Rheinische Post Viersen

Unangenehm, spielfreud­ig, heimatlos

Schachtjor Donezk ist seit Jahren der Spitzenklu­b der Ukraine. Geprägt wird es von einem Block aus Brasilien, finanziert von einem Milliardär. Doch die Geschichte des Serienmeis­ters geht über das Sportliche hinaus.

- VON JANNIK SORGATZ

Wer Schachtjor Donezk als leichteste­n Gegner in Borussias Champions-League-Gruppe bezeichnet, erntet von Marco Rose nicht einmal ein müdes Lächeln. „Die vermeintli­ch leichteste­n Aufgaben sind häufig die schwersten. Man muss sich nur die Ergebnisse angucken“, sagt Gladbachs Trainer vor dem Spiel am Dienstag in der Ukraine (18.55 Uhr/ Dazn). 3:2 hat Donezk bei Real Madrid gewonnen und damit gleich am ersten Spieltag die vermutete Statik der Gruppe ins Wanken gebracht. Es folgte ein 0:0 gegen Inter Mailand.

Gruppe B ist die einzige in der dieser Champions-League-Saison, in der jede Mannschaft schon einmal einen Europapoka­l gewonnen hat. Real steht bei 15 Erfolgen, Inter bei sechs, Borussia bei zwei und Donezk bei einem. 2009 gab es einen 2:1-Sieg nach Verlängeru­ng im Uefa-Cup-Finale gegen Werder Bremen. Sportlich hat sich seitdem nicht viel geändert: Schachtjor ist ukrainisch­er Serienmeis­ter, in der Königsklas­se zählt der Verein zu den Stammgäste­n, übersteht immer wieder die Gruppenpha­se und mischt ansonsten gerne mal die Europa League auf, vergangene Saison führte der Weg bis ins Halbfinale.

Nach wie vor prägen brasiliani­sche Profis das Gesicht des Teams. „Es ist eine Mannschaft, die aus vielen guten Fußballern besteht und fleißig verteidigt“, sagt Rose. „Eine sehr unangenehm­e Aufgabe.“Die Versuchung, Schachtjor­s Stil mit Stereotype­n zu beschreibe­n, ist groß. Auf der einen Seite ukrainisch­e Robustheit, auf der anderen brasiliani­sche Spielfreud­e. Aber Rose sagt über Donezks Brasiliane­r: „Man darf nicht denken, dass sie nicht verteidige­n können oder wollen.“

Der brasiliani­sche Markt ist seit Jahrzehnte­n kein geheimnisv­oller mehr, trotzdem gelingt es Donezk immer wieder, erfolgreic­h zuzuschlag­en. Jüngstes Beispiel: 2019 kam Tetê für 15 Millionen Euro von Gremio Porto Alegre. Gegen Real traf der 20-Jährige zum 1:0. Irgendwann dürfte er in die Fußstapfen seiner Landsleute treten, die für nicht so wenig Geld nach Donezk kamen und den Klub für ganz viel mehr verließen. Der teuerste war Fred, der für 59 Millionen Euro zu Manchester United wechselte.

Doch Schachtjor­s Geschichte ist seit Jahren schon keine rein sportliche mehr. Wer die prunkvolle Donbass-Arena in Donezk bei Google sucht, findet den Hinweis: „dauerhaft geschlosse­n“. Der Krieg in der Ostukraine hat Schachtjor zuerst nach Lwiw, tief in den Westen, vertrieben. Dort erprobte die Mannschaft

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