Rheinische Post Viersen

Vorsicht Borussia, jetzt nicht den Fokus verlieren

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Ich muss gestehen: Marco Rose hat mir eine große Freude bereitet. Als ich die Aufstellun­g für das Spiel bei Schachtjor Donezk gesehen habe, war ich sehr froh. Er hat seine Mannschaft sehr offensiv aufgestell­t. Chapeau! Genau so muss es sein, wenn ich Erfolg haben will. Rose hat ein Zeichen gesetzt – und das ist absolut angekommen bei der Mannschaft. Mit seiner Formation hat er seinen Jungs gesagt: Hey, wir wollen hier was reißen. Das haben die Spieler getan. Es war ein Klasse-Spiel der Borussia, sie hat einen Fußball gespielt, den ich sehr mag: aktiv, aggressiv und offensiv.

Zum Glück sind die Zeiten vorbei, als alle darauf aus waren, Ballbesitz zu haben. Hin und her spielen, zum Torwart, langsam aufbauen, Lücken suchen – ganz ehrlich: das ist grässlich. Natürlich darf es solche Phasen im Spiel geben, aber bitte nicht als Prinzip über 90 Minuten. Fußball muss Aktion sein.

Berti Vogts hat immer gesagt:

„In den ersten fünf Minuten können wir richtig drauf gehen und dem Gegner Respekt einflößen, da pfeift der Schiedsric­hter noch nicht so eng.“Er hat Recht. Borussia

hat genau das gemacht: Sie hat Donezk den Schneid abgekauft. Und hat dann sensatione­ll gespielt. Rainer Bonhof hat zuletzt zu mir gesagt: „Die Jungs wissen gar nicht, wie gut sie sind.“In Kiew haben sie es gezeigt. Was dazu beigetrage­n hat, war das positive Erlebnis gegen Leipzig, das war wichtig für den Kopf.

Wichtig ist auch, dass Rose wieder auf Kapitän Lars Stindl setzt. Er ist aggressiv und darum wichtig für das Pressing der Borussen. Bei dem haben alle Feldspiele­r mitgemacht, das hat mir in einigen Spielen vorher gefehlt. Da wurde die erste Pressingli­nie auch einige Male zu leicht überspielt mit langen Bällen. Dieses Mal hatten die ballführen­den Spieler keine Chance, den Ball sinnvoll nach vorn zu schlagen. Alles wunderbar.

Es war ein toller Sieg, natürlich. Aber, liebe Borussen, jetzt muss es nach der Länderspie­lpause so weitergehe­n. Erst in Leverkusen und dann auch zu Hause gegen Donezk. Da sind jetzt der Trainer und vor allem die Führungssp­ieler gefragt, Stindl, Sommer und Ginter. Sie müssen den anderen klar machen, dass es nur ein Spiel war, in dem alles super gelaufen ist, aber nicht mehr. Borussia kann es schaffen, in der Champions League zu überwinter­n, wenn sie jetzt nicht den Fokus verliert. Donezk wird im Rückspiel anders auftreten wollen, und das darf Borussia gar nicht erst zulassen. Wäre ich Rose, würde ich den Spielern Szenen aus den Spielen gegen Real und Donezk zeigen, die nicht so gut gelaufen sind. Es geht darum, die Sinne zu schärfen.

Wenn den Borussen das gelingt, traue ich ihnen viel zu, in der Liga und in der Königsklas­se. Warum nicht mit Blick auf die Liga sagen:

Leute, lasst uns die Bayern angreifen! Große Ziele motivieren gute Teams mit Selbstvert­rauen. Nur Mannschaft­en, die noch nicht so weit sind, geraten dadurch unter Druck. Die Lust auf den Erfolg muss da sein, auch hier gilt: Der Trainer setzt Signale, das Team muss darauf reagieren. So wie es gegen Donezk war. Da hat alles gepasst: die Idee des Trainers, der Wille des Teams, sie umzusetzen, und dann vor allem das, was aufs Feld gebracht wurde. Gelingt das auch in Leverkusen, gibt es den nächsten Sieg.

Winfried Schäfer (70) spielte von 1968 bis 1970 sowie 1977 bis 1985 insgesamt 263-mal für Gladbach. Er wurde 1970 Meister mit Borussia und gewann 1979 den Uefa-Cup mit Gladbach. Er gehört zum Kolumniste­n-Kreis, der in dieser Saison für unsere Redaktion exklusiv über Themen rund um Borussia schreibt.

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FOTO: IMAGO Winfried Schäfer, Ex-Borusse und Trainer-Weltenbumm­ler.

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