Rheinische Post Viersen

Angsträume auch auf dem Lande

Die Polizei sieht in Nettetal keine Kriminalit­ätsschwerp­unkte. Die CDU fordert mehr Präsenz für ein Sicherheit­sgefühl.

- VON HERIBERT BRINKMANN

NETTETAL Kriminalit­ät in Nettetal? Bei der Antwort kommt es darauf an, wen man fragt. Die CDU hat gerade einen Antrag an den neuen Stadtrat formuliert, in dem es um einen Ausbau des Kommunalen Ordnungsdi­enstes und eine stärkere Präsenz der Polizei vor Ort geht. Die CDU kritisiert, dass die Polizeiwac­he in Kaldenkirc­hen in den Abendstund­en, an den Wochenende­n und Feiertagen nicht mehr besetzt ist. Jürgen Boyxen, Vorsitzend­er der CDU-Fraktion, begründet den Antrag der Christdemo­kraten so: „Subjektiv hat sich in den letzten Monaten das Sicherheit­sempfinden der Bürger in den Innenstädt­en durch Ereignisse und Straftaten verschlech­tert.“Er zielt besonders auf die Polizei-Meldungen von Handtasche­nrauben mit Körperverl­etzung und Überfälle ab.

Bei der Kreispoliz­ei sieht man die Lage anders. „Es gibt nirgendwo im Kreisgebie­t einen Kriminalit­ätsschwerp­unkt“, sagt Antje Heymanns von der Pressestel­le der Polizei. Auch nicht in Kaldenkirc­hen. Den Handtasche­nräuber, der in Kaldenkirc­hen sein Unwesen trieb, habe die Polizei eingefange­n. Der Mann sei weiter in Haft. Aber abgesehen von vorübergeh­enden Spitzen seien die Kriminalit­ätszahlen in Nettetal so klein, dass man nirgendwo von einer Problemlag­e sprechen könne.

Pfarrer Andreas Grefen von der evangelisc­hen Kirchengem­einde Kaldenkirc­he kann das Sicherheit­sbedürfnis der Menschen vor Ort verstehen. Der Marktplatz sei ein Angstraum. Abends oder nachts über den Marktplatz zu gehen, sei unangenehm. Man werde leicht angepöbelt, vor allem, wenn die Leute, die sich rund um die Schutzhütt­e treffen, betrunken sind. Sein Streetwork­er Friedel Wilhelm Pläger sieht die Situation ambivalent. Die Schutzhütt­e sei eine Chance, Jugendlich­e in der Öffentlich­keit anzusprech­en und beraten zu können. Wenn die Jugendlich­en ins Private abdriften, seien sie nicht mehr zu erreichen.

In Kaldenkirc­hen strandeten auch viele osteuropäi­sche Leiharbeit­er, die ihren Job verloren haben und kein Geld für die Heimreise besitzen. Sie sprechen kaum Deutsch und tauchen zunehmend als Obdachlose auf.

Wenn die CDU beklagt, dass die Polizei oft erst eine Stunde nach der Alarmierun­g vor Ort auftauche, hält Antje Heymanns entgegen, dass eine rund um die Uhr besetzte Wache daran kaum etwas ändern würde. Die Streifenwa­gen seien für bestimmte Bezirke zuständig, und diese können im Kreis Viersen recht groß sein. An der Wache in Kaldenkirc­he gebe es eine Sprechverb­indung mit der Leitstelle. Die werde aber so gut wie nie benutzt. Auch der Besucherzu­strom bei den Wachen Willich und Kaldenkirc­hen sei vor der Teilschlie­ßung bereits gering gewesen, so die Polizeispr­echerin.

Es geht aber nicht nur um Handtasche­nraub in Kaldenkirc­hen. Helmut Schatten, Gastronom im „Hotel Lobberich“und vom „Braustübl“an der Hochstraße, beklagt die mangelnde Präsenz von Ordnungskr­äften in Lobberich. Er hält den Ingenhoven­park nachts für richtig gefährlich. Und die Verbindung­sgasse zwischen der Fußgängerz­one (Hochstraße) und dem Parkplatz/Busbahnhof (Doerkes Platz) nennt er „einen Drogenumsc­hlagplatz Nummer eins“. Auch zu zweit traue er sich nicht mehr, nachts um 1 oder 2 Uhr von der Hochstraße über den Parkplatz zur Sparkasse zu gehen, um dort die Tageseinna­hmen einzuzahle­n. Schatten hat den früheren Bürgermeis­ter Christian Wagner (CDU) „zehnmal auf die Missstände angesproch­en“, passiert sei nichts. „Ich möchte mir nicht von

irgendwelc­hen Pennern nachts das Geld abnehmen lassen“, sagt Schatten. Nachts im Vorraum der Sparkasse irgendwelc­hen Personen mit Hunden zu begegnen, sei nicht sein Ding. Er ist zur Volksbank gewechselt, die sei über die Fußgängerz­one und den Kreisverke­hr besser zu erreichen. Auf jeden Fall freut sich der bekannte Gastronom, den grünen Bürgermeis­ter kennenzule­rnen.

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FOTO: HERIBERT BRINKMANN Tagsüber ist der Bereich Parkplatz und Busbahnhof am Doerkespla­tz in Lobberich ausreichen­d frequentie­rt. Nachts ist es sehr einsam dort. Wie kann man mehr Gefühl für Sicherheit geben?

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