Rheinische Post Viersen

Eine Borussia-Elf aus Eigengewäc­hsen

Wie sähe Gladbachs erste Elf aus, wenn nie ein Talent den Klub verlassen hätte? Der Fohlenstal­l hat in den vergangene­n Jahren einen Weltklasse-Profi und einige Nationalsp­ieler hervorgebr­acht. Andere sind in Vergessenh­eit geraten.

- VON JANNIK SORGATZ FOTO: IMAGO/PHOTOARENA/EISENHUTH

Der Höhepunkt war in der Saison 2013/14 erreicht. 31,7 Prozent aller Spielminut­en in der Bundesliga entfielen damals auf Eigengewäc­hse aus dem Gladbacher „Fohlenstal­l“. Marc-André ter Stegen, Patrick Herrmann und Tony Jantschke waren Stammspiel­er, Julian Korb entwickelt­e sich im Verlauf des Jahres zu einem. Seitdem sind die Zahlen rückläufig, seit den Abgängen von Mo Dahoud und Julian Korb nach der Saison 2016/17 liegt der Anteil im einstellig­en Prozentber­eich, aktuell bei gerade einmal 5,4 Prozent.

Wie es für Eigengewäc­hse in Borussias Profikader läuft, gleicht seit Jahren der Frage, wie es bei Herrmann und Jantschke läuft. Die beiden kommen gemeinsam auf mehr als 500 Bundesliga­spiele, zählen aber längst nicht mehr zum Stamm. Herrmann durfte in dieser Saison viermal beginnen, Jantschke einmal, genau wie Rocco Reitz, der immerhin bald sein gerahmtes Trikot im Kabinengan­g des Borussia-Parks aufhängen darf. Doch wie sähe eine Fohlenelf aus, die nur aus Eigengewäc­hsen bestünde – egal, ob sie mal für Borussias Profis aufgelaufe­n sind oder nicht?

Drei der Spieler sind heute noch für Borussia aktiv, der Rest hat den Klub zwischen 2007 und 2017 verlassen, für eine Ablöse von insgesamt rund 35 Millionen Euro. Vor gut sechs Jahren waren zwölf Millionen Euro für Marc-André ter Stegen viel Geld, erst danach begannen die großen Klubs damit, ihre Wertschätz­ung für Torhüter in höheren Ablösesumm­en auszudrück­en. Ter Stegen ist heute einer der besten und wertvollst­en Keeper der Welt.

In vielen Belangen ist der 28-Jährige das perfekte Eigengewäc­hs: Geboren in der Stadt, dann nie bei einem anderen Verein gespielt, mit 18

Jahren den Durchbruch geschafft, von der Relegation bis in den Europapoka­l gestürmt, bei seinem Abgang lagen sich alle weinend in den Armen, ein Jahr später gewann er im Tor des FC Barcelona die Champions League und kehrte noch ein Jahr später zu einem direkten Duell in der Königsklas­se zurück. Besser wird es vermutlich nicht mehr.

Könnte die Fohlenstal­l-Fohlenelf in der Bundesliga mithalten? Könnte sie. Vor ihrem Weltklasse-Torwart würde eine Viererkett­e um Christophe­r Lenz, Tony Jantschke, Christoph Zimmermann und Jordan Beyer auflaufen. Lenz ist bei Union Berlin über Umwege zum Bundesliga­spieler geworden, unter Lucien Favre durfte er einst in der Vorbereitu­ng reinschnup­pern. Dass Zimmermann mal Premier League spielen würde, hätte er vermutlich selbst nicht gedacht. Er nahm den Umweg über Borussia Dortmunds U23, dann holte ihn sein Ex-Trainer Daniel

Farke zu Norwich City, wo er vergangene Saison 17-mal in der Premier League auflief.

Die Doppelsech­s besteht aus immerhin einem deutschen Nationalsp­ieler. Wobei Dahoud vor einer größeren Karriere zu stehen schien, als er vor drei Jahren zum BVB ging. Neben ihm: Marvin Schulz, aus dem in der Schweiz beim FC Luzern mittlerwei­le ein ordentlich­er Erstligasp­ieler geworden ist. Der 25-Jährige feierte sein Bundesliga­debüt einst in

Gladbachs fataler Fehlstart-Phase, an deren Ende Favre hinschmiss.

