So sollen die Innenstädte gerettet werden
Der Online-Handel floriert, der stationäre Einzelhandel hat massive Einbußen erlitten. Erst recht durch den ersten Corona-Lockdown. Viersen und Nettetal haben Fördergelder abgerufen, zur Sofortrettung der Innenstädte. Was ist konkret geplant?
KREIS VIERSEN NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) nahm kein Blatt vor den Mund, als sie ihr 70-Millionen-Euro-Sofort-Förderprogramm für die NRW-Innenstädte vorstellte: „Viele Einzelhändler bangen um die Zukunft ihrer Beschäftigten und um die eigene Existenz“, sagte sie. Die Innenstädte seien „die Marktplätze des 21. Jahrhunderts“, so die Ministerin. Das Sofortprogramm sei eine große Hilfe beim Kampf gegen den Leerstand. Es unterstützt Kommunen unter anderem dabei, Geschäfte für neue Nutzungen anzumieten oder ermöglicht einen Zwischenerwerb von Gebäuden in den Innenstädten, um deren
Entwicklung steuern zu können. Die Städte Viersen und Nettetal beantragten Gelder aus dem Fördertopf. Was planen sie konkret?
Knapp 230.000 Euro Fördergelder fließen nach Viersen. Die Wirtschaftsförderung plant mit dem Geld zwei Dinge. Erstens: einen Wettbewerb für Betriebsgründer und Jungunternehmer. Mitmachen können aber auch bestehende kleine und mittlere Betriebe mit innovativen Geschäftsideen aus Handel, Handwerk mit besonderem Schwerpunkt auf „urban manufacteurs“, Gastronomie und konsumorientierte Dienstleister. „Den Gewinnern werden Ladenlokale im Stadtzentrum Viersens zu günstigen Konditionen mit sofortiger Verfügbarkeit angeboten“, erklärt Stadtsprecherin Nicole Simons. „Außerdem unterstützen und coachen lokale Partner.“Drei Dinge erhofft sich die Stadt von dem Wettbewerb: der „Branchenmix“in der Viersener Innenstadt Soll ausgebaut werden, die leeren Geschäftsflächen werden belebt und Viersens City überregional als interessanter Investitionsund Wirtschaftsraum präsentiert. Wann geht’s los? „Nach einer positiven Bewilligung der Bezirksregierung Düsseldorf“, erklärt Simons. Bei dem Wettbewerb arbeitet die städtische Wirtschaftsförderung mit dem Gewächshaus für Jungunternehmer
zusammen.
Das zweite Projekt wird in Viersen-Dülken angesiedelt. Dort stehen derzeit rund 40 Ladenlokale leer. Dort soll, unweit des Dülken-Büros, ein „Coworking Space“entstehen. Die Stadtsprecherin: „Die ,Unternehmerbox-Dülken’ richtet sich an Unternehmen, die sich gerade in der Gründungsphase befinden und freie Mitarbeiter, die an verschiedenen nationalen oder internationalen Projekten arbeiten, aber regional verbunden sind oder ortsunabhängig arbeiten wollen.“Zielgruppe seien Kreative, Künstler und Selbstständige ohne Bedarf für einen ständigen Arbeitsplatz, wie zum Beispiel Personaltrainer. „Nicht nur Corona-bedingt kommen Home-Office-Lösungen für immer mehr Menschen und Betriebe in Betracht“, so Simons. Die Nachfrage sei da: Ein halbes Dutzend Anfragen nach flexibel nutzbaren Coworking-Lösungen nahe der eigenen Wohnung seien bei der Stadt Viersen bereits eingegangen. Simons betont: „Es ist geplant, laufende Angebote anderer Institutionen in das Projekt zu integrieren, so dass die ,Unternehmerbox Dülken’ sich auch zu einem Treffpunkt mit Ausstrahlung über den Stadtteil entwickelt.“
In Nettetal sollen die Stadtteile Kaldenkirchen und Lobberich von dem Förderprogramm profitieren. Für das Ortszentrum Lobberich stehen knapp 120.000 Euro
Fördergelder für „innovative Konzepte“bereit, in Kaldenkirchen soll es eine Zukunftswerkstatt zum Erhalt der Kernstrukturen im Ortszentrum geben – mit externer Moderation. Dafür stehen knapp 20.000 Euro Fördergelder zur Verfügung. Der Eigenanteil der Kommunen liegt bei zehn Prozent.
Der Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, Jürgen Steinmetz, lobte das NRW-Förderprogramm („eine große Hilfe beim Kampf gegen den Leerstand“). Und er kritisierte, dass nur wenige Kommunen aus dem Kammerbezirk Fördergelder beantragten. „Dass dieses Angebot nur so wenige Kommunen annehmen, kann ich nicht nachvollziehen“, so Steinmetz.
Brüggen, Niederkrüchten und Schwalmtal bewarben sich nicht. In der Gemeinde Schwalmtal habe man die Erfolgsaussichten „für derart gering gehalten“, dass man auf eine Bewerbung verzichtete, so Fachbereichsleiter Bernd Gather. In Schwalmtal gebe es keine große Innenstadt. Deshalb habe der Rat beschlossen, keinen Förderantrag zu stellen. Auch in Niederkrüchten habe man sich bewusst nicht um Fördermittel bemüht, erklärte Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos). „Wir haben bereits ein Zentren-Management, setzen Konzepte zur Stärkung um.“