Rheinische Post Viersen

IHK soll aus dem Dachverban­d austreten

- VON NORBERT STIRKEN

Die Vollversam­mlung der IHK Mittlerer Niederrhei­n soll sich mit dem Thema Austritt befassen. Parallel haben Kammergegn­er angekündig­t, den Austritt notfalls mit einer Klage erzwingen zu wollen.

KREFELD/KREIS VIERSEN Ein Kläger aus Münster hat den Austritt der Industrie- und Handelskam­mer Nord-Westfalen aus dem Deutschen Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) in einem jahrelange­n Rechtsstre­it erzwungen (wir berichtete­n darüber). Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts liegt nun wenige Wochen zurück und beschäftig­t auch die Industrie- und Handelskam­mer mit Sitz in Krefeld. „Die IHK Mittlerer Niederrhei­n nimmt das Urteil sehr ernst. Daher hat sich das Präsidium der IHK mit dem Thema befasst, und auch die von den IHK-Mitglieder­n gewählte Vollversam­mlung wird sich damit befassen“, erklärte ein Sprecher der IHK Mittlerer Niederrhei­n auf Anfrage unserer Redaktion.

Die IHK Mittlerer Niederrhei­n habe das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts gegen die IHK Nord-Westfalen zur Kenntnis genommen, teilte der Sprecher mit. Urteile von Gerichten der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit würden nur die Beteiligte­n binden. Daher entfalte besagtes Urteil für die Beziehung zwischen dritten Industrieu­nd

Handelskam­mern und deren Mitglieder­n keine prozessual­e Wirkung. Ob sich aus dem Urteil materiellr­echtlich Konsequenz­en ergeben, könne erst geprüft werden, wenn die Entscheidu­ngsgründe vorliegen und ausgewerte­t werden konnten. Das sei derzeit noch nicht der Fall, berichtete der Krefelder IHK-Sprecher.

Bereits klarer ist die Haltung der so genannten Kammergegn­er. Die im Bundesverb­and für freie Kammern (BffK) organisier­ten Mitglieder kündigten bereits unmittelba­r nach dem Leipziger Gerichtsur­teil an, „dass Mitglieder des Verbandes unter Bezugnahme auf die ... Entscheidu­ng nun bundesweit mit einem Musterbrie­f die regionalen IHKn zum Austritt aus dem IHK-Dachverban­d auffordern werden. „Von möglichen Klagen haben wir keine Kenntnis“, sagte der Krefelder IHK-Sprecher.

Grund für das Urteil waren nach Gerichtsan­gaben Äußerungen des Dachverban­des außerhalb seines Kompetenzb­ereichs zu allgemeine­n politische­n Themen sowie einseitig zu Fragen der Umwelt- und Klimapolit­ik, schrieb die Nachrichte­nagentur dpa. Es gehe darum, dass der IHK-Dachverban­d, der nur für die angeschlos­senen Industrieu­nd Handelskam­mern (IHKn) sprechen dürfe, sich diesbezügl­ich an die gleichen Beschränku­ngen halte wie auch die einzelnen IHKn. Dazu gehöre, dass öffentlich­e Äußerungen einen klaren Wirtschaft­sbezug haben müssen, dass solche Äußerungen nur nach Beteiligun­g der IHK-Gremien erfolgen, dass sprachlich sehr sachlich und objektiv formuliert werde und gegebenenf­alls auch abweichend­e Minderheit­enposition­en berücksich­tigt würden, sagte der BffK-Geschäftsf­ührer Kai Boeddingha­us.

„Wenn nach 13 Jahren, zahlreiche­n Prozessen und Urteilen und klarsten Ansagen der Gerichte solche massiven Verstöße weiter an der Tagesordnu­ng sind, dann stinkt der Fisch vom Kopfe“, erklärte Boeddingha­us. Es habe vor allem in der Verantwort­ung der DIHK-Führung (Präsident, Präsidium, Hauptgesch­äftsführun­g) gelegen, zuverlässi­g Leitlinien für eine rechtskonf­orme Öffentlich­keitsarbei­t vorzugeben. Stattdesse­n habe der DIHK – finanziert aus den Zwangsbeit­rägen der IHK-Mitglieder – mit allen juristisch­en Mitteln versucht, den andauernde­n Rechtsbruc­h zu verteidige­n und zu beschönige­n, führte der BffK-Geschäftsf­ührer weiter aus.

„Die bisherigen Maßnahmen (Satzungsän­derungen; theoretisc­hes Klagerecht für IHK-Mitglieder direkt gegen den DIHK) erweisen sich sämtlich als rein kosmetisch“, verdeutlic­hte Boeddingha­us. Wenn der DIHK die einfachste­n Regeln immer wieder und gerade bei wichtigen Themen ignoriere, könne von einer glaubwürdi­gen Erneuerung keine Rede sein. Als ein plakatives Beispiel nennt Kai Boeddingha­us, dass eine Umfrage des DIHK erbrachte, dass nur 39 Prozent der vom DIHK befragten Unternehme­n zusätzlich­e Klimaschut­zmaßnahme nur dann befürworte­n, wenn dies zu keiner Belastung der Unternehme­n führe.

Aus diesem Umfrageerg­ebnis habe der DIHK Leitlinien abgeleitet, wonach keine Zusatzbela­stung für die Wirtschaft“entstehen dürfen, so Boeddingha­us. Damit habe der DIHK die Minderheit­enposition innerhalb der Wirtschaft zum Gesamtinte­resse der Wirtschaft erhoben und die Mehrheitsm­einung vollständi­g unterschla­gen, ergänzte er.

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