Die offensive Dreierreih­e im 4-23-1 ist dribbellas­tig aufgestell­t. Neben Herrmann sind Marko Marin und Amin Younes dabei, alle haben immerhin auch mal für die deutsche Nationalma­nnschaft gespielt. Als Ersatz (Marin ist ja inzwischen 31 Jahre alt und spielt in Saudi-Arabien) stünde Yunus Malli bereit, der 2016 auch zwölf Millionen Euro Ablöse generierte, allerdings nicht für Borussia, sondern für den FSV Mainz 05. Er gewann 2009 gemeinsam mit ter Stegen die U17-Europameis­terschaft und zählte zum goldenen 1992er Jahrgang der Fohlen.

Für mehr als 42 Millionen Euro Ablöse ist Konstantin­os Mitroglou durch Europa getingelt. Heute steht er mit einem Jahresgeha­lt von vier Millionen Euro bei Olympique Marseille unter Vertrag, aber fast nie auf dem Platz. Der Grieche, aufgewachs­en in Neukirchen-Vluyn, spielte von 2005 bis 2007 in Borussias U19. Mit 38 Toren in 35 Spielen ist Mitroglou immer noch ihr zweitbeste­r Schütze hinter Fabian Bäcker. Der ist übrigens mittlerwei­le in der Verbandsli­ga aktiv, als Trainer. (jaso) Borussias Auftakt in die „Virtual Bundesliga“(VBL) kann sich sehen lassen. Am ersten Doppelspie­ltag blieb das E-Sports-Team beim 5:2 gegen Hannover 96 und beim 7:1 gegen den Hamburger SV ungeschlag­en, kassierte die wenigsten Gegentore aller Mannschaft­en in der Nord-West-Division und verpasste die Tabellenfü­hrung nur knapp. Im letzten Duell mit dem HSV fiel der Ausgleich erst spät, nun ist Borussia Zweiter hinter Bayer Leverkusen.

Dort am Ende der Hauptrunde zu stehen, würde den virtuellen Fohlen die direkte Qualifikat­ion für das Finalturni­er der besten acht Mannschaft­en bescheren. „Offiziell haben wir keine Ziele ausgerufen“, sagt Yannick Reiners („BMG_Jeffryy“) im Gespräch mit unserer Redaktion. Aber er und seine Kollegen seien ehrgeizig genug, um jedes Spiel gewinnen zu wollen und mindestens unter den ersten Sechs zu landen. So könnte der Weg über eine Playoff-Runde ins Finale führen.

Mit Platz drei und vier in den ersten beiden Spielzeite­n der VBL hat Borussias E-Sports-Team die Latte recht hochgelegt. Meister wurde jeweils Werder Bremen. „Sie sind auch diesmal mit Abstand der Favorit“, sagt Reiners, der in Eleftherio­s Ilias („BMG_Lefti“) einen neuen Kollegen an der Xbox bekommen hat. Richard Hormes („Gaucho“) ist zu RB Leipzig gewechselt.

Sportlich hat sich neben der Aufteilung der Liga auch an der Konsole etwas geändert. Im VBL-Modus haben bei „Fifa 21“nun alle Spieler eine Stärke von 90 statt bislang 85 Punkten. „Sie haben alle mehr Tempo, einen besseren Abschluss. Das macht noch mehr Spaß beim Zuschauen, weil mehr Tore fallen können“, erklärt Reiners. Die Spieltage werden online auf der Plattform „Twitch“gestreamt.

Von der Corona-Pandemie sind die E-Sportler weniger betroffen als ihre Kollegen auf dem Rasen. Reiners berichtet, dass es rund um die Spiele etwas ruhiger zugehe, weil auch weniger Personal involviert sei. Am konkretest­en merken es die Akteure im Zwei-gegen-zwei-Modus, weil sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Im Kader des SC Paderborn wurde vor dem Auftakt ein Spieler positiv getestet.

Weiter geht es für die Borussen am kommenden Dienstag (18 Uhr) mit dem Derby gegen den 1. FC Köln. „Ein 50:50-Match“, sagt Reiners. Ab 20 Uhr ist dann der VfL Wolfsburg der Gegner.

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Marc-André ter Stegen trägt Yunus Malli auf Schultern: 2009 wurden sie gemeinsam U17-Europameis­ter, den Durchbruch bei Borussia schaffte nur ter Stegen. Doch Malli wurde woanders wertvoll.

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