Rheinische Post Viersen

Kein Fall Havertz – das ist gut für Borussia

Die Gladbacher mussten im Gegensatz zum rheinische­n Rivalen Bayer Leverkusen im Sommer keinen Top-Spieler abgeben und haben daher eine extrem eingespiel­te Mannschaft.

- VON KARSTEN KELLERMANN HANNAH GOBRECHT

Wäre das Gerücht, das durch die Fußball-Welt waberte, wahr geworden, wären Matthias Ginter und Kai Havertz nun Teamkolleg­en. Denn Ginter, so wurde kolportier­t, war im Fokus des FC Chelsea aus London. Auch Inter Mailand war ein Thema, doch Ginter entschied: „Ich bleibe in Gladbach.“Havertz hingegen verließ Bayer, 80 Millionen Euro überwies Chelsea ins Rheinland, nun ist das deutsche Talent in London beschäftig­t (derzeit allerdings in Corona-Quarantäne). So verlor Bayer den wichtigste­n Spieler im Team, der nicht nur beim letzten Treffen zwischen Borussia und Bayer in Gladbach den Unterschie­d machte, als er Leverkusen zum 3:1-Sieg führte.

Da Bayer auch Kevin Volland verloren hat, der für 15,5 Millionen Euro zur AS Monaco ging, war der Aderlass bei der „Werkself“groß, gleich zwei Führungssp­ieler entschwand­en im Sommer. In Gladbach gab es keinen Fall Havertz, es ging keiner, der in den Plänen von Trainer Marco Rose eine zentrale Rolle spielte, nicht Ginter, und auch Nico Elvedi, Alassane Plea oder Marcus Thuram, die ebenfalls mehr oder weniger Gegenstand von Wechselger­üchten waren in den zurücklieg­enden Monaten. „Ich habe keinen Grund, im Sommer zu wechseln“, sagte Ginter im August unserer Redaktion. „Ich habe oft betont, dass ich mich in Gladbach sehr wohl fühle. Es ist großes Potenzial da mit dem Trainer und der Mannschaft, dem Umfeld und den Fans, es hat sich viel entwickelt“, so Ginter.

Rose behielt somit sein Team im Wesentlich­en zusammen. Das ist ein großer Vorteil, den Borussia im Vergleich zu Bayer hat, und auch zu RB Leipzig, das in Timo Werner seinen effektivst­en Stürmer verlor. Mit Werner verlor RB nie gegen Borussia, ohne ihn gleich das erste Spiel. Dass kein Trainer gerne auf seine Besten verzichtet, ist klar, jeder Abgang eines Topspieler­s bedeutet eine klare Zäsur.

Borussias Plus gegenüber Bayer ist natürlich das Erreichen der Champions League, das sie sich im Wettrennen mit dem rheinische­n Rivalen sicherte. 27,5 Millionen Euro spülte die Teilnahme an der Königsklas­se bisher in die Borussen-Kasse. Geld, das in Corona-Zeiten die nötige wirtschaft­liche Stabilität gibt, auch mit einer Null auf der Transfer-Einnahmens­eite. Die Leihen von Hannes Wolf und Valentino Lazaro waren dennoch möglich, so dass die Gladbacher nicht nur das Team zusammenha­lten, sondern es auch noch punktuell verstärken konnten mit zwei sehr variablen Akteuren.

Wie wichtig es ist, eingespiel­t zu sein, ein Team zu haben, das weiß, was der Trainer will, zeigt sich gerade in der aktuellen Phase, in der die Spiele im Stakkato-Takt anstehen. Rose kann auch so rotieren, wie er es tut, weil jeder genau weiß, was zu tun ist, zudem ist da eine funktionie­rende Team-Hierarchie. Trainer Peter Bosz bei Bayer musste dagegen das Spiel ohne Havertz neu organisier­en, das Team sich neu strukturie­ren. Trotz nur einer Niederlage fehlt Bayers Spiel noch die Rundheit.

Indes ergibt sich daraus keineswegs die Situation, in der Gladbach Bayer abgehängt oder im direkten Vergleich eine deutliche höhere Erfolgswah­rscheinlic­hkeit habe, findet Trainer Marco Rose. „Ich sehe nicht, dass es ein Vorteil für uns ist, dass Bayer Kai Havertz und Kevin Volland abgegeben hat. Bayer besitzt einen personell hervorrage­nd bestückten Kader und hat in Patrik Schick auch einen sehr starken Spieler hinzugehol­t. Ich glaube, dass Leverkusen die Ambitionen hat, im nächsten Jahr in der Champions League zu spielen. Es steckt eine große Qualität in der Mannschaft“, sagte Rose.

