Trump schart seine Anhänger um sich
Statt die Übergabe der Macht an seinen Nachfolger Joe Biden vorzubereiten, wechselt der US-Präsident das Führungspersonal in Schlüsselministerien aus. Kritiker befürchten, dass er diesen Blockadekurs bis zum Schluss fährt.
WASHINGTON Im Pentagon müssen nach dem entlassenen Minister Mark Esper weitere Führungskräfte ihren Hut nehmen. Neben der bisherigen Stabschefin Jennifer Stewart wurden auch zwei Staatssekretäre zum Rücktritt gezwungen: James Anderson, zuständig für strategische Planung, und Joseph Kernan, dem die Aufsicht über den Militärgeheimdienst oblag. Ersetzt werden beide durch treue Gefolgsleute Trumps.
Anthony Tata, der die Strategieplanung übernimmt, war bereits im Sommer für den Posten vorgesehen, musste aber einen Rückzieher machen, nachdem sich im Kongress Widerstand gegen seine Ernennung geregt hatte. Der Brigadegeneral a.D. fiel sowohl durch islamfeindliche Tweets als auch durch abfällige Äußerungen über Barack Obama auf. Den Ex-Präsidenten hat er einmal als „Terroristenführer“bezeichnet. Kash Patel, der Nachfolger Kernans, hatte zuletzt Richard Grenell beraten, den ehemaligen, im Februar zum amtierenden Geheimdienstkoordinator
beförderten US-Botschafter in Deutschland. Davor war er Assistent des Kongressabgeordneten Devin Nunes, eines Republikaners, der Trump während der Ermittlungen der Russlandaffäre mit besonderem Eifer verteidigt hatte.
Mit der Personalrochade noch auf den letzten Metern demonstriert der Präsident einmal mehr, dass er sich mit aller Macht an sein Amt klammert. Normalerweise wäre er jetzt, in den Wochen vor der Vereidigung seines Nachfolgers, die viel zitierte „lame duck“. Die „lahme Ente“, deren Tage im Oval Office gezählt sind und die nach und nach aus dem Fokus verschwindet, während sich alle Blicke auf den President-elect richten. Trump aber scheint es darauf angelegt zu haben, ein mit Loyalisten besetztes Kabinett als Instrument einzusetzen, um sich gegen den Ausgang einer de facto verlorenen Wahl zu stemmen.
Esper, bis Montag Verteidigungsminister, wurde gefeuert, weil er Gedankenspielen Trumps, die Armee gegen Demonstrierende einzusetzen, im Juni eine klare Absage erteilt hatte. Der späte Racheakt wirft die Frage auf, wer als Nächster gehen muss. Gut möglich, dass es Christopher Wray trifft, den FBI-Direktor, der vor Kurzem im Parlament erklärt hatte, ihm seien keine Belege bekannt, die auf verbreitete Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe schließen ließen. Der Kontrast zu den Behauptungen des Mannes im Weißen Haus, der von massivem Betrug spricht, war so offensichtlich, dass man in Washington praktisch täglich mit dem Rauswurf Wrays rechnet.
Für Wirbel sorgt wiederum Außenminister Mike Pompeo, der Zweifel an einem friedlichen Machtwechsel säte, wenn auch mit sarkastischer Note. „Es wird einen reibungslosen Übergang zu einer zweiten Regierung Trump geben“, sagte er und lächelte süffisant. Da Pompeo einen Hang zu schwarzem Humor hat, blieb zunächst offen, wie ernst er das meinte.
Indem Trump sich weigert, die Realität anzuerkennen, erschwert er es Biden auch ganz praktisch, sich auf sein Amt vorzubereiten. Üblicherweise stellt die General Services Administration (GSA), eine sonst kaum beachtete Bundesbehörde, der Mannschaft des designierten Präsidenten Räume und Geld zur Verfügung, damit diese den Übergang organisieren kann. Üblicherweise drücken Mitarbeiter der scheidenden Regierung ihren Nachfolgern so genannte „briefing books“voller vertraulicher Informationen in die Hand, damit diese auf dem Laufenden sind. Diesmal hat GSA-Direktorin Emily Murphy auf Weisung Trumps angeordnet, Gelder erst dann freizugeben, wenn zweifelsfrei ein Wahlsieger feststeht. Auch die Übergabe von Akten, und sei es nur von Aktenauszügen, hat der Amtsinhaber untersagt.
Seine Anhänger rechtfertigen es mit dem Hinweis auf den Wahlkrimi des Jahres 2000. Damals dauerte es nach einem Auszählungsdrama in Florida bis zum 13. Dezember, ehe der Demokrat Al Gore seinem Kontrahenten George W. Bush zum Sieg gratulierte und die Regierung Bill Clintons mit der Übergabe der Geschäfte begann. Diesmal, betonen zwei Schlüsselakteure von damals, lägen die Dinge anders. Vor zwanzig Jahren hätten sich beide Konkurrenten wochenlang zu Recht Hoffnungen gemacht, diesmal müssten vergleichsweise deutliche Ergebnisse in mehreren Bundesstaaten korrigiert werden, um Trump noch triumphieren zu lassen. „2020 ist nicht 2000“, schreiben John Podesta und Andy Card, der eine seinerzeit Stabschef Clintons, der andere designierter Stabschef Bushs, in einem Gastbeitrag für die Washington Post. „Der Prozess der Übergabe muss jetzt beginnen.“