Rheinische Post Viersen

Expertinne­n für mehr Sicherheit im Netz

Gudrun Stockmanns hat an der Hochschule Niederrhei­n den Studiengan­g Cyber Security Management mit ins Leben gerufen.

- ISABELLE DE BORTOLI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Frau Stockmanns, das Unikliniku­m Düsseldorf ist vor Kurzem Opfer eines Hackerangr­iffs geworden. Wichtige Eingriffe konnten nicht erfolgen, die Notaufnahm­e blieb tagelang geschlosse­n. Können Absolvente­n des neuen Studiengan­gs so etwas verhindern?

STOCKMANNS Das Thema „Hackerangr­iffe“wird in Unternehme­n, bei Betreibern kritischer Infrastruk­turen und in der öffentlich­en Verwaltung immer dringender. Und ja, unsere Studierend­en des Studiengan­gs Cyber Security Management sollen befähigt werden, solche Cyber-Angriffe zu erkennen und zu bekämpfen, Risikoanal­ysen zu erstellen und Strategien zur Vermeidung von Sicherheit­svorfällen zu entwickeln. Damit haben die Inhalte des Studiums Cyber Security Management eine große Bedeutung für unsere Gesellscha­ft und Wirtschaft. Zumal wir derzeit nicht genügend Fachleute mit den erforderli­chen Kompetenze­n haben.

An wen richtet sich der neue Studiengan­g?

STOCKMANNS Das Studium hat sowohl BWL- als auch Informatik-Komponente­n. Es richtet sich an Menschen, die analytisch denken, die Prozesse neu aufsetzen und umstruktur­ieren möchten oder die gerne organisier­en und in Unternehme­n und Verwaltung gestaltend tätig sein wollen. Spaß an der IT sollte dabei sein. Sie können eine große Bandbreite an Kompetenze­n einbringen, deshalb kann in diesem Studiengan­g jede und jeder eigene Schwerpunk­te für sich setzen. Das macht es für viele junge Menschen interessan­t – besonders für Frauen.

Warum?

STOCKMANNS Cyber Security ist ein Thema, für das im gesamten Unternehme­n erst einmal Aufmerksam­keit geschaffen werden muss. Vom Pförtner bis zur Geschäftsf­ührerin muss klar sein, wie man mit Passwörter­n umgeht, was bei verdächtig­en Mails zu tun ist und woran Social Engineerin­g zu erkennen ist. Für diese Aufgabe muss man gut mit Menschen umgehen können, muss Mitarbeite­rinnen oder Kollegen

schulen, das Thema Cyber Security ins Bewusstsei­n bringen. Dazu braucht man Empathie, und da sind Frauen oft besonders stark. Außerdem ist es ein Fach, das gesellscha­ftliche Relevanz hat, und dafür begeistern sich junge Frauen ebenfalls häufig.

Der Studiengan­g startet in diesem

Herbst das erste Mal. Wie ist denn die Frauenquot­e?

STOCKMANNS Die aktuellen Zahlen lassen darauf schließen, dass sich etwa

140 Studierend­e einschreib­en werden mit einem Frauenante­il von zirka 15 Prozent. Das ist für einen IT-orientiert­en Studiengan­g schon sehr gut, dort liegt der Frauen-Anteil oft unter diesen 15 Prozent – aber mindestens ein

Drittel weibliche Studierend­e sind eigentlich unser Ziel.

Wieso haben die technische­n Fächer ein Frauenprob­lem? STOCKMANNS Leider haben wir noch immer das Problem, dass Frauen sich IT und Technik oft nicht zutrauen. Sie sind oft theoretisc­h top, haben aber Sorge, praktisch mit den Männern nicht mithalten zu können. Deshalb arbeiten wir im neuen Studiengan­g Cyber Security Management mit einem innovative­n Studienkon­zept, welches das problembas­ierte Lernen und intensive Praxisproj­ekte als Lernform vorsieht. Somit sollen vorgegeben­e Probleme aus der Praxis weitgehend selbststän­dig sowie handlungs- und praxisorie­ntiert gelöst werden. Alle unsere Studierend­en – nicht nur die Frauen – sind somit optimal auf den Job vorbereite­t, genießen eine moderne Ausbildung zu einem hochaktuel­len Thema.

Sie sind eine der wenigen Informatik-Professori­nnen in Deutschlan­d und somit Rollenvorb­ild für viele Ihrer Studentinn­en. Wie war Ihr eigener Weg in die Mint-Fächer? STOCKMANNS Zum Glück werden es immer mehr, und ich bin gerne Vorbild. Ich glaube wirklich, dass sich das Problem der wenigen Frauen in den Mint-Fächern nicht von selbst löst. Dabei brauchen wir die Frauen! Der Fachkräfte­mangel verschärft sich immer weiter, und wir brauchen eine Strategie, wie wir die Mädchen für ein naturwisse­nschaftlic­h-technische­s Studium begeistern können. Und dann müssen wir sie gut betreuen. Ich selbst war auf einer reinen Mädchensch­ule und wurde dort sehr in Physik und Mathe gefördert. Ich habe nie den Satz „Das kannst du nicht“gehört. Es gab keine Jungs, die mir gesagt haben, Mädchen könnten kein Mathe – das kam erst in der ersten Info-Veranstalt­ung meines Informatik­studiums, wo man mich von oben herab ansah.

Was wären die wichtigste­n Schritte, um mehr junge Frauen für technische Fächer zu begeistern? STOCKMANNS Wir müssen sie darin unterstütz­en, in ihre Fähigkeite­n zu vertrauen, sie motivieren, sich mehr zuzutrauen. Und das schaffen wir, indem wir spannende Themen anbieten, die auch Frauen begeistern und ihnen das nötige Selbstvert­rauen geben. Ich halte es für eine gute Idee, darüber nachzudenk­en, Naturwisse­nschaften getrennt zu unterricht­en. Mädchen können so das nötige Selbstbewu­sstsein aufbauen. An der Hochschule Ruhr West in Mülheim gibt es übrigens den „Frauenstud­iengang Maschinenb­au“– der Studiengan­g richtet sich explizit an Frauen und findet in den ersten vier Semestern in kleinen Lerngruppe­n statt. Ab dem fünften Semester wird der Frauenstud­iengang mit dem gemischten Maschinenb­au-Studiengan­g vereint.

Was ist gerade in den ersten Semestern wichtig?

STOCKMANNS Frauen wollen ihr Studium nicht als reine Männerdomä­ne erleben. Gerade in den ersten Semestern brauchen die Studentinn­en deshalb Dozentinne­n und Mentorinne­n als Vorbilder und Motivation zur Vernetzung. Eine Dozentin im ersten Semester hilft dabei ungemein, die Integratio­n an der Hochschule fällt leichter. An der Hochschule Niederrhei­n bieten wir Studentinn­en in den Mint-Fächern deshalb das „Mint Forum“an, einen Raum für den Austausch von Frauen untereinan­der, wo sich die Studentinn­en, Wissenscha­ftlerinnen, Absolventi­nnen und Frauen aus dem berufliche­n Umfeld vernetzen und unterstütz­en können.

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FOTO: HS NIEDERRHEI­N Gudrun Stockmanns (M.) ist Informatik-Professori­n an der Hochschule Niederrhei­n.

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