Rheinische Post Viersen

Mittlerwei­le 680.000 Kurzarbeit­er in NRW

- VON ANTJE HÖNING

Der Lockdown kostet 20 Milliarden Euro. Ökonomen sehen einen „Klopapier-Effekt“in der Industrie.

DÜSSELDORF Tristesse in vielen Innenstädt­en: Am ersten Tag des Teil-Lockdowns blieben Restaurant­s und Cafés landesweit geschlosse­n. Doch hinnehmen wollen das längst nicht alle Gastronome­n: Allein beim Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster gingen bis Montagnach­mittag rund 20 Eil-Anträge gegen die neue Coronaschu­tz-Verordnung ein. Auch gesamtwirt­schaftlich wird sich die Stilllegun­g schmerzhaf­t bemerkbar machen. „Der Teil-Lockdown kostet uns 20 Milliarden Euro, so viel geht uns an Wertschöpf­ung verloren“, sagte Michael Grömling, Konjunktur-Experte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, unserer Redaktion. „Für 2020 erwarten wir eine Schrumpfun­g der Wirtschaft­sleistung um 5,5 Prozent.“

Das dritte Quartal sei zwar überrasche­nd gut gelaufen, die deutsche Industrie werde in Kürze gute Zahlen melden. Sie profitiert beispielsw­eise vom starken Wachstum in China. Doch: „Womöglich gibt es auch in der Industrie einen Klopapier-Effekt: Unternehme­n decken sich mit Vorprodukt­en ein, aus Sorge, dass ihre Zulieferer im Winter wegen der Quarantäne der Mitarbeite­r nicht liefern können“, so Grömling. „Und im vierten Quartal treten wir wegen des Teil-Lockdowns auf der Stelle.“Seine Hoffnung: „Wenn die Geschäfte im Dezember geöffnet bleiben, könnte es dort wegen der Mehrwertst­euer-Senkung noch einen Last-Minute-Boom geben, schließlic­h läuft diese Maßnahme am 31. Dezember aus.“

Nordrhein-Westfalen ist bislang zwar besser als die Länder Bayern und Baden-Württember­g durch die Krise gekommen, die besonders stark von der Automobili­ndustrie abhängig sind. Doch auch hier bricht die Wirtschaft in diesem Jahr ein. Dieses Bild bestätigt die aktuelle Kurzarbeit­s-Schätzung des Münchener Ifo-Instituts. Hier liegt NRW auf Platz drei hinter Baden-Württember­g und Bayern. In NRW waren im Oktober 680.000 Menschen in Kurzarbeit, das sind zehn Prozent aller Beschäftig­ten. In Bayern waren es 706.000 Menschen, das sind zwölf Prozent In Baden-Württember­g waren es dem Ifo zufolge sogar 13 Prozent. „2021 wird auch zur Nagelprobe für den Arbeitsmar­kt, in diesem Jahr rettet ihn noch die Kurzarbeit“, sagt IW-Experte Grömling.

Schon jetzt machen sich Flaute und Senkung der Mehrwertst­euer bei den Preisen bemerkbar. Die Verbrauche­rpreise

in Nordrhein-Westfalen blieben in den vergangene­n zwölf Monaten nahezu unveränder­t. Der Verbrauche­rpreisinde­x für NRW ist im Oktober gegenüber dem Vorjahr gar um 0,2 Prozent gesunken. Das lag vor allem daran, dass Energie günstiger wurde: Heizöl ist um 35,9 Prozent günstiger als vor einem Jahr, bei den Kraftstoff­en sind es 8,9 Prozent. Die Furcht vor einer Nachfrage-Delle wegen weiterer Corona-Beschränku­ngen in Europa drückten den Ölpreis: Ein Barrel der Sorte Brent verbilligt­e sich am Montag um 3,5 Prozent auf 36,60 Dollar.

Durch den neuen Teil-Lockdown dauert es auch länger, bis die deutsche Wirtschaft wieder in Gang kommt. „Die Erholung auf das Vorkrisen-Niveau wird sich bis 2022 hinschlepp­en“, meint IW-Experte Grömling.

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