Kliniken brauchen Geld und dann Reformen
Die Tonlage könnte unterschiedlicher nicht sein. Während Angela Merkel vor einer akuten Notlage der Krankenhäuser warnt, sagt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, es gebe genug Intensivbetten. Während die Notärzte einen Kollaps der Intensivstationen befürchten, lehnen die niedergelassenen Ärzte einen Lockdown ab. Jeder verfolgt seine Interessen: Die Kanzlerin will die Schließungen verteidigen, Laumann die Forderungen der Krankenhäuser abwehren. Die Kassenärzte sorgen sich um „normale Patienten“und ihr Geschäft, die Notärzte um die Stabilität des Systems. Überzeugend ist diese Kakophonie nicht. Man muss auch kein großer Rechenkünstler sein, um zu sehen, wer recht hat: Mit dem sprunghaften Anstieg der Infektionszahlen heute droht die Zahl der Intensivpatienten in zwei Wochen ähnlich schnell zu steigen.
Man kann trefflich darüber streiten, ob das System der Fallpauschalen, nach dem Krankenhäuser bezahlt werden, sinnvoll ist. Ohne Zweifel setzt es Fehlanreize, was an der Operationsfreudigkeit bei Hüften und Knien zu sehen ist – jene planbaren Operationen, die den Kliniken besonders viel Geld bringen. Doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für Reformdebatten. Wenn man will, dass die Kliniken solche und andere elektive Eingriffe absagen, ohne sich dabei zu ruinieren, muss man ihnen etwas anbieten. Im Frühjahr legte die Bundesregierung eine großzügige Freihaltepauschale auf den Tisch. Nun schiebt sie den schwarzen Peter den Akteuren vor Ort zu. Am Geld kann es nicht liegen: Im Rettungsfonds für die Wirtschaft liegen Milliarden, die die Bundesregierung nicht los wird. In die Kliniken wäre es jetzt gut investiert. Die Grundsatzfrage, wie Deutschland sein Krankenhaussystem reformiert und konzentriert, kommt zurück auf den Tisch, wenn die Pandemie vorbei ist.
BERICHT NOTÄRZTE WARNEN VOR ÜBERLASTUNG, WIRTSCHAFT