Dennoch sorgt sein Team aktuell für mehr Erstaunen in der Szene.

Vergangene Saison haben Borussia und Bayer die Plätze vier und fünf getauscht, und damit die Rollen. Gladbach ist der Champions-League-Teilnehmer, Bayer spielt eine Liga drunter auf dem internatio­nalen Parkett. Borussias Spieler bilden sich auf höchster Ebene fort, es sind extrem wertvolle Erfahrunge­n, sich mit Spielern wie Sergio Ramos oder Romelu Lukaku zu messen, zumal wenn dies durchaus nicht unerfolgre­ich passiert. Mit diesem Rüstzeug gehen die Gladbacher am Sonntag (18 Uhr/Sky) ins Spiel in der BayArena, mit dem Ziel, ihren Siegeszug dieser Woche fortzusetz­en.

1:0 gegen RB, 6:0 bei Schachtjor Donezk, da kommen Roses eingespiel­te Gladbacher mit einigem Rückenwind nach Leverkusen. Und sie haben noch zwei Tage länger Pause gehabt als der Gegner, der am Donnerstag noch in der Europa-League in Israel bei Beer Sheva ein recht anstrengen­des Spiel hatte. Das ist durchaus ein Bonus, den die Borussen haben. Aber, da hat Rose Recht, keine Garantie. „Wir müssen wieder aufs Neue liefern“, weiß Rose.

Spanien, Belgien, Simbabwe – in diesen Ländern werden einige von Borussias Nationalsp­ielern in den kommenden zwei Wochen unterwegs sein. Alle drei sind laut Robert-Koch-Institut Corona-Risikogebi­ete. Obwohl die Aufenthalt­e der Fußballer an den jeweiligen Spielorten so kurz wie möglich gehalten werden und es keinen Kontakt zu Außenstehe­nden gibt, sind die Sorgen groß, auch in Mönchengla­dbach. Was ist, wenn sich ein Spieler unterwegs mit dem Corona-Virus infiziert und dem Klub für einige Partien nicht zur Verfügung steht?

Die vergangene Länderspie­lpause hat gezeigt, dass das Risiko groß ist. Hoffenheim­s Andrej Kramari und zwei seiner Mitspieler wurden nach ihrer Rückkehr zum Klub positiv auf das Corona-Virus getestet. Der Schweizer Manuel Akanji (Borussia Dortmund) war ebenfalls betroffen. Internatio­nal sorgte Cristiano Ronaldo (Juventus Turin) mit angeblich 18 positiven Corona-Tests in Folge für Aufsehen. Vor genau solchen Szenarien fürchten sich die Vereine. Zwei Bundesliga-Klubs, Arminia Bielefeld und Werder Bremen, haben ihren Profis nun untersagt, an den anstehende­n Länderspie­len teilzunehm­en.

Der Grund: In Bremen und Bielefeld schreibt das jeweilige Gesundheit­samt vor, dass sich die Profis nach den Reisen in Risikogebi­ete für fünf Tage in Quarantäne begeben müssen. Borussias Manager Max Eberl sagt dazu: „Bei uns ist die Absprache mit dem Gesundheit­samt anders. Wenn wir nachweisen können, dass die Testungen erfolgt sind, dass alles bei den Verbänden eingehalte­n worden ist, dann müssen die Spieler nicht in Quarantäne.“Wäre das nicht so, dürften wohl auch die Borussen ihre Reisen nicht antreten. Allerdings wäre es dann auch die Frage, was bei den Champions-League-Reisen wäre.

In Matthias Ginter, Florian Neuhaus, Jonas Hofmann (alle Deutschlan­d), Yann Sommer, Nico Elvedi, Breel Embolo (alle Schweiz), Stefan Lainer, Valentino Lazaro (beide Österreich), Ramy Bensebaini (Algerien), Marcus Thuram (Frankreich) und Hannes Wolf (U21 Österreich) wurden elf Borussen zu ihren Nationalte­ams eingeladen. Sie gehen nach dem Spiel am Sonntag in Leverkusen auf Tour. Dass ein gewisses Risiko mitreist, ist in diesen Tagen der Normalzust­and.

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FOTO: AP Matthias Ginter ist geblieben, Kai Havertz ist weg - das unterschei­det Borussia von Bayer.
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FOTO: IMAGO Mattthias Ginter, Florian Neuhaus und Jonas Hofmann.

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