Ein Bond fürs Leben
Sean Connery ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Der schottische Schauspieler prägte unser Bild des Geheimagenten James Bond.
NASSAU Seine tollste Szene ist die berühmte in „Goldfinger“aus dem Jahr 1964. Er wacht da auf einer Vorrichtung auf, er merkt, dass er festgeschnallt ist und nicht weg kann. Dieses wahnsinnige Maschinen-Dings, das auf ihn zeigt, würde gleich sein metallenes Bett zerschneiden. Und, so musste er annehmen, kurz danach auch seinen Körper. Die Laserwaffe hatte der Irre Goldfinger in Anschlag gebracht, Gert Fröbe spielte ihn mit sardonischer Lust. Just als James Bond bewusst wird, dass es das nun wohl gewesen ist mit dem lustigen Agentenleben, begrüßt Goldfinger ihn mit den Worten „Guten Abend, 007.“Jeder andere hätte die Gelegenheit genutzt, um zu flehen, zu winseln und zu bitten: Lass mich frei! Sean Connery sagte bloß: „Mein Name ist James Bond.“
Sean Connery ist tot, und viele werden nicht als Erstes den Verlust eines großartigen Schauspielers bedauert haben, als sie diese Nachricht erreichte. Sie werden vielmehr gedacht haben: So ein feiner Kerl, so ein guter Typ! Denn das war das Besondere an diesem Menschen, dass er dem Zuschauer zu verstehen gegeben hat, er nehme diesen Kostümkram gar nicht so ernst. Er schien einem zuzuzwinkern; in dem Science-Fiction-Abenteuer „Zardoz“etwa, das er fast ausschließlich in eigenartigen Boxershorts bestritt. Einige Rollen nahm er nur an, weil er die Gage für andere Projekte
brauchte. Die für damalige Verhältnisse gewaltige Summe von 1,25 Millionen Dollar, die er 1971 für „Diamantenfieber“bekam, ließ er direkt in seine Stiftung International Educational Trust fließen, die schottische Talente förderte. Und die Rolle des Gandalf im „Herrn der Ringe“lehnte er gleich ganz ab: Mit der von Hobbits und Elfen bevölkerten Welt Tolkiens hatte er nichts am Hut.
Seine größte Rolle war Bond, er war der Bond fürs Leben, siebenmal spielte er den Geheimagenten. Die Bond-Erfinder hätten 1962 lieber Cary Grant oder David Niven gehabt, aber das Schicksal wollte es, dass dieser muskulöse Mann aus den schlechteren Vierteln von Edinburgh den Zuschlag bekam.
Connerys Vater war Fabrikarbeiter, die Mutter Putzfrau, der Sohn nahm etliche Jobs an, um sein Scherflein zum Hauhalt beizutragen. Möbelpolierer in einem Beerdingungsinstitut und Nacktmodell waren sicher die ausgefallensten. Er war Bodybuilder, wurde Dritter bei den Wahlen zum Mister Universum und trat mit 16 in die Navy ein.
Connery prägte unser Bild von James Bond. Wer seine Stimme noch nicht kennt, sollte sich im Internet unbedingt anhören, wie er „Bond, James Bond“sagt: Es ist unglaublich! Dazu dieses Lächeln! Niemand war lässiger. Und tatsächlich beruft sich sein aktueller Nachfolger Daniel Craig ausdrücklich auf Connery: das Körperliche, die besondere Britishness, das Working Class-Aroma. Zugute kam Connerys Spiel stets, dass er als Rebell galt. Konventionen akzeptierte er nur, weil es ja irgendwas geben muss, das man brechen kann. Er führte jahrelange Prozesse gegen Studios, um seine finanziellen Ansprüche durchzusetzen. Er engagierte sich für die Rettung der Weltmeere. Er lebte vegan. Er setzte sich für die Unabhängigkeit Schottlands ein. Und als die Queen ihn zum Ritter schlug, erschien er im Kilt.
Den Bond bezeichnete der Schauspieler als „Fluch“. Vielleicht weil in den 60er- und 70er-Jahren keiner seiner anderen Kinoauftritte annähernd an die Popularität dieser Reihe heranreichte. Dabei arbeitete er mit großen Regisseuren wie Sidney Lumet und John Huston, er trat in Hitchcocks „Marnie“auf und im „Mord im Orient Express“. Erst das Comeback als Bond 1983 in „Sag niemals nie“, das er sich mit fünf Millionen Dollar vergolden ließ, ließ das ganz große Publikum erkennen, wie sehr Connery Zuschauer in den Bann schlagen kann. „Highlander“und „Der Name der Rose“wurden Erfolge, für „Die Unbestechlichen“bekam er seinen einzigen Oscar.
Er wurde mit den Jahren immer besser. „Manche Männer altern, andere reifen“, hat er gesagt. Seine bemerkenswertesten Szenen hatte er denn auch mit der Figur des Mentors, im arg unterschätzen „Forrester – Gefunden!“etwa, wo er einen zurückgezogen lebenden Schriftsteller spielt. 1991 trat er in „Robin Hood“als Richard Löwenherz vor den von Kevin Costner gespielten Titelhelden. Die sagenhaften 250.000 Dollar für diesen spektakulären Kurzauftritt spendete Connery. Steven Spielberg besetzte ihn als Vater von Indiana Jones, obwohl Connery nur zwölf Jahre älter war als Harrison Ford. Sein Kumpel Ford wollte ihn 2008 auch für den letzten Teil der Reihe gewinnen, doch Connery hatte sich vier Jahre zuvor zur Ruhe gesetzt. Sein Vater sei gestorben, sagte Indiana Jones schließlich im Film. Der Zuschauer blickte einen langen, intensiven Moment auf das Porträtfoto Connerys. Es war sein letzter Augenblick auf der Leinwand.
Sean Connery wurde 90 Jahre alt. Feiner Kerl, guter Typ.