Oma und Opa — von Kriminellen geliebt
Gezielt nehmen Betrüger und Taschendiebe Senioren ins Visier. Wie die Polizei jetzt die Senioren besser schützen will.
KREIS VIERSEN Ob Taschendiebstahl, Betrug oder Straßenkriminalität – Senioren sind die idealen Opfer. Vertrauensseliger als Jüngere, langsamer, bisweilen mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten. Deshalb lieben Kriminelle Omas und Opas. „Senioren werden gezielt als Opfer ausgesucht bei Straftaten wie zum Beispiel Trickbetrug und Trickdiebstahl sowie bei Taschendiebstählen. Auch bei Delikten wie Handtaschenraub sind häufig Seniorinnen Opfer“, bestätigt Britta Färvers. Die Polizeioberkommissarin arbeitet in der Kriminalprävention der Kreispolizeibehörde.
Bei Raub, Geldwechsel- und Taschendiebstählen würden die Täter gezielt potenzielle Opfer beobachten, berichtet Färvers. „Ist das Opfer alt? Gebrechlich? Steht die Handtasche offen?“Gut für die Täter: Senioren zahlen seltener mit EC-Karte, haben oft viel Bargeld dabei. Jüngster Fall: Am Dienstag wurden zwei Seniorinnen – 84 und 83 Jahre alt – ihre Handtaschen in der Viersener Innenstadt beim Einkaufen gestohlen. Der Schaden: rund 2500 Euro.
Zwei Entwicklungen gebe es bei den Taschendiebstählen, berichtet Oberkommissarin Färvers: Nach einem Rückgang der Fälle sei die Zahl der Diebstähle im vergangenen Jahr merklich angestiegen – um mehr als 16 Prozent. In diesem Jahr nahm die Polizei erneut deutlich mehr Anzeigen auf: 270 bis Ende September, das sind doppelt so viele wie in den Vorjahresmonaten.
Die zweite Entwicklung: Der Anteil der Senioren an den Geschädigten steigt rapide. Im vergangenen Jahr waren laut Polizei 41 Prozent der Geschädigten bei Taschendiebstählen 60 Jahre oder älter, in diesem Jahr bereits 62 Prozent.
Und auch bei Betrugsdelikten – der falsche Wasserwerker, der falsche Polizist, der falsche Enkel – nehmen die Täter gezielt Senioren ins Visier. „Bei den betrügerischen Anrufen oder Besuchen an der Haustür ist es meist eine Datenrecherche, die den Tätern geeignete Opfer signalisiert“, erklärt Färvers. „Entweder generieren die Täter ihre Opfer durch Selektieren von Telefonbucheinträgen nach altmodisch klingenden Vornamen.“Dabei benutzten die Kriminellen auch Daten, die sie legal oder illegal ankaufen, berichtet die Oberkommissarin.
Allein das Ändern des Telefonbucheintrags verspreche keinen sicheren Schutz verspricht. „Oder die Täter nutzen andere Datenquellen von Versandhäusern oder Abos, die sie sich durch illegale oder durch legale Käufe verschaffen.“Im vergangenen Jahr waren vier von fünf Geschädigte bei Betrugsdelikten 70 Jahre oder älter – Tendenz weiter steigend. In diesem Jahr kletterte der Prozentsatz von 80 auf 82 Prozent.
Hinzu komme: Oftmals zeigen Senioren nicht bei der Polizei an, dass sie Opfer eines Betrugs geworden sind. „Es ist keine Schande, wenn man auf die professionellen Kriminellen herein gefallen ist“, betont Färvers. „Die Täter sind gut geschult und wissen, wie sie sich dasVertrauen erschleichen.“Aber nur wenn die Polizei von einer Straftat Kenntnis erlange, könne es ihr gelingen, den professionellen Banden das Handwerk zu legen.
Was tun? „Leider ist es derzeit coronabedingt nicht möglich, unsere üblichen Beratungen in Seniorencafés durchzuführen“, bedauert Färvers. Deshalb bereitet die Kreispolizeibehörde derzeit eine Alternative vor: „Wir sind dabei, sehr zeitnah eine feste telefonische Sprechstunde für Senioren im Kreis Viersen anzubieten“, kündigt Färvers an. „Dafür werden wir in den nächsten Tagen Telefonnummer und Sprechzeiten veröffentlichen.“