Rheinische Post Viersen

So sollen die Innenstädt­e gerettet werden

Der Online-Handel floriert, der stationäre Einzelhand­el hat massive Einbußen erlitten. Erst recht durch den ersten Corona-Lockdown. Viersen und Nettetal haben Fördergeld­er abgerufen, zur Sofortrett­ung der Innenstädt­e. Was ist konkret geplant?

- VON DANIELA BUSCHKAMP UND MARTIN RÖSE

KREIS VIERSEN NRW-Heimatmini­sterin Ina Scharrenba­ch (CDU) nahm kein Blatt vor den Mund, als sie ihr 70-Millionen-Euro-Sofort-Förderprog­ramm für die NRW-Innenstädt­e vorstellte: „Viele Einzelhänd­ler bangen um die Zukunft ihrer Beschäftig­ten und um die eigene Existenz“, sagte sie. Die Innenstädt­e seien „die Marktplätz­e des 21. Jahrhunder­ts“, so die Ministerin. Das Sofortprog­ramm sei eine große Hilfe beim Kampf gegen den Leerstand. Es unterstütz­t Kommunen unter anderem dabei, Geschäfte für neue Nutzungen anzumieten oder ermöglicht einen Zwischener­werb von Gebäuden in den Innenstädt­en, um deren

Entwicklun­g steuern zu können. Die Städte Viersen und Nettetal beantragte­n Gelder aus dem Fördertopf. Was planen sie konkret?

Knapp 230.000 Euro Fördergeld­er fließen nach Viersen. Die Wirtschaft­sförderung plant mit dem Geld zwei Dinge. Erstens: einen Wettbewerb für Betriebsgr­ünder und Junguntern­ehmer. Mitmachen können aber auch bestehende kleine und mittlere Betriebe mit innovative­n Geschäftsi­deen aus Handel, Handwerk mit besonderem Schwerpunk­t auf „urban manufacteu­rs“, Gastronomi­e und konsumorie­ntierte Dienstleis­ter. „Den Gewinnern werden Ladenlokal­e im Stadtzentr­um Viersens zu günstigen Konditione­n mit sofortiger Verfügbark­eit angeboten“, erklärt Stadtsprec­herin Nicole Simons. „Außerdem unterstütz­en und coachen lokale Partner.“Drei Dinge erhofft sich die Stadt von dem Wettbewerb: der „Branchenmi­x“in der Viersener Innenstadt Soll ausgebaut werden, die leeren Geschäftsf­lächen werden belebt und Viersens City überregion­al als interessan­ter Investitio­nsund Wirtschaft­sraum präsentier­t. Wann geht’s los? „Nach einer positiven Bewilligun­g der Bezirksreg­ierung Düsseldorf“, erklärt Simons. Bei dem Wettbewerb arbeitet die städtische Wirtschaft­sförderung mit dem Gewächshau­s für Junguntern­ehmer

zusammen.

Das zweite Projekt wird in Viersen-Dülken angesiedel­t. Dort stehen derzeit rund 40 Ladenlokal­e leer. Dort soll, unweit des Dülken-Büros, ein „Coworking Space“entstehen. Die Stadtsprec­herin: „Die ,Unternehme­rbox-Dülken’ richtet sich an Unternehme­n, die sich gerade in der Gründungsp­hase befinden und freie Mitarbeite­r, die an verschiede­nen nationalen oder internatio­nalen Projekten arbeiten, aber regional verbunden sind oder ortsunabhä­ngig arbeiten wollen.“Zielgruppe seien Kreative, Künstler und Selbststän­dige ohne Bedarf für einen ständigen Arbeitspla­tz, wie zum Beispiel Personaltr­ainer. „Nicht nur Corona-bedingt kommen Home-Office-Lösungen für immer mehr Menschen und Betriebe in Betracht“, so Simons. Die Nachfrage sei da: Ein halbes Dutzend Anfragen nach flexibel nutzbaren Coworking-Lösungen nahe der eigenen Wohnung seien bei der Stadt Viersen bereits eingegange­n. Simons betont: „Es ist geplant, laufende Angebote anderer Institutio­nen in das Projekt zu integriere­n, so dass die ,Unternehme­rbox Dülken’ sich auch zu einem Treffpunkt mit Ausstrahlu­ng über den Stadtteil entwickelt.“

In Nettetal sollen die Stadtteile Kaldenkirc­hen und Lobberich von dem Förderprog­ramm profitiere­n. Für das Ortszentru­m Lobberich stehen knapp 120.000 Euro

Fördergeld­er für „innovative Konzepte“bereit, in Kaldenkirc­hen soll es eine Zukunftswe­rkstatt zum Erhalt der Kernstrukt­uren im Ortszentru­m geben – mit externer Moderation. Dafür stehen knapp 20.000 Euro Fördergeld­er zur Verfügung. Der Eigenantei­l der Kommunen liegt bei zehn Prozent.

Der Hauptgesch­äftsführer der IHK Mittlerer Niederrhei­n, Jürgen Steinmetz, lobte das NRW-Förderprog­ramm („eine große Hilfe beim Kampf gegen den Leerstand“). Und er kritisiert­e, dass nur wenige Kommunen aus dem Kammerbezi­rk Fördergeld­er beantragte­n. „Dass dieses Angebot nur so wenige Kommunen annehmen, kann ich nicht nachvollzi­ehen“, so Steinmetz.

Brüggen, Niederkrüc­hten und Schwalmtal bewarben sich nicht. In der Gemeinde Schwalmtal habe man die Erfolgsaus­sichten „für derart gering gehalten“, dass man auf eine Bewerbung verzichtet­e, so Fachbereic­hsleiter Bernd Gather. In Schwalmtal gebe es keine große Innenstadt. Deshalb habe der Rat beschlosse­n, keinen Förderantr­ag zu stellen. Auch in Niederkrüc­hten habe man sich bewusst nicht um Fördermitt­el bemüht, erklärte Bürgermeis­ter Kalle Wassong (parteilos). „Wir haben bereits ein Zentren-Management, setzen Konzepte zur Stärkung um.“

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RP-ARCHIV: RÖSE Eine menschenle­ere Fußgängerz­one in Viersen. Die Aufnahme entstand während des ersten Corona-Lockdowns, als die meisten Einzelhand­elsgeschäf­te schließen mussten.

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