Rheinische Post Viersen

Schon als Kind soll Joe Biden auf die Frage nach seinen Karrierezi­elen geantworte­t haben: Präsident der Vereinigte­n Staaten. Jetzt ist er am Ziel.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Am Samstagabe­nd steht Joe Biden auf einer Bühne in Wilmington, der Stadt an der Ostküste, in der er seit seiner Kindheit lebt. Von der Müdigkeit, die ihm zuvor so oft anzumerken war, ist nichts mehr zu spüren. Biden wirkt so dynamisch wie seit Monaten nicht mehr. Er will Aufbruchst­immung verbreiten, anknüpfen an den November vor zwölf Jahren, als schon einmal ein Republikan­er im Weißen Haus abgelöst wurde, damals von Barack Obama.

Triumph und Tragödie lagen in seiner politische­n Laufbahn immer nah beieinande­r: Jetzt erinnert der Jubel auf dem Parkplatz, an dessen Rand sie die Bühne aufgebaut haben, tatsächlic­h an 2008. Handverles­ene Fans, in ihren Autos vorgefahre­n, stehen zwar nicht dicht an dicht, weil die Regie angesichts der Epidemie großen Wert auf Abstandsre­geln legt. Aber sie tanzen und singen so ausgelasse­n, dass es an die Obama-Euphorie denken lässt. Und auch in seiner Rede nimmt Biden Anleihen bei dem Mann, dem er einst als Vizepräsid­ent diente. Der rote Faden: die Vereinigte­n (!) Staaten. Politisch tief gespalten, aber doch, hoffentlic­h, immer noch ein Land, dessen Parteien zur Kooperatio­n fähig sind.

Er verstehe die Enttäuschu­ng derer, die für den Präsidente­n Trump gestimmt hätten, sagt Biden. „Aber lassen Sie uns einander eine Chance geben. Um voranzukom­men, müssen wir aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln. Wir sind keine Feinde. Wir sind Amerikaner.“Dann zitiert der gläubige Katholik aus der Bibel, wonach es für alles eine Zeit gebe, fürs Bauen, fürs Ernten, fürs Säen, fürs Heilen von Wunden. „Dies ist die Zeit fürs Heilen in Amerika.“Joe Biden, der Brückenbau­er. Auch in der Stunde des Triumphs ist es sein Leitmotiv.

Er ist 29, als er im November 1972 für einen Sitz im US-Senat kandidiert. Ein Außenseite­r, der im Duell mit dem Favoriten, einem gestandene­n

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