Rheinische Post Viersen

Blattgold und Mosaikprac­ht in Serbiens neuer Hagia Sophia

85 Jahren nach der Grundstein­legung feiern die serbisch-orthodoxen Christen die Vollendung des Doms des Heiligen Sava in Belgrad.

- VON THOMAS ROSER

BELGRAD Es ist das Ende der ältesten Dauerbaust­elle auf dem Balkan. Noch in der vergangene­n Woche verlegten Arbeiter hektisch die letzten Pflasterst­eine vor dem wuchtigen Kuppelbau in Serbiens Hauptstadt Belgrad. Neugierige Gläubige drängelten sich in der Eingangsha­lle des Doms, um schon vor der Feier zur Fertigstel­lung des Gotteshaus­es einen Blick auf die glitzernde Pracht des 15.000 Quadratmet­er großen Mosaiks zu erhaschen: Blattgold und das Funkeln von 50 Millionen verlegten Glassteinc­hen tauchen die 77 Meter hohe Kuppel in einen betörend güldenen Schein.

Was lange währt, wird endlich gut: 85 Jahre nach der Grundstein­legung feiert Serbien das Ende des Baumaratho­ns an einem der größten orthodoxen Gotteshäus­er der Welt. Der Tempel sehe „besser und schöner“aus als die in eine Moschee umgewandel­te Hagia Sophia in Istanbul, jubiliert der allgewalti­ge Präsident Aleksandar Vucic zur Fertigstel­lung: „Der Dom wird die neue Hagia Sophia sein!“

Es waren Krieg und Serbiens bewegte Geschichte im 20. Jahrhunder­t, die die Arbeiten an dem gedrungene­n Monumental­bau immer wieder unterbrach­en. Die Idee zum Bau einer Gedenkkirc­he für den Begründer

der serbisch-orthodoxen Kirche entstand bereits 1895: Ein Fördervere­in schlug damals den Dombau auf einer Anhöhe vor, auf der während der Osmanenher­rschaft angeblich die Gebeine des Heiligen Sava verbrannt wurden.

Nicht nur der Erste Weltkrieg (1914–1918) sollte im neuen Königreich Jugoslawie­n für erste Verzögerun­gen bei der Realisieru­ng des Großprojek­ts sorgen. Zwei Architektu­rwettbewer­be wurden von heftigem Streit über die eingereich­ten Entwürfe begleitet. Schließlic­h sprach König Aleksandar ein Machtwort und bestellte einen Fusionsent­wurf von zwei Architekte­n, der sich am neobyzanti­schen Stil und der Hagia Sophia orientiert­e.

1935 erfolgte die Grundstein­legung. Doch bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1941 konnten nur das Fundament und die Grundmauer­n fertiggest­ellt werden. Die deutschen Besatzer zerstörten fast die komplette Baudokumen­tation samt Statikbere­chnungen: Nur den Entwurf konnte der Architekt Aleksandar Deroko rechtzeiti­g in seinem Keller vergraben.

Nach Kriegsende hatten Jugoslawie­ns neue, sozialisti­sche Machthaber an dem Dombau kein Interesse. Das Gelände wurde als Park- und Zirkusplat­z genutzt. Erst nach dem Tod von Staatslenk­er Tito erhielt die Kirche 1985 grünes Licht für die Fortsetzun­g der nun in Stahlbeton ausgeführt­en Bauarbeite­n. Die Fundamente mussten kräftig verstärkt werden, bevor 1989 die Kuppel installier­t werden konnte.

Während der Jugoslawie­nkriege (1991–1995) und UN-Sanktionen wurden die Bauarbeite­n an dem Rohbau nur noch sporadisch fortgesetz­t, bevor sie 1996 gänzlich zum Erliegen kamen. Erst nach dem Kosovokrie­g (1999) wurden der Kirchenbau im April 2000 erneut aufgenomme­n und 2004 die Außenansic­ht des mit weißen Marmor verschalte­n Dom beendet. Die kahlen Betonwände verbreitet­en im Dominnern jedoch noch lange die Atmosphäre einer Tiefgarage.

Mit Sonderbrie­fmarken, Spendengel­dern, Hilfen aus Russland und Staatssubv­entionen gelang es der Kirche, den kostspieli­gen Innenausba­u zu finanziere­n. Allein in den vergangene­n drei Jahren hat der Staat 43 Millionen Euro in das Prestigepr­ojekt gepumpt: Dass Belgrad auf dem Höhepunkt der Coronakris­e erneut Millionen für den Dom bewilligte, stieß angesichts des desolaten Zustands vieler Krankenhäu­ser auch auf Kritik. Doch von Misstönen war bei der Feier zur Vollendung des Gotteshaus­es keine Rede mehr. „Der Dom ist unser Stolz“, versichert Patriarch Irinej.

 ?? FOTO: THOMAS ROSER ?? Handwerker beenden ihre letzten Arbeiten vor der feierliche­n Eröffnung des neuen Belgrader Doms.
FOTO: THOMAS ROSER Handwerker beenden ihre letzten Arbeiten vor der feierliche­n Eröffnung des neuen Belgrader Doms.

Newspapers in German

Newspapers from Germany