Expertinnen für mehr Sicherheit im Netz
Gudrun Stockmanns hat an der Hochschule Niederrhein den Studiengang Cyber Security Management mit ins Leben gerufen.
Frau Stockmanns, das Uniklinikum Düsseldorf ist vor Kurzem Opfer eines Hackerangriffs geworden. Wichtige Eingriffe konnten nicht erfolgen, die Notaufnahme blieb tagelang geschlossen. Können Absolventen des neuen Studiengangs so etwas verhindern?
STOCKMANNS Das Thema „Hackerangriffe“wird in Unternehmen, bei Betreibern kritischer Infrastrukturen und in der öffentlichen Verwaltung immer dringender. Und ja, unsere Studierenden des Studiengangs Cyber Security Management sollen befähigt werden, solche Cyber-Angriffe zu erkennen und zu bekämpfen, Risikoanalysen zu erstellen und Strategien zur Vermeidung von Sicherheitsvorfällen zu entwickeln. Damit haben die Inhalte des Studiums Cyber Security Management eine große Bedeutung für unsere Gesellschaft und Wirtschaft. Zumal wir derzeit nicht genügend Fachleute mit den erforderlichen Kompetenzen haben.
An wen richtet sich der neue Studiengang?
STOCKMANNS Das Studium hat sowohl BWL- als auch Informatik-Komponenten. Es richtet sich an Menschen, die analytisch denken, die Prozesse neu aufsetzen und umstrukturieren möchten oder die gerne organisieren und in Unternehmen und Verwaltung gestaltend tätig sein wollen. Spaß an der IT sollte dabei sein. Sie können eine große Bandbreite an Kompetenzen einbringen, deshalb kann in diesem Studiengang jede und jeder eigene Schwerpunkte für sich setzen. Das macht es für viele junge Menschen interessant – besonders für Frauen.
Warum?
STOCKMANNS Cyber Security ist ein Thema, für das im gesamten Unternehmen erst einmal Aufmerksamkeit geschaffen werden muss. Vom Pförtner bis zur Geschäftsführerin muss klar sein, wie man mit Passwörtern umgeht, was bei verdächtigen Mails zu tun ist und woran Social Engineering zu erkennen ist. Für diese Aufgabe muss man gut mit Menschen umgehen können, muss Mitarbeiterinnen oder Kollegen
schulen, das Thema Cyber Security ins Bewusstsein bringen. Dazu braucht man Empathie, und da sind Frauen oft besonders stark. Außerdem ist es ein Fach, das gesellschaftliche Relevanz hat, und dafür begeistern sich junge Frauen ebenfalls häufig.
Der Studiengang startet in diesem
Herbst das erste Mal. Wie ist denn die Frauenquote?
STOCKMANNS Die aktuellen Zahlen lassen darauf schließen, dass sich etwa
140 Studierende einschreiben werden mit einem Frauenanteil von zirka 15 Prozent. Das ist für einen IT-orientierten Studiengang schon sehr gut, dort liegt der Frauen-Anteil oft unter diesen 15 Prozent – aber mindestens ein
Drittel weibliche Studierende sind eigentlich unser Ziel.
Wieso haben die technischen Fächer ein Frauenproblem? STOCKMANNS Leider haben wir noch immer das Problem, dass Frauen sich IT und Technik oft nicht zutrauen. Sie sind oft theoretisch top, haben aber Sorge, praktisch mit den Männern nicht mithalten zu können. Deshalb arbeiten wir im neuen Studiengang Cyber Security Management mit einem innovativen Studienkonzept, welches das problembasierte Lernen und intensive Praxisprojekte als Lernform vorsieht. Somit sollen vorgegebene Probleme aus der Praxis weitgehend selbstständig sowie handlungs- und praxisorientiert gelöst werden. Alle unsere Studierenden – nicht nur die Frauen – sind somit optimal auf den Job vorbereitet, genießen eine moderne Ausbildung zu einem hochaktuellen Thema.
Sie sind eine der wenigen Informatik-Professorinnen in Deutschland und somit Rollenvorbild für viele Ihrer Studentinnen. Wie war Ihr eigener Weg in die Mint-Fächer? STOCKMANNS Zum Glück werden es immer mehr, und ich bin gerne Vorbild. Ich glaube wirklich, dass sich das Problem der wenigen Frauen in den Mint-Fächern nicht von selbst löst. Dabei brauchen wir die Frauen! Der Fachkräftemangel verschärft sich immer weiter, und wir brauchen eine Strategie, wie wir die Mädchen für ein naturwissenschaftlich-technisches Studium begeistern können. Und dann müssen wir sie gut betreuen. Ich selbst war auf einer reinen Mädchenschule und wurde dort sehr in Physik und Mathe gefördert. Ich habe nie den Satz „Das kannst du nicht“gehört. Es gab keine Jungs, die mir gesagt haben, Mädchen könnten kein Mathe – das kam erst in der ersten Info-Veranstaltung meines Informatikstudiums, wo man mich von oben herab ansah.
Was wären die wichtigsten Schritte, um mehr junge Frauen für technische Fächer zu begeistern? STOCKMANNS Wir müssen sie darin unterstützen, in ihre Fähigkeiten zu vertrauen, sie motivieren, sich mehr zuzutrauen. Und das schaffen wir, indem wir spannende Themen anbieten, die auch Frauen begeistern und ihnen das nötige Selbstvertrauen geben. Ich halte es für eine gute Idee, darüber nachzudenken, Naturwissenschaften getrennt zu unterrichten. Mädchen können so das nötige Selbstbewusstsein aufbauen. An der Hochschule Ruhr West in Mülheim gibt es übrigens den „Frauenstudiengang Maschinenbau“– der Studiengang richtet sich explizit an Frauen und findet in den ersten vier Semestern in kleinen Lerngruppen statt. Ab dem fünften Semester wird der Frauenstudiengang mit dem gemischten Maschinenbau-Studiengang vereint.
Was ist gerade in den ersten Semestern wichtig?
STOCKMANNS Frauen wollen ihr Studium nicht als reine Männerdomäne erleben. Gerade in den ersten Semestern brauchen die Studentinnen deshalb Dozentinnen und Mentorinnen als Vorbilder und Motivation zur Vernetzung. Eine Dozentin im ersten Semester hilft dabei ungemein, die Integration an der Hochschule fällt leichter. An der Hochschule Niederrhein bieten wir Studentinnen in den Mint-Fächern deshalb das „Mint Forum“an, einen Raum für den Austausch von Frauen untereinander, wo sich die Studentinnen, Wissenschaftlerinnen, Absolventinnen und Frauen aus dem beruflichen Umfeld vernetzen und unterstützen können.