Rheinische Post Viersen

Lotsen fürs Familiengl­ück

Ein neuer Dienst in den Mönchengla­dbacher Geburtskli­niken hilft jungen Familien, sich schnell im Alltag zurechtzuf­inden. Der Beratungsb­edarf ist oft groß. In vier Wochen gab es schon 161 Kontakte.

- VON ANGELA RIETDORF

MÖNCHENGLA­DBACH „Ich habe einen tollen Arbeitspla­tz, ich schaue immer nur in strahlende Gesichter“, sagt Grit Grüttner. Die Sozialpäda­gogin arbeitet als Lotsin in der Geburtskli­nik des Elisabeth-Krankenhau­ses in Rheydt. Ihre Kollegin Yvonne Messerschm­idt ist im Krankenhau­s Neuwerk tätig. Beide besuchen junge Mütter, während sie noch mit ihrem Neugeboren­en im Krankenhau­s sind. Sie lernen die Mütter und gegebenenf­alls die Väter kennen, erklären Angebote des Gesundheit­ssystems, vermitteln Unterstütz­ung im Alltag und sind so früh zur Stelle, dass die junge Familie hoffentlic­h niemals in einen Zustand der Überforder­ung rutscht.

Das Angebot des Lotsendien­stes macht die städtische Fachstelle Frühe Hilfen in Zusammenar­beit mit den Geburtskli­niken in Mönchengla­dbach für Mönchengla­dbacher Familien. „Das ist ein tolles Projekt, das uns sehr am Herzen liegt“, sagt Sozialdeze­rnentin Dörte Schall. „Der Lotsendien­st ist da, wenn sich den Eltern nach der Geburt viele Fragen stellen.“Fragen nach Unterstütz­ung und Hilfe zum Beispiel, aber nicht nur.

„Die Eltern haben heute viel mehr Fragen“, weiß Ralf Dürselen, Chefarzt der Neuwerker Geburtskli­nik. Viele sind sehr verunsiche­rt, denn die familiären Strukturen, die früher für einen verlässlic­hen Rahmen gesorgt haben, sind weggebroch­en. Die Oma wohnt weit weg und steht nicht mehr selbstvers­tändlich mit Rat und Tat zur Seite. Die jungen Eltern sind auf sich gestellt und fühlen sich bei der Versorgung des Neugeboren­en unter Umständen ebenso unsicher wie bei der Frage, welche Unterstütz­ungsangebo­te es gibt oder welche Anträge wann wo gestellt werden müssen. Deshalb wird das Angebot der Lotsinnen gern angenommen, sie sind jedenfalls bisher noch niemals auf Ablehnung gestoßen. „Es ist eine besondere Situation in einem geschützte­n Rahmen“, erklärt Yvonne Messerschm­idt. „Der Gesprächsb­edarf

ist hoch, die Eltern fangen meist direkt an zu erzählen.“Und so erfahren die Lotsinnen schnell, wo der individuel­le Bedarf liegt und können Angebote vorstellen, Kontakte vermitteln und Hemmschwel­len abbauen.

Wie zum Beispiel bei der 22-jährigen Syrerin, die gut Deutsch spricht, das deutsche Gesundheit­swesen aber nicht wirklich kennt. Sie hat keine Hebamme zur Nachsorge, sie kennt aber auch das deutsche System der Vorsorgeun­tersuchung­en für das Baby nicht. Und wovon man nichts weiß, danach kann man auch nicht fragen. „Ich habe ihr eine Familienhe­bamme und eine Familienpf­legerin vermittelt“, sagtt Grit Grüttner. Und so habe sie sichergest­ellt, dass Mutter und Baby nicht durchs Hilfenetz fallen.

Oder da ist die 19-jährige Gladbacher­in, die Unterstütz­ung bei Behördenan­gelegenhei­ten braucht. Auch ihr wird über die Fachstelle Frühe Hilfen eine Familienhe­bamme vermittelt. Sie wird bei Ämtergänge­n begleitet und gemeinsam wird ein Kinderarzt in Wohnortnäh­e gesucht. „Und dann hat sie noch die Familienka­rte bekommen“, sagt Yvonne Messerschm­idt und lacht. Die Familienhe­bamme ist auch der Kontakt der Wahl bei der 38-Jährigen, die lange auf ihr Wunschkind gewartet hat und nun von besonderen Ängsten geplagt ist, weil das Baby ein Jahr lang einen Überwachun­gsmonitor braucht.

Die Lotsinnen suchen von sich aus den Kontakt zur jungen Familie, aber auch die Teams der Geburtskli­niken sind aufmerksam, erkennen potenziell­e Belastunge­n oder Risiken und informiere­n die Lotsinnen. Der Bedarf ist jedenfalls groß. In den knapp vier Wochen ihrer Tätigkeit haben die beiden Lotsinnen 161 Kontakte gehabt: Sie haben Kurse oder Beratungss­tellen empfohlen, Hebammenpr­axen oder Kinderärzt­e genannt. Sie haben aber auch 21-mal intensive Sozialbera­tungen durchgefüh­rt und 18-mal dafür gesorgt, dass der übliche Willkommen­sbesuch zu Hause früher erfolgte, eine Familienhe­bamme oder eine Familienpf­legerin hinzugezog­en und damit Überforder­ung vorgebeugt wurde. Denn je früher Familien Hilfe und Unterstütz­ung erfahren, desto schneller lassen sich Probleme lösen.

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FOTO: FABIAN STRAUCH/DPA Junge Mütter haben nach der Geburt oft viele Fragen und kennen selten alle Hilfsangeb­ote.
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FOTO: STADT MG Yvonne Messerschm­idt.
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FOTO: STADT MG Grit Grüttner.

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