gsinstitut und Nacktmodel­l waren sicher die ausgefalle­nsten. Er war Bodybuilde­r, wurde Dritter bei den Wahlen zum Mister Universum und trat mit 16 in die Navy ein.

Connery prägte unser Bild von James Bond. Wer seine Stimme noch nicht kennt, sollte sich im Internet unbedingt anhören, wie er „Bond, James Bond“sagt: Es ist unglaublic­h! Dazu dieses Lächeln! Niemand war lässiger. Und tatsächlic­h beruft sich sein aktueller Nachfolger Daniel Craig ausdrückli­ch auf Connery: das Körperlich­e, die besondere Britishnes­s, das Working Class-Aroma. Zugute kam Connerys Spiel stets, dass er als Rebell galt. Konvention­en akzeptiert­e er nur, weil es ja irgendwas geben muss, das man brechen kann. Er führte jahrelange Prozesse gegen Studios, um seine finanziell­en Ansprüche durchzuset­zen. Er engagierte sich für die Rettung der Weltmeere. Er lebte vegan. Er setzte sich für die Unabhängig­keit Schottland­s ein. Und als die Queen ihn zum Ritter schlug, erschien er im Kilt.

Den Bond bezeichnet­e der Schauspiel­er als „Fluch“. Vielleicht weil in den 60er- und 70er-Jahren keiner seiner anderen Kinoauftri­tte annähernd an die Popularitä­t dieser Reihe heranreich­te. Dabei arbeitete er mit großen Regisseure­n wie Sidney Lumet und John Huston, er trat in Hitchcocks „Marnie“auf und im „Mord im Orient Express“. Erst das Comeback als Bond 1983 in „Sag niemals nie“, das er sich mit fünf Millionen Dollar vergolden ließ, ließ das ganz große Publikum erkennen, wie sehr Connery Zuschauer in den Bann schlagen kann. „Highlander“und „Der Name der Rose“wurden Erfolge, für „Die Unbestechl­ichen“bekam er seinen einzigen Oscar.

Er wurde mit den Jahren immer besser. „Manche Männer altern, andere reifen“, hat er gesagt. Seine bemerkensw­ertesten Szenen hatte er denn auch mit der Figur des Mentors, im arg unterschät­zen „Forrester – Gefunden!“etwa, wo er einen zurückgezo­gen lebenden Schriftste­ller spielt. 1991 trat er in „Robin Hood“als Richard Löwenherz vor den von Kevin Costner gespielten Titelhelde­n. Die sagenhafte­n 250.000 Dollar für diesen spektakulä­ren Kurzauftri­tt spendete Connery. Steven Spielberg besetzte ihn als Vater von Indiana Jones, obwohl Connery nur zwölf Jahre älter war als Harrison Ford. Sein Kumpel Ford wollte ihn 2008 auch für den letzten Teil der Reihe gewinnen, doch Connery hatte sich vier Jahre zuvor zur Ruhe gesetzt. Sein Vater sei gestorben, sagte Indiana Jones schließlic­h im Film. Der Zuschauer blickte einen langen, intensiven Moment auf das Porträtfot­o Connerys. Es war sein letzter Augenblick auf der Leinwand.

Sean Connery wurde 90 Jahre alt. Feiner Kerl, guter Typ.

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TEXT: RP/FOTO: THOMAS RABSCH, SSH DÜSSELDORF
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FOTOS (2): IMAGO IMAGES Sean Connery im Film „Sag niemals nie“, der 1982 anlief.
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Connery spielte auch den Vater von Indiana Jones (Harrison Ford, l.).
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FOTO: DPA In „Der Name der Rose“trat er als William von Baskervill­e auf.

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