Schon als Kind soll Joe Biden auf die Frage nach seinen Karrierezielen geantwortet haben: Präsident der Vereinigten Staaten. Jetzt ist er am Ziel.
WASHINGTON Am Samstagabend steht Joe Biden auf einer Bühne in Wilmington, der Stadt an der Ostküste, in der er seit seiner Kindheit lebt. Von der Müdigkeit, die ihm zuvor so oft anzumerken war, ist nichts mehr zu spüren. Biden wirkt so dynamisch wie seit Monaten nicht mehr. Er will Aufbruchstimmung verbreiten, anknüpfen an den November vor zwölf Jahren, als schon einmal ein Republikaner im Weißen Haus abgelöst wurde, damals von Barack Obama.
Triumph und Tragödie lagen in seiner politischen Laufbahn immer nah beieinander: Jetzt erinnert der Jubel auf dem Parkplatz, an dessen Rand sie die Bühne aufgebaut haben, tatsächlich an 2008. Handverlesene Fans, in ihren Autos vorgefahren, stehen zwar nicht dicht an dicht, weil die Regie angesichts der Epidemie großen Wert auf Abstandsregeln legt. Aber sie tanzen und singen so ausgelassen, dass es an die Obama-Euphorie denken lässt. Und auch in seiner Rede nimmt Biden Anleihen bei dem Mann, dem er einst als Vizepräsident diente. Der rote Faden: die Vereinigten (!) Staaten. Politisch tief gespalten, aber doch, hoffentlich, immer noch ein Land, dessen Parteien zur Kooperation fähig sind.
Er verstehe die Enttäuschung derer, die für den Präsidenten Trump gestimmt hätten, sagt Biden. „Aber lassen Sie uns einander eine Chance geben. Um voranzukommen, müssen wir aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln. Wir sind keine Feinde. Wir sind Amerikaner.“Dann zitiert der gläubige Katholik aus der Bibel, wonach es für alles eine Zeit gebe, fürs Bauen, fürs Ernten, fürs Säen, fürs Heilen von Wunden. „Dies ist die Zeit fürs Heilen in Amerika.“Joe Biden, der Brückenbauer. Auch in der Stunde des Triumphs ist es sein Leitmotiv.
Er ist 29, als er im November 1972 für einen Sitz im US-Senat kandidiert. Ein Außenseiter, der im Duell mit dem Favoriten, einem gestandenen