Rheinische Post Viersen

Oma und Opa — von Kriminelle­n geliebt

Gezielt nehmen Betrüger und Taschendie­be Senioren ins Visier. Wie die Polizei jetzt die Senioren besser schützen will.

- VON MARTIN RÖSE

KREIS VIERSEN Ob Taschendie­bstahl, Betrug oder Straßenkri­minalität – Senioren sind die idealen Opfer. Vertrauens­seliger als Jüngere, langsamer, bisweilen mit eingeschrä­nkten kognitiven Fähigkeite­n. Deshalb lieben Kriminelle Omas und Opas. „Senioren werden gezielt als Opfer ausgesucht bei Straftaten wie zum Beispiel Trickbetru­g und Trickdiebs­tahl sowie bei Taschendie­bstählen. Auch bei Delikten wie Handtasche­nraub sind häufig Seniorinne­n Opfer“, bestätigt Britta Färvers. Die Polizeiobe­rkommissar­in arbeitet in der Kriminalpr­ävention der Kreispoliz­eibehörde.

Bei Raub, Geldwechse­l- und Taschendie­bstählen würden die Täter gezielt potenziell­e Opfer beobachten, berichtet Färvers. „Ist das Opfer alt? Gebrechlic­h? Steht die Handtasche offen?“Gut für die Täter: Senioren zahlen seltener mit EC-Karte, haben oft viel Bargeld dabei. Jüngster Fall: Am Dienstag wurden zwei Seniorinne­n – 84 und 83 Jahre alt – ihre Handtasche­n in der Viersener Innenstadt beim Einkaufen gestohlen. Der Schaden: rund 2500 Euro.

Zwei Entwicklun­gen gebe es bei den Taschendie­bstählen, berichtet Oberkommis­sarin Färvers: Nach einem Rückgang der Fälle sei die Zahl der Diebstähle im vergangene­n Jahr merklich angestiege­n – um mehr als 16 Prozent. In diesem Jahr nahm die Polizei erneut deutlich mehr Anzeigen auf: 270 bis Ende September, das sind doppelt so viele wie in den Vorjahresm­onaten.

Die zweite Entwicklun­g: Der Anteil der Senioren an den Geschädigt­en steigt rapide. Im vergangene­n Jahr waren laut Polizei 41 Prozent der Geschädigt­en bei Taschendie­bstählen 60 Jahre oder älter, in diesem Jahr bereits 62 Prozent.

Und auch bei Betrugsdel­ikten – der falsche Wasserwerk­er, der falsche Polizist, der falsche Enkel – nehmen die Täter gezielt Senioren ins Visier. „Bei den betrügeris­chen Anrufen oder Besuchen an der Haustür ist es meist eine Datenreche­rche, die den Tätern geeignete Opfer signalisie­rt“, erklärt Färvers. „Entweder generieren die Täter ihre Opfer durch Selektiere­n von Telefonbuc­heinträgen nach altmodisch klingenden Vornamen.“Dabei benutzten die Kriminelle­n auch Daten, die sie legal oder illegal ankaufen, berichtet die Oberkommis­sarin.

Allein das Ändern des Telefonbuc­heintrags verspreche keinen sicheren Schutz verspricht. „Oder die Täter nutzen andere Datenquell­en von Versandhäu­sern oder Abos, die sie sich durch illegale oder durch legale Käufe verschaffe­n.“Im vergangene­n Jahr waren vier von fünf Geschädigt­e bei Betrugsdel­ikten 70 Jahre oder älter – Tendenz weiter steigend. In diesem Jahr kletterte der Prozentsat­z von 80 auf 82 Prozent.

Hinzu komme: Oftmals zeigen Senioren nicht bei der Polizei an, dass sie Opfer eines Betrugs geworden sind. „Es ist keine Schande, wenn man auf die profession­ellen Kriminelle­n herein gefallen ist“, betont Färvers. „Die Täter sind gut geschult und wissen, wie sie sich dasVertrau­en erschleich­en.“Aber nur wenn die Polizei von einer Straftat Kenntnis erlange, könne es ihr gelingen, den profession­ellen Banden das Handwerk zu legen.

Was tun? „Leider ist es derzeit coronabedi­ngt nicht möglich, unsere üblichen Beratungen in Seniorenca­fés durchzufüh­ren“, bedauert Färvers. Deshalb bereitet die Kreispoliz­eibehörde derzeit eine Alternativ­e vor: „Wir sind dabei, sehr zeitnah eine feste telefonisc­he Sprechstun­de für Senioren im Kreis Viersen anzubieten“, kündigt Färvers an. „Dafür werden wir in den nächsten Tagen Telefonnum­mer und Sprechzeit­en veröffentl­ichen.“

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FOTO: POLIZEI „Es ist keine Schande, wenn man auf die profession­ellen Kriminelle­n hereingefa­llen ist“, betont Kriminalob­erkommissa­rin Britta Färvers.

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