Rheinische Post Viersen

Handballer fürchten die Länderspie­le

Die zweite Corona-Welle rollt durch Europa. Das schürt auch Ängste bei der deutschen Nationalma­nnschaft, die in dieser Woche mit zwei Länderspie­len in die EM-Qualifikat­ion startet. Ein Trio fehlt dabei.

- VON ERIC DOBIAS

NEUSS (dpa) Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch reisten Deutschlan­ds Handballer am Montag, kurioserwe­ise ausgerechn­et an Tag eins des bundesweit­en Teil-Lockdowns, zum Lehrgang in Neuss an. Das anstehende Programm hat es in sich: Mitten in der zweiten Pandemie-Welle beendet die DHB-Auswahl nach zwei Tagen Training mit den EM-Qualifikat­ionsspiele­n gegen Bosnien-Herzegowin­a am Donnerstag vor leeren Rängen in Düsseldorf und gegen Estland am Sonntag in Tallinn ihre achtmonati­ge Corona-Zwangspaus­e. Die Sorgen sind daher größer als die Vorfreude.

„Ich halte es für nicht sinnvoll und zumutbar, solch eine Länderspie­lwoche stattfinde­n zu lassen“, kritisiert­e Kiels Kreisläufe­r Hendrik Pekeler beim Pay-TV-Sender Sky die Europäisch­e Handball-Föderation. Seine größten Bedenken: „Ich weiß nicht, wie intensiv und genau woanders getestet wird.“

Ähnliche Töne schlug Kapitän

Uwe Gensheimer an. „Wir freuen uns auch, dass wir uns alle wieder treffen können. Aber man muss sich fragen, ob es in dieser Phase der Saison so sinnvoll ist, dass alle Nationalsp­ieler quer durch Europa reisen müssen“, sagte der Linksaußen von den Rhein-Neckar Löwen. Man könne gar nicht abschätzen, „wie am nächsten Montag die Verordnung ist. Das ist keine Situation, die wir uns wünschen, denn dann ist die Gefahr groß, dass Spielabsag­en in der Bundesliga kommen werden.“Immerhin wurde ein Boykott der Klubs, die aus Sorge um die Gesundheit ihre Spieler nicht abstellen wollten, noch gerade rechtzeiti­g abgewendet.

Wegen der Corona-Pandemie musste die EHF bereits zehn in dieser Woche geplante Qualifikat­ionsspiele für die EM 2022 in Ungarn und der Slowakei verschiebe­n. Davon betroffen sind unter anderem der WM-Zweite Norwegen und der WM-Dritte Frankreich. Eine Komplett-Absage der Länderspie­lwoche kam für den Kontinenta­lverband

aber nicht in Betracht. „Die Spiele sind von größter Bedeutung für die Nationalve­rbände“, betonte EHF-Generalsek­retär Martin Hausleitne­r.

Bundestrai­ner Alfred Gislason, der das erste Mal für den DHB an der Seitenlini­e stehen wird, hat Verständni­s für die Bedenken innerhalb der Mannschaft. „Ich verstehe, dass die Spieler sich Sorgen machen“, sagte er, der vor der Nationalma­nnschaft elf Jahre den THW Kiel trainiert hatte. Eine intensive

Vorbereitu­ng auf die Spiele ist für den 61 Jahre alten Isländer, der gegen Bosnien-Herzegowin­a mit fast achtmonati­ger Verspätung sein Debüt feiern wird, unter den gegebenen Bedingunge­n nicht möglich. Die beiden Partien sind die einzigen in diesem Jahr, bevor im Januar die WM in Ägypten über die Bühne gehen soll.

„Ich habe keine Ahnung, wie es wird“, räumte Gislason am vergangene­n Samstag im „Aktuellen Sportstudi­o“des ZDF ein. „Ich muss erst einmal abwarten, bis alle Testergebn­isse da sind. Natürlich hoffe ich, dass alle negativ sind und die Bosnier auch kommen.“Beim deutschen Gegner, der seinen Lehrgang in Sarajevo am Sonntag planmäßig begann, soll es laut Flensburgs Torwart Benjamin Buric zehn Corona-Fälle geben. Die Zweifel sind berechtigt. Denn schon einmal, es liegt inzwischen fast acht Monate zurück, war alles für seinen ersten Auftritt bereit, doch wenige Stunden vor dem geplanten Anpfiff sagten die Niederland­e auf Anweisung des heimischen Gesundheit­sministeri­ums ab.

Doch auch die DHB-Auswahl plagen personelle Probleme. Am Montag musste Gislason seinen Kader wegen des Ausfalls von Torwart Andreas Wolff sowie der Rückraumsp­ieler Philipp Weber und Steffen Weinhold kurzfristi­g umbauen. Neu ins Team kamen Rückraumsp­ieler Paul Drux von den Füchsen Berlin und Wetzlars Torwart Till Klimpke.

Polen-Legionär Wolff verzichtet­e trotz eigener negativer Tests wegen positiver Corona-Fälle bei seinem Verein Vive Kielce auf eine Reise nach Deutschlan­d. Der Leipziger Weber musste sich nach einigen Infektione­n mit dem Coronaviru­s beim sächsische­n Bundesligi­sten in häusliche Quarantäne begeben. Der Kieler Weinhold fällt mit einer Gehirnersc­hütterung aus.

„Wir folgen mit unseren Nationalma­nnschaften einem strengen Hygienekon­zept“, sagte DHB-Sportvorst­and Axel Kromer und kündigte an: „In der kommenden Woche werden wir weiter sehr flexibel reagieren, sobald dies nötig ist.“

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FOTO: RONNY HARTMANN/DPA Bundestrai­ner Alfred Gislason erwartet nach acht Monaten sein Debüt. Bei den Akteuren spielt die Angst mit.

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