Für Elvedi wird es eng
Schwerer hat sich vor Donezk niemand verletzt. Trainer Rose wird weiter rotieren.
Drei Männer aus drei Haushalten dürfen sich seit Montag nur noch im Profifußball zum Joggen treffen. Die Laufrunde, die Nico Elvedi, Patrick Herrmann und Jonas Hofmann, am Rande des Abschlusstrainings vor dem Abflug Richtung Ukraine veranstalteten, ging natürlich völlig konform mit der Corona-Schutzverordnung. Und vermutlich hätten noch mehr Borussen nichts dagegen gehabt, die einzige Einheit vor dem Champions-League-Spiel bei Schachtjor Donezk (Dienstag, 18.55 Uhr/Dazn) minimalistisch anzugehen. Doch auch den Rest seines Kaders setzte Trainer Marco Rose keiner großen Belastung aus.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Hofmann nur laufend unterwegs war, weil er zuletzt so viel gelaufen ist. Am Samstag beim 1:0 gegen Leipzig lag er mit 12,2 Kilometern auf Platz eins, in der Königsklasse führt er mit 25,5 Kilometern nach zwei Spieltagen sogar die gesamte Rangliste an. Bekommt Hofmann nach zwei Spielen über die komplette Dauer in der vergangenen Woche nun eine Pause oder setzt Rose auch in Kiew gegen Donezk auf seinen Marathonmann?
In die Karten blicken lassen wollte sich der Trainer noch nicht, deutete aber an, seinen Rotationsschnitt mehr oder weniger beizubehalten. „Alle werden in Situationen kommen, in denen der Körper sich meldet“, sagte Rose. In Mailand hat er zweimal gewechselt, in Mainz fünfmal, gegen Real ebenfalls und gegen Leipzig dreimal – drei bis fünf Neue in der Startelf, das dürfte die Größenordnung am Dienstag sein.
Ob Innenverteidiger Elvedi als erste Änderung gesetzt ist nach seiner Auswechslung zur Pause gegen Leipzig, ist noch offen. „Nico wird noch mal behandelt. Grundsätzlich gibt es Entwarnung, aber natürlich spürt er seinen Muskel noch. Jetzt entscheidet jede Stunde darüber, ob er auflaufen kann“, sagte Rose. In der zweiten Halbzeit gegen Leipzig erledigte Ramy Bensebaini den Job als Matthias Ginters Nebenmann herausragend. Nur ist Bensebaini selbst ein Kandidat, der in Englischen Wochen sehr genau auf die Signale seines Körpers achten muss.
Gegen Leipzig rotierte Rose Marcus Thuram, Lars Stindl und Christoph Kramer aus dem Team. Die Tatsache kommt beinahe einer Startelf-Garantie für Donezk gleich. Alassane Plea hat zwei Startelf-Einsätze nacheinander in den Beinen, er könnte eine Pause bekommen, wenn Hannes Wolf sich gut fühlt nach den 90 Minuten vom Wochenende. Sein Siegtor sollte förderlich für die Regeneration gewesen sein.
Immun gegen die Rotation waren neben Torwart Yann Sommer bislang Matthias Ginter und Stefan Lainer. Am Dienstag dürfte das so bleiben, weil Tony Jantschke angeschlagen war und Valentino Lazaro nach zwei Monaten Verletzungspause womöglich ein Wagnis wäre in der Startelf. Bald wird auch er so weit sein und seinem Trainer das Rotationspuzzle erleichtern.
Hannes Wolf hat ein Zeichen gesetzt, er hat beim 1:0 gegen Leipzig gezeigt, dass er wichtig sein kann für Borussia, ein Entscheider. Aber auch einer, der an Kombinationen im Gladbach-Stil teilnehmen kann. Das ist ein wichtiger Schritt in seiner Borussen-Werdung. Doch endgültig angekommen ist er noch nicht in der für ihn neuen Fußballwelt.
Denn trotz seines Tores ist es noch immer so, dass er und das Borussen-Spiel ein wenig fremdeln miteinander, oder zumindest, dass der Betrachter das Gefühl hat, dass es so ist. Der Grund: Wolf ist anders als die üblichen Borussia-Offensiven der vergangenen Jahre. Das gilt gleichfalls für Marcus Thuram und Breel Embolo, doch bei denen ist das Thema Wucht extrem groß wegen ihrer Körperlichkeit, so sind sie klar definiert. Ebenso wie Alassane Plea, der 2018 als typischer Neuner geholt wurde.
Aber was ist Wolf? Er erinnert von der Statur her an den frühen Marco Reus. Auch Raffael, Lars Stindl, Thorgan Hazard oder Jonas Hofmann sind keine hoch aufgeschossenen Spieler, aber sie sind wie Reus allesamt von der
Art her typische Tiki-Taka-Spieler, die Räume kennen und auftun auf spielerische Art. Sie leben vom Gespür und mögen es, sich dem Gegenspieler eher zu entziehen, den Ball für sich zu beanspruchen und dies, wenn nötig, auch mal länger. Sie gehören zur Generation Ballbesitz bei Borussia.
Wolf denkt anders das Spiel als die neuen Kollegen. Er ist ein Kind der Salzburger RB-Fußballschule, von klein auf hat er Fußball kennengelernt als reinen Action-Film, als ein ständiges Attackieren des
Gegners, als ein Stressen, Nerven und Provozieren und eben nicht als ein Zurechtlegen und Auseinanderspielen wie viele seiner jetzigen Kollegen. Wer Wolfs Spiel verstehen will, darf nicht auf Stindl oder Hofmann schauen, sondern muss Stefan Lainer im Blick haben.
Lainer ist der typische Rose-Spieler: aggressiv, unnachgiebig, einer, der immer den Körperkontakt sucht, der dem Gegner auf die Pelle rückt, an ihm hängt wie eine Klette, der stichelt und stochert, der stets darauf aus ist, den Ball zu erobern und gleich umzuschalten und schnell in die Tiefe und zum Abschluss zu kommen. „Hannes ist ähnlich wie ich“, sagte Lainer unserer Redaktion.
Wolfs Aufgabe ist, sich immer mehr ins Borussen-Spiel reinzufuchsen, zugleich aber seinen persönlichen Stil beizubehalten und Borussia damit neue Akzente zu geben als unwuchtiger Wuchtspieler. Dass er das am Dienstag in Donezk wie gegen Leipzig von Beginn an tun darf, ist nicht abwegig. Seine Bewerbung mit dem Leipzig-Tor ist nachhaltig.