Schulen sollen Anfangszeiten entzerren
Wegen der steigenden Infektionszahlen ist der Präsenzunterricht vielerorts schwer aufrechtzuerhalten. Schulministerium und Kommunen suchen nach Lösungen. Die Stadt Krefeld prüft eine Maskenpflicht für Grundschüler auch im Unterricht.
DÜSSELDORF Immer mehr Schulen in NRW müssen wegen Corona-Infektionsfällen teilweise oder ganz schließen. Den neuesten Zahlen des NRW-Schulministeriums zufolge fand bis zum Stichtag 4. November noch an 87,5 Prozent der Schulen regulärer Präsenzunterricht statt. In der Vorwoche war dies noch an 98,5 Prozent der Schulen der Fall. Sechs Schulen in NRW waren ganz geschlossen, 552 Schulen (12,3 Prozent) teilweise. In der Woche zuvor hatten erst knapp 70 Schulen der insgesamt rund 5500 Schulen in NRW teilweise schließen müssen.
In Quarantäne waren zum Stichtag 4. November 50.152 Schüler (knapp 2,5 Prozent). Merh als 3660 Schüler hatten sich infiziert – mehr als doppelt so viele wie in der Woche zuvor. Auch fast 560 Lehrkräfte wurden positiv getestet, fast 3500 mussten sich in Quarantäne begeben.
Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, Schulen und Kitas so lange wie möglich offenzuhalten, anders als im Frühjahr. Auch NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) setzt auf eine Maskenpflicht im Unterricht an weiterführenden Schulen, regelmäßiges Lüften und das Einhalten von Abständen, um die Infektionsrate möglichst niedrig zu halten.
Angesichts der steigenden Zahlen schlagen aber immer mehr Kommunen Sonderwege ein. In Krefeld prüft die Stadt eine Maskenpflicht für Grundschüler auch im Unterricht. Es liefen dazu letzte juristische Prüfungen, sagte ein Sprecher der Stadt. Bisher gibt es nur eine dringende Empfehlung der Stadt, dass auch die Grundschüler eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen sollen. In Solingen wollen sich viele Schulleiter weigern, auf eine Teilung der Klassen und abwechselnden digitalen Unterricht daheim zu verzichten. Sie legen Beschwerde ein. Die Landesregierung hatte das Wechselmodell untersagt, weil es den Präsenzunterricht unterlaufe.
Stattdessen arbeitet die Schulministerin mit den Schulträgern zurzeit an einer Lösung, um den Unterrichtsbeginn zu entzerren und Gedränge in Schulbussen zu vermeiden. In der Diskussion sind gestaffelte Anfangszeiten zwischen 7.30 Uhr und 8.30 Uhr – oder noch später. „Eine Ausweitung ist denkbar und wird noch in dieser Woche mit den Schulträgervertretern erörtert“, teilte das Schulministerium auf Anfrage mit.
Einer weitergehenden Flexibilisierung des Unterrichtsbeginns stehe die Landesregierung offen gegenüber, soweit die Schulträger diese vor Ort in Abstimmung mit den Schulleitungen erfolgreich umsetzen könnten. Entsprechend toleriere das Ministerium Modelle eines entzerrten Unterrichtsbeginns wie etwa in Herne, wo die Schule zurzeit zwischen 7.45 und 8.45 Uhr beginnt. Auch unterstütze die Landesregierung die Schulträger und Landschaftsverbände bei der Organisation zusätzlicher Schulbusse.
Die Schulleitungsvereinigung NRW sieht das kritisch. „Bei gestaffelten Anfangszeiten braucht es komplett neue Stundenpläne für die gesamte Schule“, sagte der Vorsitzende Harald Willert unserer
Redaktion. Bei Kooperationen zwischen zwei Schulen, wie sie in Städten oft bei einzelnen Fächern existierten, sei es noch schwieriger, die Anfangszeiten zu flexibilisieren. Viele Schulleiter seien aber jetzt schon an den Grenzen ihrer Belastbarkeit. Ein großes Problem sei, dass es keine einheitlichen Standards der Gesundheitsämter beim Umgang mit Infektionsfällen gebe. Viele schrieben bis tief in die Nacht E-Mails an Eltern, um sie über Quarantänemaßnahmen zu informieren, wenn es einen Infektionsfall gebe.
Politiker von SPD und Grünen in NRW appellierten am Dienstag an die Schulministerin, den Weg für Distanzunterricht freizumachen. Grünen-Co-Fraktionschefin Josefine Paul warf Gebauer am Dienstag eine „unverständliche Blockadehaltung“vor. „Es geht um die Frage, wie Bildungsgerechtigkeit und Infektionsschutz miteinander verbunden werden können.“