In Berg-Karabach schweigen die Waffen
Russlands Präsident Wladimir Putin soll bei der Vermittlung zwischen Armenien und Aserbaidschan geholfen haben.
MOSKAU Seit Mitternacht am Montag herrscht an der Front in Berg-Karabach eine Waffenruhe. Unterzeichnet wurde diese am späten Montagabend vom aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew und dem Ministerpräsidenten von Armenien, Nikol Paschinjan. Als Vermittler soll Russlands Präsident Wladimir Putin beteiligt gewesen sein. Beide Seiten verpflichten sich, die Truppenbewegungen auf dem letzten Stand einzufrieren.
Besonders schmerzlich ist der Waffenstillstand für die Republik Armenien, die dem Ansturm der aserbaidschanischen Truppen nicht standhalten konnte. Regierungschef Nikol Paschinjan sprach vor der Unterzeichnung von einer äußerst schwierigen Entscheidung: „Der Text ist für mich persönlich und für unser Volk schmerzhaft“, nach reiflicher Überlegung und Analyse der militärischen Lage hätte er sich jedoch für eine Unterzeichnung entschieden. Auch der Vertreter der nicht anerkannten Republik Berg-Karabach, Araik Arutjunjan, schrieb bei Facebook: „Die schwere Situation berücksichtigend und ausgehend von der Notwendigkeit, weitere große menschliche Verluste und den vollständigen Verlust von Karabach zu vermeiden, habe ich meine Zustimmung zur Beendigung des Krieges gegeben.“Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew feierte die Unterschrift als „militärische Kapitulation Armeniens“und lehnte Gespräche über den Status Karabachs strikt ab.
Noch in der Nacht zu Dienstag machte sich ein Kontingent von 2000 russischen Soldaten als Friedenstruppen auf den Weg in die Region. Der Einsatz an der Demarkationslinie soll auf fünf Jahre begrenzt sein. Die Soldaten sollen auch die Verbindungen zwischen Armenien und Karabach kontrollieren. Unter Aufsicht der Vereinten Nationen sollen auch Flüchtlinge zurückkehren können. Ob dies nur für die armenischen Flüchtlinge der jüngsten Kriegshandlungen gilt, oder auch für die 600.000 in den 90er-Jahren vertriebenen Aserbaidschaner, ist noch unklar.
Den Verhandlungen über die Waffenruhe war am Montagabend der Abschuss eines russischen Militärhubschraubers vorausgegangen. Die Aseris hatten den Hubschrauber auf dem Territorium Armeniens abgeschossen. Zwei russische Militärs kamen dabei ums Leben. Baku entschuldigte sich für den Zwischenfall und bot den Hinterbliebenen Schadensersatzzahlungen an. Russland unterhält eine Garnison im armenischen Gymri. Die Reaktion des russischen Außenministeriums fiel verhalten aus. Beim Abschuss eines Kampfjets über der Türkei 2015 antwortete Moskau mit diplomatischen Maßnahmen und verhängte Einfuhrstopp für türkische Tomaten. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, maß dem Zwischenfall beim Sender Echo Moskwy jedoch keine Bedeutung bei. Der Casus Belli hätte Russland indes als Anlass dienen können, in den Krieg auf armenischer Seite einzusteigen. Der Grund für einen Bündnisfall hätte vorgelegen. Armenien und Russland gehören der Verteidigungsgemeinschaft der „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“(OVKS) an. Aber auch Nachbar Aserbaidschan ist Teil dieses Bündnisses. Stattdessen wurde der Zwischenfall zum Anlass genommen, das russische Friedenskontingent sofort ins Kampfgebiet zu entsenden.
Trotz größerer Territorialverluste hätte Jeriwan durch die Vereinbarung die Chance erhalten, in Karabach weiter Einfluss auszuüben, stellt der russische Kaukasus-Experte Arkadij Dubnow fest. Es sei auch ein „Sieg der Armenier“, die sonst Karabach ganz verloren hätten, ergänzt er.
Erst hätte der Kremlchef Präsident Alijew „die Stadt Schuscha einnehmen lassen und danach dafür gesorgt, dass die Vereinbarung unterzeichnet wurde“. Damit bliebe Russland wie vorher „Garant des Friedens“im Südkaukasus. Dubnow räumt unterdessen ein, dass Armenien Grund hätte, verärgert zu sein: „Russland hat Armenien und Karabach nicht sofort gerettet“, wie es in Armenien erwartet worden war.
Tatsächlich scheint Russland seine Rolle im Kaukasus vorerst festigen zu können. Friedenstruppen stellt in Berg-Karabach nur Moskau. Zuvor kursierten Gerüchte, auch die Türkei würde sich an dem Einsatz beteiligen. Der Kreml hatte zuvor türkische Aktivitäten auf Seiten Aserbaidschans zähneknirschend hingenommen.